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  1. LWL Freilichtmuseum Detmold -Landesmuseum-

    Durchschnittsbewertung: von 5 Sternen

    12 Bewertungen

    Krummes Haus 1, 32760 Detmold
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    Neu hinzugefügte Fotos
    Userbewertung: 5 von 5 Sternen
    von Kulturbeauftragte
    Im 19. Jahrhundert, als die ersten Freilichtmuseen entstanden sind, wollte man das bewahren, das vor der „industriellen Revolution“ den Alltag (vor allem) auf dem Lande (was ich aber eigentlich wesentlich später auch dort bemerkbar machen sollte) ausgemacht hatte. Vorreitende waren die skandinavischen Länder, bei denen es vor 1900 solche „Skansen“ (heißt auch auf polnisch so :-) ) eröffnet wurden, die zum Teil bis heute existieren. Davon kann bei dem in Detmold keine Rede sein! Wenn man es sich genau vergegenwärtigt, ist das 1971 gegründete am Rande des Teutoburger Waldes befindliche Museum eins der „jüngsten“ überhaupt in (West) Deutschland. Zugleich besitzt eine enorme Ausdehnung, die wir nicht mal an einem Tag geschafft haben! Es ist ein Zeugnis einer „vergangenen Welt“, die einem selbst sehr fern erscheint, die aber gleichzeitig eine Brücke in die Gegenwart schlägt. Das gelingt bestens, dadurch das durch die jährlichen (thematisch bezogenen) Wechselausstellungen. Das besondere unter ihnen, dass sie an verstreuten Punkten (nur an einer Karte erkennbaren Route folgend) zu finden sind. Das sehe ich aber nicht als ein Nachteil! Für Neugierige kann es eine spannende Erkundung des 90 ha großen Parks sein. Es gibt einige Überraschungen, die bis jetzt nicht erwähnt worden sind, auf die ich im Laufe meines Beitrags zu sprechen komme.

    In der Vergangenheit war es um so stärker ersichtlich, welche Stellung eine Person in seinem Umfeld genossen hatte. Diese Unterschiede machen einen großen Teil aus, der hier mit einer große Aufmerksamkeit nahegebracht. Wo soll ich Angesicht dessen anfangen, denn je nach dem welche der hier zusammengestellten Dörfer einen mehr oder weniger interessieren, kann man eine virtuelle Reise an einem Tag unternehmen, die sonst (vor Jahrhunderten) sicherlich mehrere Tage angedauert hatte! Das Freilichtmuseum Detmold vereint unter dem freien Himmel (aber nicht nur) unterschiedliche Beispiele wie die vorher erwähnte finanzielle Lage auf die jeweilige „Behausung“ / Leben allgemein in den letzten 500 Jahren! ausgewirkt hatte… Die Entfernungen kann man aber auch als eine Art Metapher verstehen, weil selbst heute die wege zwischen den einzelnen Regionen, die zum Teil außerhalb von Westfalen / Lipper Land oder gar des Bundeslandes NRW liegen!

    Ohne diesen Hintergrund könnte man meinen, dass neben diesen auch das Paderborner-, Mindener-, und Osnabrücker Land hier ihre Vertretung finden. Darüber hinaus aber auch Sauer- und Siegerland, sowie weitere wie die Mühlen, Sühnesteine / Bildstöcke, Kapellen etc. die zwar von ihrem ehemaligem Aufstellungsort bekannt sind, dennoch zwischen den einzelnen Teilbereichen zu finden sind.

    Die „Alltagskultur“ hat sich über Jahrhunderte war von den Jahreszeiten abhängig. So sieht man an den Höfen, was für einen Unterschied es zu heute ausmacht, wenn innerhalb dieser Räume sowohl Mensch, als euch Tier (wie man auf meinen Fotos sehen kann, auch lebendige) auf (zum Teil auf engem) Raum platz gefunden haben. An einigen der Häusern kann man auch beobachten, was man im eigenen Garten angebaut / geerntet hatte. Dort und auf den langen Wegen kann man sehr alte Pflanzen / Tiere sehen, die mitunter kaum bis gar nicht bekennt sind, sondern auch kurz vor der Ausrottung stehen :-/. Das ist auch einer der Ziele, die mit einer solchen Vorstellung verbunden sind, sie zu züchten / bewahren, bevor das Tatsächlich der Fall sein sollte!

    Man soll nicht in die gleiche „Versuchung“ kommen, wie es bei mir der Fall gewesen ist: auf Tafeln kann man nachlesen, was sich in den eingezäunten Flächen befindet. War besonders auf die „Bentheimer Landschweine“ gespannt (die mit ihren Punkten im Fell an die Dalmatiner erinnern :-) ). In „lebendig“ sie zu sehen… wäre mir eine besondere Freude, dennoch ab sie sich in die kleine Hütte zurückgezogen haben oder es zum besagten Zeitpunkt es einen anderen Grund gehabt hatte, kann ich nicht beantworten.
    Was sich in einem solchen Rahmen immer einer großen Beliebtheit erfreut, sind die Vorführungen. Bei manchen sind diese nur an bestimmten Wochentagen vor Ort erlebbar. So hatten wir dem Schmied bei seiner Tätigkeit zugeschaut aber auch, was mich ein wenig überrascht hatte, dass das frische Brot (und der verlockende Duft war einfach verführerisch :-) ) noch am Nachmittag erhältlich gewesen ist. Habe ausnahmsweise nicht gekauft, weil wir nicht wussten, wie das ohne ein „solides“ Brotmesser in Scheiben bekommen könnte… Vielleicht bei einem weiteren Besuch.

