Nichts wird so unterschiedlich beurteilt wie das individuelle Gerechtigkeitsempfinden. Es ist ein Maßstab mit dem das Handeln beurteilt wird, das je nach dem wie es ausfällt die eine oder die andere Seite der Waagschalen nach oben führt. In der Darstellung der Justitia wird sie mit einer Augenbinde dargestellt, weil sie unabhängig sein soll und vor dem äußeren Einfluß sie schützen. In einer Stadt, wie Frankfurt es über Jahrhunderte gewesen ist, als Reichsstadt nur dem Kaiser unterstellt, besaß... weiterlesen
eine eigene Gerichtsbarkeit, die durch hohe Würdenträger vertreten wurde.
In der Antike bereits wurde die Gerechtigkeit mit einer Waage und einem Schwert dargestellt, wie man es an der Stelle auch sehen kann. Recht und Gerechtigkeit soll dabei sich in Balance befinden, was nicht selten aber anders ausgelegt wurde, als es eigentlich in Wahrheit beurteilt sein müssen.
Die Justitia, könnte man meinen, sei eine "alte Frankfurterin", die einfach bestens ins Bild, das man sich vom "Römerberg" so macht. Das stimmt aber nur zum Teil, denn es handelt sich auch bei dieser Darstellung um eine "moderne" Kopie, auch wenn die Formensprache einem vorgaukelt, dass es ein Objekt aus dem Manierismus handeln könnte.
Wenn man davor steht, weiß man nicht wohin man den Blick wenden soll: nach oben zu der Personifikation, zu den Tugenden darunter, den Wasserspeiern dazwischen oder doch zuerst die verschnörkelten Elemente die den Zaun drum herum zieren. Schwierig, erst recht wenn man zu keiner Tageszeit es für sich selbst nachgehen kann. Die Gesamtheit macht den Reiz aus, weil man es nicht auf eine von ihnen beschränken kann!
Wie bei etlichen anderen Denkmälern der Stadt gibt es auch an dieser Stelle einen Verweis auf die offizielle Seite, die mit dem QR-Code versehen sind, wenn man weitere Infos haben möchte. Bei schönem Wetter, das wir einst im FfM gehabt hatten, konnte ich mir aber die nötige Zeit nehmen, die fürs fotografieren und gleichzeitiges betrachten nötig gewesen war.
Das Original wurde, wie man lesen kann, im Jahr 1611 errichtet. Die Justizia bekrönt den Brunnen und gibt ihn zugleich den Namen. In ihrer rechten Hand hält sie das Richtschwert und in der anderen die Waage, die sie mit einem Finger in die Höhe hebt. Sie trägt ein antikisierendes Harnisch, das mit vielen Details versehen wurde. Aus der Entfernung ist es nur eine kleine "Kostprobe", wenn man es hinterher via Tele heranholen kann. Bei solchen Denkmälern ist die Distanz ein Grund, warum es dennoch so "Anziehend" wirkt und das galt nicht nur bei mir!
Der Brunnen liegt auf einem Platz, der von vielen Pflanzen umgeben ist. Es ist ein kleiner Nachteil, denn sie verdecken ein wenig die Details, die den Sockel des Denkmals zieren. Wer meine Bewertungen langfristig verfolgt, wird feststellen, dass sich einige Motive drin verbergen, die zu einem "Spezialhobby" gehören - Nike weiß ohne es zu nennen, was ich damit meine ;-)! Es sind die Apotropaion (Köpfe und Ungeheuer, die das Böse abwenden sollen. Man kennt sie auch unter dem gebräuchlicheren Begriffen Neid - oder Grindkopf.), die hier in Form der Wasserspeier zu finden sind! Hinzu kommen einzelne Figuren aber auch stilisierte Münder, die einem ein Lächeln ins Gesicht zaubern.
Die Justizia, um auf sie zurück zu kehren, ist einer Kriegerin zu vergleichen, die festen Schrittes nach vorne schreitet. Ihr Gewand weht im Wind und entblößt ihr nacktes Bein, das in einer Sandale steckt. Die Löwenköpfe weisen ebenfalls in diese Richtung hin. Unter dem Sockel kann man einen lateinischen Spruch lesen, doch auf die Entfernung war es kaum zu entziffern.
