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Wie alle Locations meiner Kindheit und Jugend ein absoluter Favorit, auch wenn dieser Dorfbahnhof an der Bodensee-Gürtelbahn kein großer Wirtschaftsfaktor ist. Oder vielleicht gerade deshalb. :-)
Nun habe ich gleich zu Beginn eine erschreckende Information: Dieser Bahnhof ist zwar nicht unbedingt als verfallende Ruine anzusehen, dazu ist er zu gut erhalten, siehe auch die Bilderserie auf... weiterlesen https://www.google.de/webhp?sourceid=chrome-instant&rlz=1C1AVSA_enDE538&ion=1&ie=UTF-8#q=Bahnhof+Enzisweiler
Die hat den einfachen und schlichten Grund, dass die Bahn noch was mit dem Gebäude vorhat und es halbwegs pflegt, auch wenn es verkehrstechnisch derzeit nur als unbemannte Gelegenheitshaltestelle für den Bodenseegürtel-Obstkistensammler angesehen werden kann.
Allerdings zeigen die aktuellen Bilder auch dem geradezu Intiminsider, dass sich seit dem Antritt meiner letzten Fahrt im Sommer 1968 von hier aus nach Köln nichts, aber auch gar nichts verändert hat. Zu dieser Reise gibt es eine lustige Anekdote in
https://www.golocal.de/forum/freunde-bekannte-gespraeche-geschichten-aus-dem-leben-18t/
Dieser Bahnhof hat für MICH eine sehr bewegte Geschichte und hierzu zunächst ein aktueller Lageplan mit nachfolgenden Korrekturen aus der Sicht von 1965:
https://www.google.de/maps/place/Kirchstra%C3%9Fe+46,+88131+Bodolz/@47.5630402,9.6611859,520m/data=!3m1!1e3!4m2!3m1!1s0x479b0ef32b95ec0d:0x74721d97e926e11c?hl=de
Die 'Stecknadel' hat nach langem Suchen in der 'Kirchstraße 46' ihr Ziel gefunden, diese Straße war damals noch nicht einmal ein trüber Gedanke im Kopf des Bodolzer Bürgermeisters. Es existierte lediglich ein Saumpfad auf Privatgrund, der den Ortsteil Ebnet mit Enzisweiler verband. Das winzige braune Häuschen mit der damaligen Adresse 'Ebnet 103', exakt im SSW der Stecknadel, in dem ich meine Kindheit ab 6 bis zur späten Jugend mit 17 verbracht hatte, war damals das letzte vor einen flachen Wiesenhang, der zum Bichlweihermoos abfiel. Dieses reichte damals im Osten noch bis ganz an die Badstraße und war des öfteren der Veranlasser mancher dezent glühender Hosenboden meinerseits, wenn ich mal wieder schwarzbraun eingesoßt abends vom Grasbüschelhüpfen nach Hause kam
.
Dass es die schiere Angst um das Leben des einzigen Sohnes war, das meinen Vater zu diesen erzieherischen Ausbrüchen hinriss, tropfte mir damals nicht ins Gehirn, ich hatte Spaß an diesem lebensgefährlichen Sport und wusste auch mit einem unbeabsichtigten Einsinken bis zu den Schultern umzugehen. Nur gut, dass er nie mitkriegte, dass ich dort auch in der Sonne eingerollt dösende Kreuzottern streichelte, weil sie so hübsch waren. Sie haben immer stillgehalten :-)
Das Fenster meines Kinderzimmers an der Giebelwand der oberen Etage öffnete sich nach Nordwesten und ich hatte dort damals ungehinderte Sicht auf die Bahnlinie zwischen Bahnhof und dem Wald am Bichlweiher, der heute größtenteils gerodet ist. So kriegte ich, damals noch unbewusst, den Niedergang der von mir so bewunderten Dampflokomotiven und deren Ersatz durch die langweiligen Dieselloks der Baureihe V200 mit. Langweilig, weil es dort nur Mordsgebrüll gab, wenn der Zug losfuhr, aber man konnte nicht erkennen, wie das gemanagt wurde.
Hier ein kleiner ‚Diebstahl‘ aus der ebenfalls von mir verfassten Bewertung
https://www.golocal.de/lindau/verkehrsbetriebe/bahnhof-lindau-hbf-YUnU4/
weil der Text eigentlich HIERHER passt.
In der 4. Klasse Grundschule hielt es der Rektor für angebracht, zumindest den Jungs etwas Wissen über den Komplex ‚Schienenverkehr‘ live nahezubringen und er schleppte uns in den nahen Bahnhof Enzisweiler, wo uns der Vorstand mal ohne Kelle und roter Mütze sehr anschaulich und interessant in die Geheimnisse seiner kleinen Anlage einweihte, die mit einem Minimum an Technik und großem Anspruch an seine Leistungsbereitschaft den reibungslosen Ablauf des Bahnverkehrs in seinem Bereich von Wasserburg bis Aeschach-Hoyren sicherstellte, auch im Gefahrenfall. Hier noch eine kleine Erinnerung an Dampfeisenbahnromantik, die allerdings im Bahnhof Enzisweiler, meinem eigentlichen Heimatbahnhof (siehe Artikel) im Jahr 1968 angesiedelt ist.
