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Bewertungen (2 von 17)

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  1. Userbewertung: 3 von 5 Sternen

    1. Bewertung


    bestätigt durch Community

    Schon als Kind hatte mich eine alte Familienbibel aus dem 18. Jahrhundert fasziniert. Sie hat riesige Ausmaße, ist gefühlte 3 Kilo schwer und hat einen Ledereinband. Nicht der Text (ich konnte noch nicht lesen, als ich zum ersten Mal darin blätterte), sondern die vielen gruseligen Abbildungen des Beelzebub und anderer furchterregender, das Böse darstellender Wesen waren es, die eine magische Anziehungskraft auf mich ausübten.

    Als ich die Familienbibel beinahe schon wieder vergessen hatte, mittlerweile aber schreiben und alte Handschriften lesen konnte, warf ich erneut einen Blick hinein und fand auf den ersten (unbedruckten) Seiten handschriftliche Einträge mit einigen Namen und Todesdaten meiner Vorfahren, die im oberen Murgtal lebten. Leider wurde diese kleine Familienchronik nicht weitergeführt, sondern endete bereits nach wenigen Jahren gegen Ende des 18. Jahrhunderts.
    Ich beschloss, mich irgendwann einmal näher mit der Erforschung auch derjenigen Vorfahren zu befassen, die ich nicht persönlich kennengelernt hatte.

    Erste Versuche mit Hilfe eines Ortssippenbuchs endeten aber nach kurzer Zeit an einem toten Punkt, weil es mir nicht gelingen wollte, die Lücken zwischen den aus der Familienbibel bekannten Vorfahren und den Ahnen und Urahnen aus der jüngeren Zeit zu schließen.

    Vor einiger Zeit erinnerte ich mich wieder an meinen gefassten Vorsatz.
    Da mittlerweile das Internet in fast allen Haushalten präsent ist, existieren kommerzielle und nicht-kommerzielle Dienste, die Hilfestellung bei der Erforschung der Familiengeschichte anbieten.

    Ich registrierte mich unter anderem beim deutschen Ableger des amerikanischen Geneaologie-Portals ancestry.com.

    Die Registrierung ist kostenlos. Ebenso das Anlegen von Familienstammbäumen und die Recherche in verschiedenen Datenbanken. Kostenpflichtig wird es allerdings, wenn man zum Beispiel Dokumente mit dem eigenen Stammbaum verknüpft oder andere, mit öffentlichen Stammbäumen verknüpfte Quellen ansehen möchte. Das monatlich kündbare Abonnement für Recherchen in deutschen Quellen kostet aktuell ca. 10 Euro im Monat.

    Für mich hat sich die Recherche über ancestry.de als wahre Fundgrube erwiesen, denn fast alle meiner Vorfahren lebten in einem vergleichsweise kleinen Gebiet, das sich vom Kinzigtal im mittleren Schwarzwald über den Raum Freudenstadt, Baiersbronn und Seewald in den Landkreis Calw hinein erstreckt. Für alle Ortschaften in diesem Gebiet existieren seit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges mehr oder weniger sorgfältig geführte Kirchenbücher der jeweiligen evangelischen Pfarrei. Bei einzelnen Kirchspielen existiert sogar Dokumentation aus dem 16. Jahrhundert. In all diesen Quellen (JPEG-Dateien mikroverfilmter Kirchenbuchseiten) konnte ich über ancestry.de wühlen. Voraussetzung ist allerdings, dass man die alten Handschriften lesen kann.

    So habe ich nun in vergleichsweise kurzer Zeit eine "Sammlung" mit mehreren Tausend blutsverwandter Vorfahren angelegt. Wenn ich einmal mit Ancestry nicht weitergekommen bin, haben mir die zahlreich vorhandenen und in öffentlichen Bibliotheken präsenten Ortssippenbücher weitergeholfen, in denen fleißige Ahnenforscher Geburts-, Heirats- und Todesdaten sowie Verwandschaftsverhältnisse gut strukturiert aufgelistet haben.