Besser sieht es aber mit den Tugenden, die sich unter den Wasserspeiern befinden: es ist erneut die Gerechtigkeit, die Nächstenliebe, der Glaube und was hier (weiß ich nicht warum...) fehlt ist die Darstellung der Hoffnung. Sie alle nehmen Bezug auf ihre Umgebung, die es bei der Neuerrichtung im Jahr MDCCCLXXXVII (1887), wie es zu lesen ist, bereits gegeben hatte. Die einzige Ausnahme ist die Justizia, denn es ist ein Verweis auf das wenige Jahre zuvor entfernte Original, das wegen Baufälligkeit abgerissen werden musste. Geschaffen wurde das ganze von dem Frankfurter Künstler Friedrich Schierholz (1840-1894). Gestiftet hatte es der hiesiger Weinhändler Gustav D. Manskopf (1841–1900), der sich als ein Kunstmäzen einen Namen in Frankfurt erworben hatte.
In den Annalen hieß es aber bereits 1543, dass es bereits an der Stelle einen Brunnen gegeben hatte. Der Vorgänger mit der Justizia stammte aus dem Jahr 1611 und wurde von Anfang an aus Stein errichtet. Nur in der Zeit zwischen 1874 und 1887 war der Platz leer, bis ein "Ersatz" in Auftrag gegeben wurde, sowie erneut aufgestellt worden ist!
Auch, wenn ich keine Angaben zur Darstellung der Hoffnung machen kann, möchte ich auf die erwähnten Verweise zurückkommen: Justizia, so heißt es in dem Spruchband, das übersetzt - "Justitia, auf der Welt der Tugenden erste und größte, teilt mit gerechter Hand jedem das Seinige zu". Soweit die Personifikationen von der Flora verdeckt ist, kann man erkennen, welche es jeweils ist. Natürlich nicht in deutsch, sondern in Latein.
Die (Nächsten)Liebe ist an dem kleinen Kind erkennbar, das sie tröstet, welches an ihrer linken Seite steht. Sie verkörpert die erwähnte Eigenschaft gegenüber dem Platz, auf dem sie steht. Es ist der Römer gemeint, der einer Überlieferung zufolge bereits seit den Zeiten Kaiser Karls des Großen Frankfurts Mitte verkörpert hatte. Für die selbstbewußten Einwohner, die noch bis 1872 Reichsstädter gewesen sind, war es zugleich ein Verweis auf die eigene Geschichte gewesen, die nicht hinterfragt wurde. Vor dem Krieg war es wesentlich präsenter als heute, als es noch sein mittelalterliches Aussehen besessen hatte, was aber unwiederbringlich verloren ging. Das am Rande erwähnt.
Die andere Tugend ist der Glaube. Diese Seite weist zu der von mir ebenfalls beschriebenen alten evangelischen Nikolaikirche. Es ist eine weitere Reminiszenz an die Vergangenheit, denn zum einen war die Mehrheit der Bevölkerung evangelisch gewesen, als auch dass seit 1526 auch diese Kirche es gewesen war. Geschichtlich gesehen aber ist es um einige Jahrhunderte älter! Details kann man an der passenden Stelle entnehmen.
Die Personifikation ist an ihrer Eule, die sie in der Hand trägt, erkennbar. Ihre andere hält sie auf die Brust gedrückt. Alle Figuren tragen wallende Gewänder, die ebenfalls eine antikisierende Erscheinung besitzen.
Eine Tatsache möchte ich zum Schluss nicht vorenthalten: der Adler, der auf dem Schmiedeeisernen Zaun zu sehen ist, der das ganze Denkmal eingrenzt, erinnert an die Zeit als Reichsstadt. Auch, wenn sie vor 145 Jahren ihrer Grundlage enthoben wurde, ist es weiterhin das Wappentier (inkl. Krone auf dem Kopf) Frankfurts! Da schließt sich irgendwie der Kreis, den ich vor Jahren bereits erzählt habe, der aus mir unbekannten Gründen "abhanden" gekommen ist! Es gehört zu unseren Favoriten, die auf keinem Fall kein weißer Fleck bleiben darf! Falls es euch gefallen hatte, dann sieht euch auch die dazu gehörigen Fotos an, denn sie sind ein Bindeglied zu dem ganzen, was hier zu lesen ist! Erneut ein kleiner "Roman" geworden, doch für mich gilt: keine Halben Sachen ;-)! Eure Kulturbeauftragte[verkleinern]