Ein wenig bekanntes Ausflugsziel in Heidelberg, meiner Geburtsstadt, ist die Thingstätte. Dem Namen nach könnte es sich um altgermanische Hinterlassenschaft handeln. Dem ist aber nicht so.
Die Thingstätte auf dem Heiligenberg ist ein Beispiel für die nationalsozialistische Architektur und eine nach dem Vorbild antiker griechischer Theater errichtete Freilichtbühne. Sie wurde von 1934/35 vom Reichsarbeitsdienst und Heidelberger Studenten in nur 12 Monaten Bauzeit im Halbrund errichtet und... weiterlesen
ist eine der insgesamt 60 fertiggestellten Versammlungsplätze der NSDAP. Die Nazis planten über 400 ähnliche Stätten.
Der Heiligenberg befindet sich gegenüber der Altstadt, wir sagen „iwwa´m Negger“ (über dem Neckar) oberhalb der Stadtteile Neuenheim / Handschusheim. Man kann auch über Handschusheim mit dem Auto eine einfache Straße benutzen, muss dann am Ende, hier befindet sich ein Parkplatz, noch ca. 1 km laufen.
Wenn man die Anlage über die Bühne betritt, zählt man beeindruckende 56 Zuschauerreihen, die 25 Meter schräg ansteigen. Bei der Eröffnung am 22. Juni 1935 von Propagandaminister Joseph Goebbels der dabei die Thingstätte als Stätte des „steingewordenen Nationalsozialismus“ rühmte, kamen 20.000 Menschen, eine Zahl, die bei späteren Veranstaltungen nie mehr erreicht wurde.
Die Thingstätte soll auf einem angeblichen germanischen Kultplatz errichtet worden sein, womit sie als Bestandteil der nationalsozialistischen Blut und Boden-Mystik ausgegeben wurde. Dies wurde aber nie bewiesen. Die Bühne sollte vor allem für Propagandaveranstaltungen genutzt werden.
Allerdings verloren die Nationalsozialisten bald das Interesse an der Anlage denn das Volksempfängerradio war geboren und wurde wie die aktuelle Kino-Wochenschau für die Propaganda genutzt. So konnte man mehr Menschen erreichen. Während des Zweiten Weltkriegs war die Thingstätte weitgehend ungenutzt und danach ließ man sie aus Gründen der braunen Vergangenheit weitestgehend verfallen.
Inzwischen steht sie unter Denkmalschutz, wird einigermaßen gepflegt und seit 1987 im Sommer für Open-Air-Konzerte Opernaufführungen wie Aida oder unvergessene Konzerte beispielsweise von Udo Jürgens oder Montserrat Caballé genutzt. Auch André Rieu war mit seinem kompletten Ensemble zu einem Konzert hier. Allerdings wird die Thingstätte recht selten für solche Großveranstaltungen gebucht, da die Örtlichkeit aufgrund des abgelegenen Geländes, sowie fehlende sanitäre Anlagen und sehr schwierige Zufahrt nicht einfach zu bewirtschaften ist.
Heute verfügt die Thingstätte über 8.000 Sitz- und 5.000 Stehplätze.
Die einzige regelmäßige Veranstaltung findet jedes Jahr, ohne große Ankündigung, in der Walpurgisnacht zum 1.Mai, friedliche Feiern statt, wo sich tausende Jugendliche treffen. Allerdings für die Stadtverwaltung mit einem enormen Kostenaufwand verbunden, die in den Tagen danach riesige Müllmengen einsammeln und entsorgen muss.
Es ist aber auch schön dort einfach nur zu sitzen und die Ruhe zu genießen und sich irgendeine schöne musikalische Veranstaltung vorzustellen.
Wir dürfen heute dankbar sein, dass das Regime, die Bauherrschaft dieses Objektes, nach 12 Jahren zu Ende war aber uns ein beeindruckendes Relikt hinterlassen hat.[verkleinern]