    So mancher Leser wird nun den Kopf schütteln und sich fragen, was einen halbwegs normalen Menschen antreibt, in der Familienvergangenheit herumzustochern und Personen aufzulisten, die er gar nicht kennt.

    In der Tat sind mir (geschätzte) 99% der Personen meiner Sammlung unbekannt. Trotzdem habe ich es nicht bereut, viel Freizeit und sonstigen Aufwand dafür investiert zu haben. Denn man geht auf eine sehr spannende Zeitreise, in der man zwangsläufig sehr viel Heimatgeschichte lernt und nebenbei erkennt, wie gut es uns heute geht und mit welchen existenziellen Problemen und Nöten die Menschen in den vergangenen Jahrhunderten zu kämpfen hatten (z.B. Pest, Kindsblattern, Kindersterblichkeit, Hungersnöte, Auswanderungswellen und vieles mehr).
    Die Beschäftigung mit meinem ganz persönlichen Familienstammbaum hat jedenfalls mein Interesse an Landes-, Brauchtums- und Kulturgeschichte enorm angefacht.

    Es gibt also noch viel zu tun, wenn der Stammbaum fertig ist :-)

    Ich lernte bei meinen Recherchen viele mir bisher nicht geläufige Berufe kennen. Einige meiner Vorfahren waren beispielsweise Flößer, die gefällte Fichten, zu einem Floß zusammengebunden, auf manchmal im wahrsten Sinne des Wortes halsbrecherische Weise über die Murg und andere Bäche und Flüsse in andere Gegenden transportiert haben, wo das Holz für den Schiffs- oder Häuserbau verwendet wurde.
    Unfreiwillig komisch sind manche Niederschriften der Pfarrer zur "Kirchencensur", bei der Kirchenbußen für ungebührliches und/oder unsittliches Verhalten der Gemeindemitglieder verhängt wurden.
    All das ist in den alten Kirchenbüchern dokumentiert und kann beim "Blättern" in den mikroverfilmten und digitalisierten Quellen aufgespürt werden.
    Anhand eines Eintrags im Totenbuch musste ich schließlich auch erfahren, dass einer meiner Vorfahren wegen Mordes am Galgen endete. Zu meinem Glück ereignete sich dies zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Es ist also genügend Gras über diese Geschichte gewachsen :-)

    Weshab am Ende dieser Lobhudelei nur magere 3 Punkte für Ancestry?
    Punkt 1:
    Nicht jeder, der die Dienste von Ancestry nutzt, wird so viel Glück haben und wie ich einen lückenlosen Familienstammbaum über alle männlichen und weiblichen Vorfahren erstellen können, der mindestens bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts zurückreicht.
    Tests mit Daten meiner Frau, deren Vorfahren aus Ostdeutschland stammen, verliefen ernüchternd. Hier gibt es noch sehr, sehr viele weiße Flecken in den Quellen.

    Punkt 2:
    Sehr viel Luft nach oben besteht auch bei der Qualität der Indexierung von Kirchenbuchdaten. Hier waren entweder der deutschen Sprache nicht mächtige Amerikaner oder elektronische Texterkennungsprogramme am Werk. Ist falsch indexiert, findet die beste Suchmaschine nichts. Mein persönliches, da unfreiwillig komisches "Highlight" bei den Transkriptionsfehlern: aus dem mit alter Pfarrerhandschrift ins Kirchenbuch gepinselten Namen "Plöchlin" wurde bei der Transkription "Alöchlin" :-)
    Versagt die Suchfunktion wegen solcher Fehler, hilft nur die zeitraubende Durchsicht der in Frage kommenden Kirchenbuchseiten.

