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Eigentlich kennt ihn ja jeder, zumindest vom Sehen, denn unauffällig ist seine Erscheinung nicht: Den ‚Kemmekehrerr‘, wie der Schornsteinfeger im Volksmund meiner Heimat Allgäu genannt wird, denn seine Pflicht als halbamtlicher Brandschutzbeauftrager der Regierung treibt ihn auf die Straße und von dort mindestens einmal jährlich in jedes Haus. Dreimal, wenn in diesem Haus eine Feuerstelle mit Abgasentwicklung betrieben wird.
Eigentlich braucht ein Vertreter dieser Berufsgruppe keine Werbung,... weiterlesen seine Innung hat das Land fest im Griff, in Bezirke unterteilt und jeden davon einem ihrer Meister als Tätigkeitsfeld und Einkommensquelle zugewiesen. Demzufolge ist also eine Mitgliedschaft in dieser Organisation unabdingbar. Was sich hier liest wie eine Zwangsjacke hat auch unbestreitbare Vorteile, im Handwerk mit seinen historisch gewachsenen Zünften und Innungen betreibt sich eine Firma erheblich gemütlicher und stressfreier als in unter den ‚Fittichen‘ der IHK. Der Mann um den es hier geht macht zum Beispiel keine Werbung für seinen Kleinbetrieb, mal abgesehen von der Beschriftung seiner Kangoo-Flotte, die rein informativ gehalten ist.
Einen der Vorteile der Mitgliedschaft in er Schornsteinfeger-Innung Tübingen weiß ich an dieser Stelle zu nutzen, indem ich ihn per Konterfei vorstelle. Wer die Homepage im Kopf dieser Bewertung aufruft kriegt ‚meinen‘ Schornsteinfeger höchstpersönlich zu Gesicht, allerdings in Räuberzivil, ein Anblick, der mir real noch nie vergönnt war. Der Kulturstrick ist eindeutig zuviel und die wirre Mähne, hier eine Kurzversion, ist in der Regel unter einer sehr eng sitzenden Arbeitskappe ähnlich der eines Bäckers, allerdings in diesem Fall in Schwarz, mehr oder weniger verborgen. Meistens weniger :-) Selbstverständlich ist auch ein Zylinderhut Bestandteil seiner Traditionskleidung, doch auf den verzichtet er dankend, weil er ja nicht mit dem Fahrrad unterwegs ist wie das Symbol seines Berufsstandes, sondern mit dem Auto.
Warum eigentlich diese Bewertung? Ganz einfach: Dem Mann, den ich seit nunmehr 14 Jahren kenne, weil er 3 x jährlich meine Esse putzen muss, will ich ein kleines Denkmal aufstellen, für seine unbezweifelbare Kompetenz in Sachen Brandschutz, die ihn bereits mehr als einmal befähigt hat, im Zweifelsfall auch mal eine lokalitätsbezogene Entscheidung zu treffen, selbst wenn sie NICHT den Vorschriften entspricht. Eben ein HandwerksMEISTER, dem die Fähigkeit zu denken eben nicht ausgetrieben wird wie einem Abteilungsleiter in der Industrie.
Jetzt kommt die übliche Anekdote aus meiner Hand und zunächst etwas für Leute mit visueller Phantasie: Herr Willburger ist sich seines unbezahlten aber nicht ungeliebten Nebenberufes als ‚Glücksbringer‘ durchaus bewusst. Man projiziere in DIESES Gesicht ein diabolisches Grinsen, dann hat man den Mann, der alljährlich in der ersten Januarwoche vor der Tür steht und genau weiß, dass er hochwillkommen ist weil wir alle ja üüüüüüüüüüberhaupt nicht abergläubisch sind. Natürlich wurde er gleich beim ersten Mal ausgiebig inquiriert, wie ausgerechnet WIR zu dieser Ehre kommen: In dieser Woche haben seine Gesellen durch die Bank Urlaub, da klappert er höchstpersönlich einen handverlesenen Kundenkreis ab und zwar genau diejenigen, die sich IMMER freuen, wenn der schwarze Mann vor der Tür steht oder aufs Dach steigt.
Auch wenn auch wir auf der Countyside im Wilden Süden unserer Republik durchaus moderne und aufgeklärte Menschen sind, in jedem von uns schlummert ein winziger Rest mittelalterlichen Aberglaubens wie ein Drachen, der zum Beispiel in der Fastnachtszeit fröhliche Urständ feiert, aber auch sonst zu gewissen Gelegenheiten sichernd sein Haupt von den gekreuzten Pfoten hebt. Und eine davon, die regelmäßig wiederkehrt, ist der Besuch des Schornsteinfegers, in unserem Fall des Meisters höchstpersönlich.
Er firmiert unter dem Logo der Innung Tübingen und dem Monster an Berufsbezeichnung ‚Bezirksschornsteinfegerrmeister‘. Ich habe ihn mal gefragt, ob es ihm auch so geht wie unserer bedauernswerten Bundesjustizministerin mit ihrem Doppelnamen und dem permanenten Krampf im rechten Handgelenk, aber er verneinte. Dafür bezahle er seinen Drucker, der Name sei schon lange genug.
Anfangs war ich erstaunt, wie gut er sich in unserem etwas verwinkelt konstruierten Haus auskennt und wie geschickt er die Bühnenklappe mit etwas kompliziert zu bedienender Stiege zu bedienen weiß aber er meinte, er kenne das Haus schon seit er den Bezirk übernommen hat und unser Zugang zu den bekannten Türchen am Schornstein sei mit einer der einfachsten, nicht zuletzt, weil wir seinen Arbeitsplatz immer von Gerümpel freihielten. Das müssen wir aber, denn wenn wir etwas NIE wissen, dann sind es Rhythmus und Zeitpunkt seines Auftauchens. So etwas wie Arbeitseinteilung und –schema lässt er gar nicht erst zu. Wenn die Sonne scheint fährt er zu den Kunden, bei denen er via Dachleiter an seinen Arbeitsplatz gelangt, wenn es ‚Krotta haglat‘ sind solche Kunden wie wir dran, wo er unter Dach seiner Reinigungstätigkeit nachgehen kann. Ansonsten habe er eine Liste, was ein schrecklich verschmiertes und zerlesenes Karoheftchen in Gesäßtaschengröße ist.
Hierzu gibt es einen originellen Kontrast, nämlich die Abrechnung: Die erfolgt vor Ort auf einer Art elektronischem Notizbuch im Portemannaieformat, in dem alle Kunden alphabetisch aufgelistet sind und wo ein Häkchen gemacht wird, ob schon bar bezahlt ist oder ob noch eine papierlose Rechnung mit Forderung umweltfreundlich via ues.de erstellt werden muss. Über diesen Vermittler kommt dann eine E-Mail mit einem Link herein, der dann die Originalrechnung öffnet und als .pdf zum Herunterladen zur Verfügung stellt.[verkleinern]
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