    Auf den ersten Blick scheint sich grob betrachtet, dass die Höfe sehr ähnlich aussehen würden. Wie so häufig kommt es immer darauf an, in welcher Gegend sie sich vor ihrem „Abbau“ und den erneuten Aufstellen im Freilichtmuseum gestanden haben. So kann man verstehen, wie es zu dem Sprung „Spring mal in die Kiste“ gekommen sein kann ;-). Das Bett mit einer Tür verschließbar war und dennoch von Privatsphäre keine Rede sein dürfte (weil die Knechte / Mägde Familienmitglieder), mit denen man sich das ganze geteilt hatte.

    An dem Inventar war zudem ablesbar, welche Religionszugehörigkeit die Menschen gehabt hatten, die dort gelebt haben. An einigen ist das außen erkennbar: bei jenen, die protestantisch gewesen sind, gab es einen Bibelspruch über dem Eingang und bei den katholischen waren es die Heiligebildchen / Rosenkranz etc. In dem Zusammenhang finde ich erwähnenswert, dass wir an einer seltenen Führung teilnehmen durften: ein Pastor war (Konfession unabhängig) in einer Dorfgemeinschaft eine Respektsperson. Bei einem Bau aus dem 18. Jahrhundert war dieser Umstand um so deutlicher Erkennbar. Bei dem aus dem Kreis Soest war es sowohl das Büro der Gemeinde, als auch die Dienstwohnung des Geistlichen. Der zweistöckige Bau bietet einem die Möglichkeit selbst zu sehen, welche (teure) Ausstattung sie um 1900 besessen hatte. Trotz, dass es seit 1968 (also noch bevor das Freilichtmuseum existiert hatte) auf dem Gelände „deponiert“ war, sollte es weitere 30 Jahre dauern, bis man mit dem Aufbau begann und erst 2012 als ein Teil des Paderborner Dorfes (innerhalb einer Führung) in der beschriebenen Form angeschaut werden konnte! Man fühlt sich in eine andere Zeit versetzt.

    Der Kontrast könnte kaum größer sein, wenn ich an eine (winzige) Kate der Tagelöhner denke! Es ist eher ein Kellerverschlag ohne Tageslicht, bei der man selbst froh ist, es hinter sich gelassen zu haben. Nicht viel besser sah es im sog. „Armenhaus“ aus, das am andern Ende des Geländes zu finden ist: die 4 karg möblierten Zimmer wurden Witwen zur Verfügung gesellt, die zwar eine kleine Zuwendung / lebenslanges Wohnrecht bekamen. Dafür aber keine Kinder haben durften und sich verpflichtet haben, für den „Wohltäter“ zu beten. Das dürfte heute kaum einen behagen, vor allem die Bewohnerinnen es selbst als einen sozialen „Abstieg“ angesehen haben. Das in Rinkerode stand in kirchlicher Verwaltung, dass man sich alles andere denken kann…

    Im krassen Gegensatz dazu sind der sog. „Schönhof“ und das Haus „Hoffbauer“ / Ackerbürgermeisterhaus – sie gehörten Kaufleuten, die es „weit“ gebracht haben und das in barocker „Opulenz“ (sichtbar durch geschnitzte Türen) von weitem erkennbar war! Teure Gemälde, Möbel, Geschirr, Ausstattung etc. lassen erahnen, welche Diskrepanz es bei den entgegengesetzten Bevölkerungsschichten es gegeben hatte. Das hat mich um so mehr nachdenklich gemacht.

    Nach mehreren Stunden ist man dann erstmals froh, dass es an mehreren Stellen des Freilichtmuseums etwas zu Essen bekommen kann! Ein besonderes Unter ihnen ist die bereits vorgestellte Museumsgaststätte "Im weissen Ross", die in einem historischen Fachwerkhaus zu finden ist. Sie ist im sog. „lippischen Dorf“ anzutreffen. Daneben sind noch mehrere Imbiss vorhanden. Leider war bei unserem Besuch der kleine Tante Emma Laden nicht besetzt gewesen. Die vielen Bonbons sahen schon lecker aus ;-). In einem weiteren ist ein Kolonialwarengeschäft zu finden. So unterschiedlich sie sich darstellen, sie sind in seltensten Fällen durchgehend barrierefrei erreichbar. Die „Treppe“ erinnert eher an eine Hühnerstange, die aus meiner Sicht nur mit „Vorsicht zu Genießen“ ist. Zum Teil, weil sie landwirtschaftlich genutzt wurden, muss man mit unebenen Stellen Rechnen. Mal ist es nur loser Sand, Kies oder gestampfter Lehm. Vereinzelt gibt es Einfahrten, die gepflastert sind, aber da gilt nicht selten, das was ich vorher erwähnt habe.


