Der unbestreitbare Vorteil edler Wässerchen (russ.: Wodka) besteht darin, dass man anderntags keinerlei Symptome im Schädel vorfindet. Solange man sich an die im hiesigen Barausschank verwendeten 2 cl Kleingebinde hält. Selbstverständlich soll hier keineswegs den originalrussischen Saufgewohnheiten das Wort geredet werden.
Zuversichtlich nähert man sich also der verblüffenden Auswahl russischer und außer-russischer Wässerchen und degustiert natürlich auch wechselseitig. Der französische... weiterlesen
Alpha Noble weiß neben Starka und Kauffman sehr zu überzeugen, während wir von den diversen Absoluts seit längerem die Finger lassen. Grasovka aus Polen: etwas süßlich, vielleicht wegen des bekannterweise in der Flasche deponierten Büffelgrases. Mein Genosse vertestet sodann den schauerlichen Rabarberowka. Da helfen auch die anschließenden Wortspiele (Barbarenbarbier in Bierbar von Rhabarberbarbara....) nix: der himbeerhaltige Malinowka liegt deutlich vorne und die Runde geht klar an mich. Als Entdeckung des Abends darf diesmal der polnische Belvedere gelten - die Varianten 'silber' und 'schwarz' unterscheiden sich optisch nicht im geringsten. Der Eine kommt aber aus der schwarzen Flasche, werden wir belehrt - und schmeckt auch etwas milder. Damit der Mundschenk nicht so häufig einschenken muss, auch mal eine Runde wodkahaltiger Cocktails.... Danach dann doch lieber wieder zurück zur eigentlichen Mission: der vorzügliche russische Beluga bildet den Abschluss dieser Versuchsanordnung.
Der Blick schweift zwischendurch versonnen über die etwas rotsamtig gehaltene - ähem - an der 'russischen Belle Epoque' und der 'Frühen Sowjetischen Avantgarde' orientierten Dekoration. Am Durchgang zum Restaurant grüßt der lebensgroße und gutgekleidete Genosse Wladimir Iljitsch Uljanov. Das Ganze macht inzwischen einen ziemlich angestaubten Eindruck, gehört aber nach drei bis vier Wässerchen zum speziellen Charme des Etablissements. Die Toiletten befinden sich treppab und sind somit nicht barrierefrei, dafür aber annehmbar gepflegt.
Die solide Kochkunst des Hotelux bezieht sich vorwiegend auf jene Ländereien, die früher mal als Sowjetunion zusammengefasst waren. Pelmeni (gefüllte Teigtaschen) Blinis (dünne Eierkuchen, belegt oder mit Füllung zusammengerollt) und natürlich der überaus nahrhafte Eintopf Borschtsch. Desweiteren Salate, Suppen, südkirgisische Nudeln... Die Lammhaxe 'Funktionär' ist laut Hausprotokoll als Belohnung für eine nachzuweisende 'Plan-Übererfüllung' vorgesehen.
Die gefüllte Gans, die Ente und das Spanferkel richten sich an Kleingruppen und sind zeitgerecht vorzubestellen - ebenso natürlich die diversen angebotenen Buffets. Vor einiger Zeit gab es mal in größerer Gruppe das 'fliegende Buffet Yuri Gagarin' - welches am Tische serviert wird, so dass sich die tafelnde Arbeiterschaft nicht eigens erheben muss. Anschließend taktischer Rückzug in den treppab gelegenen Proletarier Klub (für angeblich bis zu 80 Proletarier, eine sehr optimistische Schätzung) mit eigener Bar und überaus erfreulicher Getränkeauswahl.
Nun war ich ja schon einige Male in bewährter Begleitung an der Bar zugegen. Und weil wir uns dabei stets als tüchtige und zuverlässige Trinker bewährt haben, wurden wir zuletzt mit zwei Zitrovka aufs Kombinat verabschiedet. Spasibo, tovarischtschy.
Ein durchaus besonderes Erlebnis, ohne weiteres für den Coellnischen Deputiertenkongress oder sonstige güldene Gelegenheiten zu empfehlen.
mit freundlichen Grüßen, Sir Thomas[verkleinern]