    Punkt 3:
    10 Euro im Monat ist unter Berücksichtigung aller Mängel ein vergleichsweis hoher Preis für diesen Dienst.

    geschrieben für:

    Ahnenforschung und Wappenkunde in München

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    Kulturbeauftragte Tolle Zusammenfassung! Mich haben auch die Kosten eher "abgeschreckt", als ich eine Aussage eines (leider bereits verstorbenen) Verwandten auf ihren "Wahrheitsgehalt" hin überprüfen wollte. Hab mir schon lange vorgenommen in Dortmund in bestimmten Museen / Archivs nachzuforschen, doch das gestaltete sich recht zäh: zum einen wurden die Sammlungen aufgelöst, als auch das der Zugriff ebenfalls sich als kostenpflichtig erwiesen hatte. Deine Begeisterung kann ich daher sehr gut nachvollziehen! GzgD! bearbeitet
    eknarf49 Eben erst bin ich dazugekommen, Deinen sehr ausführlichen Bericht zu lesen. Er gefällt mir wirklich gut. Einen halbherzigen Versuch der Ahnenforschung habe ich auch mal gestartet. Dir vielen Dank für den tollen Bericht.


  2. Userbewertung: 3 von 5 Sternen

    5. von 7 Bewertungen


    bestätigt durch Community

    Ich bin seit Jahrzehnten ein Fan des Manufactum-Katalogs. Nicht in erster Linie der angebotenen Produkte wegen; die waren und sind auch heute noch zwar gut, aber auch sehr hochpreisig. Nein, mich faszinieren seit jeher die von guten Texterinnen und Textern zu jedem Produkt erzählten Geschichten.
    Da wird zum Beispiel nicht einfach kurz und knapp eine Badewanne aus Kupfer zum Verkauf angeboten. Die Produktbeschreibung klärt den geschätzten Leser darüber auf, dass diese Wannen nach uralter Handwerkstradition nicht mit Hilfe von Maschinen, sondern ausschließlich durch Hammerschläge geübter Menschen in Form gebracht werden.

    Geschichten dieser Art liebe ich. Bei jedem Katalogartikel beginnt in meinem Kopf deshalb ein alter, den Älteren unter uns aus weit entfernten Schulzeiten noch bekannter Schwarzweißfilmprojektor zu rattern, der mystische Szenen an die Leinwand meiner Phantasie wirft: eine aus Pommern vertriebene, feengleiche Jungfrau dengelt nur vom Vollmond beleuchtet im Schweiße ihres Angesichts mit einem von der Urururgroßmuter geerbten und auf der Flucht in der Unterwäsche versteckten Hammer aus einem Stück Kupferblech eine wunderschöne Wärmflasche. Und das mit einer Technik, deren Geheimnis ihr die Mutter auf dem Totenbett mit ihrem letzten Atemzug ins Ohr gehaucht hat. Den beim Dengeln in Strömen fließenden Schweiß fängt meine Kopfkinoprotagonistin mit einem selbstverständlich auch bei Vollmond von Hand gewobenen Leinentuch auf, um aus den getrockneten Salzkristallen teures Fleur de Sel zu gewinnen. Alle Erzeugnisse meiner pommerschen Jungfrau können dann selbstverständlich bei Manufactum für gutes Geld erworben werden.

    Ich gebe zu, dass man bei Manufactum die phantasieanregenden Kataloggeschichten in den letzten Jahren deutlich "entschwülstet" hat. Seit der Übernahme der Anteile durch eine große Versandhausunternehmensgruppe ist der Katalog halt auch nur noch eine Art Otto-Katalog, der auf die Bedürfnisse besserverdienender Nostalgiker, gutmenschelnder Nachhaltigkeitsjünger und sonstiger Romantiker zielt. Seitdem sich nahezu jeder Fabriknudelnaufwärmer "Pastamanufaktur" und fast jeder Obst-, Milch und Sahneeinfrierer "Eismanufaktur" nennt, ist der Manufakturbegriff verwässert und entzaubert.
    Gleichwohl hat der "gute alte" Manufactum-Katalog nach wie vor einen festen Bibliotheksplatz in meiner Toi... - pardon - Stuhlgangmanufaktur. Mein aktueller Katalog-"Favorit" ist ein Küchen-Handquirl, der aus Werkstätten von Angehörigen der Amish People in den USA stammt, die bekanntlich nichts benutzen, was von Verbrennungs- oder Elektromotoren angetrieben wird und die deshalb auch bis heute konsequent mit dem Pferdefuhrwerk zur Gebetsstunde fahren. Der Handquirl kostet stolze 99 Euro, passt aber sicher gut als Deko an die Wand einer hypermodernen, stylischen Küche und kann notfalls auch mal eingesetzt werden, wenn die elektrische Küchenmaschine ihren Geist aufgibt und der Nutzer nicht zu doof zum Bedienen ist.

