Ach was ist das Leben schön, lass ich mich mal richtig gehn.
Am Wochenende habe ich frei und kann in aller Ruhe meine Süddeutsche Zeitung lesen. Eigentlich sind es ja Süddeutsche Zeitungen (!), weil ich während der Woche einfach keine Zeit und Muße habe.
Aber am Wochenende......
Ich liebe meine SZ wie ein weichgekochtes Ei, von den Hennen unserer Nachbarin.
Die Süddeutsche Zeitung ist nicht Main Stream, sondern immer noch kritisch, was ja besonders in Bayern allein schon eine... weiterlesen
Auszeichnung darstellt. Das kann man ja von der Springer-Presse, Grunder & Jahr und wie sonst noch die gleich-gebürsteten Verlage heißen, nicht behaupten. Hier wird die Regierungstonlage wiedergegeben und nicht mal leise Kritik geübt.
Die SZ, der Fels in der Brandung der Berichterstattung. Gleichzusetzen mit NDR und WDR, wenn es um Aufdeckung von Skandalen geht. Interessant und mit einem Mehrwert wie Fakt, Panorama, Monitor.
Besonders interessant finde ich die Todesanzeigend. das hat was und wenn es auch nur morbide ist. Am liebsten alter Adel. Wer da so alles miteinander verheiratet und verschwägert ist, ist manchmal nicht zu fassen.
Die Rubrik Leserbriefe finde ich auch sehr hübsch. Schon immer habe ich mich gefragt, warum die eine Zeitung abdruckt und warum jemand einen Leserbrief schreibt, obwohl, habe ich auch schon mal bei der SZ getan, weil mich etwa total genervt hat. Was politisches , was sonst.
L’etat c’est moi
Sonntags habe ich immer frei und kann ausschlafen. Kann mich bar jeglicher Pflichten gehen lassen, oder auch nicht.
Ich kann ausschlafen, außer die innere Uhr die immer auf 5:45 Uhr gestellt ist, klingelt leise in meinem Ohr, oder die Hühner wollen rausgelassen werden, oder eine der beiden Katzen möchte ein Leckerli, oder meine Frau muss mir dringend etwas Wichtiges sagen, oder unsere kleine Tochter kommt mit Eisbeinen ins Bett und will kuscheln.
Während der Woche lässt sie sich kaum wecken, weil sie so müde ist, aber am Wochenende steht sie gerne freiwillig auf. Sie nimmt immer meine Bettseite zum Einstieg, weil die erstens näher liegt und meine Frau selbst häufig unter Eisbeinen leidet und für selbige, an anderen Menschen, selbst wenn sie ihr eigen Fleisch und Blut sind, keine Sympathie entwickeln kann. Töchter stehen Vätern ja auch grundsätzlich näher.
Aber theoretisch kann ich sonntags immer ausschlafen, außer meine Frau hätte gern frische Semmeln und die Kinder Brezenzopf. Dann stehe ich eben auf, mache mich für den Tag fertig, schnappe mein Fahrrad und mich auf zu unserem Bäcker, um mich dort in die lange Schlange anderer wartender Ehemänner und Väter von kleinen Kindern einzureihen. – Wehe ich bringe Brezenstangen statt Brezenzopf. Ist zwar der gleiche Teig, gibt aber zu Hause Ärger.
Also, normalerweise habe ich also am Sonntag nichts zu tun, außer ich decke freiwillig den Frühstückstisch (sollen eigentlich am Wochenende die Kinder machen, aber meistens habe ich keine Lust mein kaltes Frühstücksei um Mitternacht aufzuschlagen. Mit Schimpfen den Sonntag zu beginnen ist auch blöd. Konsequente Erziehung sieht anders aus, aber der Urchrist in mir schaltet eben immer auf Vergebung und Nachsicht. Wenn ich ein paar Freunde mehr auf Facebook hätte (also mehr als 20), hätte ich eine reelle Chance auf den Friedensnobelpreis.