    Eine „Sonderrolle“ bei den Themenbereichen spielen die sog. „Senne Pferde“. In einem eigenen Gebäude wird über sie berichtet. Sie gelten heute ebenfalls als eine bedrohte Tierrasse. Sie galten als sehr robust, weil auch wenn man sie zur Zucht eingesetzt hatte, lebten sie das ganze Jahr im besagten Umfeld. In freier Natur gelten sie hingegen als ausgestorben. Die Geschichte, die damit verbunden ist, die das Haus Lippe für ihre Zwecke genutzt hatte, wird hierbei anschaulich gezeigt.

    Die Einschätzung, die ich auf mehreren Seiten im Internet gelesen habe, dass man um diese Vielfalt kennen zu lernen, im Schnitt 3-4 h benötigt. Diese Angabe halte ich selbst als unrealistisch und gar nicht zu schaffen. Selbst wir, die noch vor der offiziellen Öffnung an der Kasse standen und bis Abend dort blieben, haben nicht alles geschafft zu schauen! Vielleicht wenn man den Planwagen (Kosten unbekannt) nutzt, ist das machbar! Noch bevor wir die letzten beiden Dörfer ansteuern wollten, wurden wir vom Personal aufgefordert das Gelände zu verlassen, weil der Weg bis zu Kassen / Ausgang wohl mehrere Minuten in Anspruch nimmt! Das haben wir auch beherzigt.

    In einem kleinen Häuschen in diesem Bereich ist zugleich der Souvenirshop untergebracht. Man findet einiges an Infomaterial über die Region und einige typische Erzeugnisse, die man dort erwerben kann. Was ich aber schade fand, dass das Mehl (in einem Jutesäckchen) trotz eines angegebenen MHD bereits vorher (bei allen Produkten) verdorben gewesen ist :-(. Da ich nicht wußte, an wen ich mich wenden soll, habe ich auf eine Mitteilung verzichtet. Bei einem mehrfachen Preis dessen, was man sonst bezahlt, war das schon ärgerlich!

    Das Gelände ist mit seinen 90 ha eins der größten in Deutschland. Wenn ich mich entsinne, wurde diese Fläche seit meinem ersten Besuch in den späten 90-er Jahren erweitert. Das ganze lädt zum Verweilen ein und jeder findet mit Sicherheit etwas interessantes für sich! Es ist zugleich eine spannende Zeitreise in die Vergangenheit, die man für lange im Gedächtnis behält! Die Wege innerhalb des Museumsgeländes sind bestens ausgeschildert, sodass man keine Befürchtungen zu hegen braucht, sich dort zu „verlaufen“. Die fälligen 8 € sind mehr als wert, investiert zu werden! Leider, aufgrund von Corona ist auch dieses Museum bis auf weiteres geschlossen. Sonst wäre Anfang April der Start in eine neue Saison gewesen. In den Monaten November bis März ist es bis auf Sonderveranstaltungen (Lichter im Advent) geschlossen.


    Ausgeblendete 4 Kommentare anzeigen
    vinzenztheis Zu recht ausgezeichnete und sehr ausführliche Bewertung .

    GzgD.

    Vor Jahren habe ich selbst dieses Freilichtmuseum besucht und kann nur betätigen was von Kulturbeauftragte berichtet wird. Ich schätze dass dieses Freilichtmuseum eines der größten und umfangreichsten seiner Art in Deutschland ist.

    Habe bereits mehrere Freilichtmuseen besucht unter andern das Freilichtmuseum Hessenpark GmbH in 61267 Neu-Anspach/Taunus, siehe:

    https://www.golocal.de/neu-anspach/ausflugslokale/freilichtmuseum-hessenpark-gmbh-4mrt/

    Das Museum in Detmold ist allerdings noch größer und umfangreicher als der Hessenpark. Aber für beide Museen sollte man unbedingt einen kompletten Tag einplanen. Noch besser zwei Tage. Nur 4 Stunden ist ein Witz, da muss man mit einem D-Zug durchrasen.
    bearbeitet
    Kulturbeauftragte vinzenz deine Bewertung über den Hessenpark habe ich schon mal gelesen. Was mich noch in NRW reizen würde aber wegen eher schlechter Verkehrsverbindung bisher gar nicht angesteuert habe, ist das in Mechernich-Kommern (Kreis Euskirchen). Sie befinden sich beide in der Trägerschaft des LWL. Laut den Angaben, die ich auf deren Seite gelesen habe, soll jener soll sogar noch umfangreicher ausfallen - sogar 20 HA mehr= 110 ha Fläche!

    Habe letztes Jahr zwei kleinere mir angeschaut aber dazu an den passenden Stellen mehr!