    Und wegen der schönen Erinnerungen an die Sagen und Mythen um gute und alte Sachen aus vergangenen Zeiten werde ich auch jedes Mal magisch angezogen, wenn mein Weg zufällig an einem Manufactum-Warenhaus vorbeiführt.
    In München liegt das Manufactum-Warenhaus sehr schön und fußgängergünstig in der Innenstadt - neben "dem Dallmayr" und mit Aussicht auf den kleinen Park am Kurt-Eisner-Platz.
    Meistens kaufe ich dort nichts oder nur eine Kleinigkeit, die mir beim Beäugen und Betasten spontan gefällt.
    Beim Personal erlebt man - wie beim Einzelhandel üblich - Licht und Schatten. Von arroganten Snobs, die man besser nichts fragt, weil unwissende Kundschaft ja eher stört, bis hin zu beflissenen, wuseligen, bodenständigen und fast allwissenden Angestellten ist alles vertreten. Ich benötige aber meistens keine Beratung, denn die Artikel sind mir ja aus der Lektüre der Katalogbeschreibungen gut bekannt.

    Brot und Käse habe ich auch das eine oder andere Mal in der Feinkostabteilung eingekauft. Seitdem man mir einmal einen sündhaft teuren Edelschimmelkäse in die Tüte gepackt hat, der seine guten Zeiten seit Wochen hinter sich hatte und nur noch nach Ammoniak oder ähnlichem roch, mache ich aber eher einen Bogen um die Theke, denn ich habe das leider erst zuhause beim Auspacken bemerkt. Und für eine Reklamation war mir der Weg mit dem Pferdefuhrwerk zu lang und zu beschwerlich ;-)

    geschrieben für:

    Kaufhäuser / Einzelhandel in München

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    Sir Thomas Ihr habt versäumt, die handwerkliche Qualität und auch den Wohlduft des Kataloges selbst zu rühmen, lieber bullbier ;-) Ich bin nicht sicher, welcher der trefflich charakterisierten Manufaktum-Zielgruppen ich angehören könnte. Aber die Produktbeschreibungen veranlassten auch mich schon zum Erwerb beispielsweise dieser Steakwerkzeuge aus seit-hochmittelalterlich-französischer Schmiedekunst nebst handgeschnitzten, unverändert wohlduftenden Wacholderhölzernen Griffen. Habt Dank für diesen höchst unterhaltsamen, geistreichen und ohne weiteres Golocal-Nobelpreiswürdigen Lesegenuss.
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    Schroeder Der seeehr schräg gegenüberliegende Gourmettempel heißt:
    Dallmayr - Qualität seit 1700.
    Ein golocal Nutzer Danke Schroeder. Ich hätte schwören können, dass der Dallmayr "Dallmeyer" heißt. Werde es korrigieren. Im "Dallmayr" war ich in meinem Leben nur ein einziges Mal. Als ich reinging, wurde ich im Menschenstrom quasi durchgeschoben und war deshalb gerne wieder an der frischen Luft. bearbeitet
    Calendula Diesen Beitrag habe ich jetzt erst entdeckt ... Gratulation zum verdienten grünen Daumen. bearbeitet