Wenn ich fertig bin mit dem Richten des Frühstückstisches räume ich die Geschirrspülmaschine aus. Sollen zwar auch die Kinder machen. Die Große den oberen Teil, die Kleine den unteren Teil, das gefährliche Besteck ich. Die Kinder hassen Besteck ausräumen. Eigentlich hassen sie auch Spülmaschine ausräumen und noch eigentlicher helfen sie überhaupt nicht gern im Haushalt. Dann räume ich eben die ganze Spülmaschine aus, insbesondere, wenn meine Honigsemmel noch die Sonne sehen soll.
Aber normalerweise muss ich am Sonntag wirklich nichts machen. Wenn ich nichts mache, lese ich am liebsten die Süddeutsche Zeitung. Am Frühstückstisch darf ich das nicht, um den Kindern kein schlechtes Beispiel vorzuführen. Wir unterhalten uns lieber gepflegt. Frage an die kleine Tochter: „Wie war’s in der Schule? Hast Du noch Hausaufgaben zu machen?“ – „Papa, das geht Dich nichts an. Das ist meine Sache!“. - Frage an die große Tochter: „Wann bist Du gestern nach Hause gekommen?“ - Antwort: Augen rollen und ein lang gezogenes, vorwurfsvolles „Papaaaa!!!“ plus ein Tritt gegen mein Schienbein von meiner Frau.
Manchmal lese ich schon vor dem Frühstück, nach dem ich beim Bäcker war, die Zeitung. Dann höre ich prompt aus der Wohnküche eine meiner Töchter, die ihre Mutter befragt: “Warum hilft der Papa eigentlich nie beim Tisch decken?“ oder, wenn ich nach dem Frühstück Zeitung lese: „Warum hilft der Papa eigentlich nie beim Tisch abräumen, sondern liest immer nur Zeitung?“
Meistens lese ich die Süddeutsche dann am Nachmittag. Zuerst lese ich den Wirtschaftsteil, ist fast noch ein bisschen arbeiten. Dann die Seite eins und hier insbesondere das Streiflicht.
Manchmal lese ich auch ältere und alte Ausgaben, da die Süddeutsche eigentlich immer aktuell ist. In einer uralten Ausgabe las ich mit Interesse, dass das Verfahren gegen Josef Ackermann von der Deutschen Bank, gegen eine freiwillige Zahlung von 3,2 Millionen Euro eingestellt wurde. Herr Ackermann hatte freiwillig, zu Lasten der Aktionäre von Mannesmann, 57 Millionen Euro Erfolgsprämie verteilt. Das Geld ging nicht an irgendeinen armen Schlucker, nein, an einen bereits sehr wohlhabenden Esser. Zum Ende des Gerichtsverfahrens mimte er den ‚Churchill‘ und formte das Zeichen für Victory mit dem Zeigefinger und Mittelfinger. – (Mittelfinger alleine wäre unpassend gewesen.) Selbstherrlich und staatstragend. Gesetze und Regeln gelten nur für das Fußvolk. Die Elite kauft sich frei.
Das wollte ich auch. Der Staat bin ich. Wir haben nun auch den Paragrafen 153 a der Strafprozessordnung eingeführt. Bei Verwendung von ausgesuchten und exakt definierten Schimpfwörtern müssen die lieben Kleinen freiwillig 20 Cent in die Schimpfkasse zahlen, die Eltern zahlen – vorbildlich - 50 Cent. Dank sehr guter Erziehung zahlt meine Frau so gut wie gar nichts ein, ich ab und zu.
Die Kronzeugenregelung haben wir sofort wieder abgeschafft, weil sich die Kinder permanent gegenseitig angeschwärzt hatten und sich danach gegenseitig der Lüge bezichtigten. Hier zu richten, wäre für Eltern tödlich gewesen. In diesen Tagen ging es jedenfalls sehr laut bei uns zu. Petzer und Täter zahlten dann jeweils zu gleichen Teilen 10 Cent in die Kasse. Ergebnis: Es wird wesentlich weniger geschimpft. Die Stimmung ist schlecht. Der eingezahlte Betrag wird dann nochmals von mir nach 12 Monaten verdoppelt. So machen das Wohltäter immer. - Am Ende des Jahres werden wir wahrscheinlich in der Lage sein 3,2 Millionen Euro für wohltätige Zwecke zu spenden. Freiwillig natürlich.[verkleinern]
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