Überarbeitet am 13.3.2024
Wer Schloss Gusow in Gusow (Gemeinde Gusow-Platkow im brandenburgischen Landkreis Märkisch-Oderland / ca. 50 km östlich von Berlin) kurz nach der Wende gesehen hat, hätte damals kaum glauben wollen, dass das baufällige Gemäuer noch eine Zukunft hat. Jahrzehntelang wurde in der DDR das Schloss (wie viele andere Herrenhäuser) auf „Verschleiß gefahren“ und nichts für die Erhaltung getan.
Dem neuen Privateigentümer, einem Berliner Architekten, ist es jedoch gelungen,... weiterlesen das Schloss innen und außen nach und nach zu sanieren und zu renovieren. Allerdings sind die Arbeiten längst noch nicht abgeschlossen.
Als Wasserschloss angelegt, ist das Schloss bis heute von einem Wassergraben umgeben.
Das heutige Schloss im neogotischen englischen Tudorstil stammt aus dem 19. Jahrhundert. Die Ursprünge von Schloss Gusow reichen jedoch bis ins 14. Jahrhundert. 1336 wird ein „Festes Haus“ erwähnt. Gusow als Ort wurde erstmals 1353 in einer Urkunde des brandenburgischen Markgrafen Ludwig II. (der Jüngere / Haus Wittelsbach / 1328 – Ende 1364 bzw. Anfang 1365 / seit 1351 Markgraf) erwähnt. Mehrfach wechselten die Besitzer bevor 1448 Haus und Gut in den Besitz der Familie v. Schapelow kamen. Das Feste Haus wurde in den Folgejahren zu einem Gutshaus umgebaut. Im Dreißigjährigen Krieg verfielen Dorf und Gutshaus.
1651 erwarb der aus Oberösterreich stammende Oberst in schwedischen Diensten, Georg Derfflinger (1606-1695) die Güter Gusow und Platkow von der Familie seiner Ehefrau Margaretha Tugendreich v. Schapelow und ließ anstelle des Gutshauses ein Herrenhaus errichten. Derfflinger, seit 1654 in kurbrandenburgischen Dienstes, 1670 zum brandenburgischen Generalfeldmarschall ernannt und 1674 von Kaiser Leopold I. (Haus Habsburh / 1640-1705 / seit 1658 römisch-deutscher Kaiser) in den Reichsfreiherrenstand erhoben, lebte bis zu seinem Tod in Gusow und wurde in der Gruft der Dorfkirche beigesetzt.
Da sein Sohn Friedrich (1663-1724) kinderlos verstarb, kaufte Heinrich Karl von der Marwitz (1680-1744) die Dörfer Platkow und Gusow samt Schloss aus der Erbmasse. Nach seinem Tod fiel 1745 der Besitz an seine mit Graf Otto Christoph v. Podewils (1719-1781) verheiratete Tochter Sophie Amalie (1718-1784). Beide ließen das Herrenhaus in ein barockes Schloss mit Park umbauen und statteten es mit bedeutenden Kunstwerken aus (z.B. Gemälde von Pesne, Rembrandt, Cranach) und erweiterten die Bibliothek. Nach 1781 gestaltete ihr Sohn Graf Friedrich Heinrich v. Podewils (1746-1804) den Park in einen Garten im englischen Stil um. Nach seinem Tod kamen Schloss und Herrschaft durch Erbschaft in den Besitz der sächsischen Familien v. Schönburg-Waldburg und v. Schönburg-Hinterglauchau. Die v. Schönburg’s nutzten Gusow nicht mehr als Wohn-, sondern als Sommer- bzw. Witwensitz.
Um 1830 ließ man das barocke Schloss im klassizistischen Stil umbauen. Ein letzter Umbau erfolgte 1870 bis 1873, wo das Schloss sein heutiges Aussehen als dreiflügelige, zweigeschossige Anlage im englischen Tudorstil erhielt. Nach dem Tod Richard Clemens v. Schönburg-Hinterglauchau (1829-1900 / letzter Graf aus dem Haus Schönburg-Hinterglauchau), lebte seine Witwe sporadisch in Gusow. Für den Erhalt von Schloss und Park fehlten jedoch die Mittel.
Nach dem Tod der Gräfin 1943 richtete der damalige Kreis Lebus im Schloss ein „Kriegsaltersheim“ für alte und kranke Menschen aus den vom Bombenkrieg betroffenen Städten ein, das mit dem Näherrücken der Front evakuiert wurde. Das Schloss wurde als Lebensmittellager und während der „Berliner Operation“ der Roten Armee Anfang 1945 von der Wehrmacht als Gefechtsstand der 25. Panzergrenadierdivision und dem Fallschirmjägerregiment 27 genutzt. Anschließend nahm der Stab des 26. Gardeschützenkorps der Roten Armee unter Generaloberst Nikolai Bersarin (1904-1945 tödlich verunglückt) für einige Tage hier Quartier, bevor die Rote Armee das Schloss als Lazarett nutzte.
Im Zuge der Bodenreform in der Sowjetischen Besatzungszone wurde die Familie v. Schönburg-Glauchau enteignet. Schloss und Park wurden 1948 der Gemeinde Gusow zur eigenen Nutzung übergeben. In den folgenden Jahrzehnten wurde das Schloss als Getreidelager, Geflügelrupfbetrieb, Schule, Kindergarten und Sitz der Dorfverwaltung genutzt. Im Park wurde ua. ein Sportplatz angelegt (inzwischen aufgegeben und renaturiert). Für den Erhalt wurde aus Geld- und Materialmangel und vielleicht auch aus Desinteresse kaum etwas getan.
Nach der Wende räumte die Gemeinde das Schloss. Es kam zu weiterem Verfall. Schließlich verkaufte die Gemeinde das leerstehende Schloss 1992 für drei Millionen DM an einen Berliner Architekten, der, wie oben beschrieben, zunächst mit Bausicherungsmaßnahmen begann und das Schloss für die Öffentlichkeit nutzbar machte. Durch dieses private Engagement, das übrigens ohne öffentliche Fördermittel auskommen musste, bleibt Schloss Gusow auch weiteren Generationen erhalten.
Zunächst erfolgte durch den neuen Eigentümer eine Nutzung des Schlosses als Pension, Restaurant, Museum der Brandenburg-preußischen Geschichte und Zinnfigurenmuseum sowie als Zweigstelle des örtlichen Standesamts für Trauungen.
Stand 03.2024 scheint diese Nutzung der Vergangenheit anzugehören. Laut einem Interneteintrag ist das Schloss im Privatbesitz und für Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich.
Zum Schloss gehört der Schlosspark, der ursprünglich wohl wesentlich größer war als heute. Von der einstigen barocken Pracht oder dem Park im englischen Stil ist heute nichts mehr zu sehen. Es ist mehr lichter Wald als Park, am besten vielleicht mit Biotop zu beschreiben. Mit Mühe kann man die einstige Sichtachse vom Schloss durch den Park erahnen. Die ehemalige Orangerie liegt heute außerhalb des Schlossgeländes und verfällt. Die Wasserläufe im Park sind verwildert, zugewachsen und teilweise verlandet. Von der im 18. Jahrhundert angelegten künstlichen Liebesgrotte sind nur noch Mauerreste erhalten, das Denkmal für den 1900 verstorbenen letzten Grafen v. Schönburg-Hinterglauchau ist verschwunden. Durch Zufall habe ich in der Wildnis den „Derfflinger-Stein“, gefunden, den die Witwe des Grafen, Gräfin Frieda, 1906 zum Andenken an Generalfeldmarschall v. Derfflinger aufstellen ließ und der 2006 restauriert und neu aufgestellt wurde. Mit etwas Glück findet man die teilweise beschilderten Naturdenkmale des Parks wie z.B. die Gemeine Platane, eine Sumpfdotterblumenwiese, einen Roten Hartriegel, die Goldene Trauerweide ….
Wer den Spaziergang durch den Park wagen will, ist gut beraten, festes Schuhwerk zu tragen und die Wege nicht zu verlassen, da Teile des Parks einen ziemlich morastigen Eindruck machen und man durch den dichten Bewuchs nicht immer genau sieht, wohin man tritt. Und durch das viele Wasser gibt es im Sommer vermutlich auch reichlich Mücken …[verkleinern]