Hier ein kleines Beispiel für den Stress, dem der Fahrdienstleiter ausgesetzt war, wenn mal nicht alles so lief, wie es der Fahrplan hergab. Zur Info für die, denen die Geschichte bekannt vorkommt: Es ist eine Kopie meines letzten Kommentars zum Bahnhof Lindau und wenn ich dürfte, würde ich ihn ja löschen, er gehört HIERHER.
Aber ich darf ja nicht, also was solls, ist ja nicht MEINE Festplatte
Ich leistete zu dieser Zeit den Dienst am Vaterland in Landsberg am Lech und durfte nach Urlaubsende von hier nach dort gegen Vorlage des ‚Fahrbefehles‘ meiner Einheit mit der Bahn für umsonst reisen. Der Bahnhofsvorstand in Enzisweiler brach fast in Tränen aus, als ich ihm besagten Fahrbefehl vorwies und er die Strecke zusammenstellte: Er musste nämlich für jede Teilstrecke recht umständlich von Hand einen ‚Beamtenfahrschein‘ ausstellen, also insgesamt 4 Kärtchen DIN A6, gut vollgeschrieben und mit 4 Durchschlägen. Er brauchte dazu gut 10 Minuten und kriegte 2 Fingerkrämpfe wegen des Aufdrückens. Aber dann stand ich auf dem Bahnsteig und wartete auf den Personenzug aus Friedrichshafen. Es war winterlich eisig, aber windstill und es herrschte dichter Nebel, Bahnsteig und Geleise waren mit Reif überzogen.
Plötzlich ging hinter mir eine der beiden großen Schellen der Telefon-Direktleitung, und zwar die aus Richtung Lindau. Nanu? Der Vorstand hob ab und horchte, was es Neues gab. Es schien nichts Gutes zu sein, denn sein Brüller ‚SCHEI…..E‘ war durch das geschlossene Fenster deutlich zu vernehmen. In Lindau war wohl was passiert, also beeilte er sich, das Ausfahrtsignal von Enzisweiler auf HALT zu stellen, desgleichen das Vorsignal (gelber Teller) auf halbem Weg zwischen Wasserburg und Enzisweiler auf ‚Warnung‘. Dann kurbelte er die Bahnschranke der recht belebten Bodolzer Straße herunter und sicherte die Kurbel gegen unautorisierten Zugriff. Nun sammelte er ein paar Pretiosen ein, nämlich die rote Warnflagge und die Knallpatrone, schmiss die nutzlose Mütze auf den Schreibtisch, ach herrjeh, GAU auf dem Provinzbahnhof. „Güterzug aus Friedrichshafen!!!“ schimpfte er, als er an mir vorbeihastete und Richtung Wasserburg im Nebel verschwand. Nochmal ‚ach herrjeh!‘, wenn es dumm läuft und die Weiche nach Lindau Reutin in Aeschach kaputt ist, dann kriegt Lindau Hbf unerwarteten Besuch von einem kilometerlangen Zug ohne Fahrgäste
Falls es jemand nicht kennt: Besagte Knallpatrone ist ein kleiner Sprengsatz, der sich auf einer Schienenklammer unter einer neonroten Stahlplatte befindet. Wenn er von einer Lokomotive überrollt wird und detoniert, dann zittern die 200 Tonnen ein bisschen, aber der Krawall ist kilometerweit und vor allem durch jedes Maschinengeräusch deutlich zu vernehmen. Ein Maschinist, der dieses unverkennbare Signal hört, leitet unverzüglich eine Notbremsung ein und bereitet sich aufs Abspringen vor.
Nebel trägt weit, das weiß jeder, dennoch überraschte mich die Lautstärke der nun ja erwarteten Detonation. Unmittelbar darauf wurde es in Richtung Wasserburg sehr geräuschvoll: 2 große Güterzugloks gaben Volldampf, es puffte sehr schnell, zischte und kreischte, dann tauchte ein feuerspeiender Drache aus dem Nebel auf. Volle Kraft zurück war die Devise für 8 riesige Räderpaare auf reifglatter Schiene, der Einsatz des Sandstrahlers war gefragt. Sechzehn Treibräder zu je 2 Meter Durchmesser lärmten rückwärtsdrehend und funkensprühend an mir vorbei, ich stand ‚Lade bei Fuß‘ direkt daneben und war unentschlossen, ob ich mich jetzt über das Erleben dieses einmaligen Schauspiels freuen durfte oder ob sich in Richtung Lindau eine Katastrophe anbahnte.
Kurz gesagt: Unwillkürlich zählte ich die vorbeifahrenden Waggons, die allmählich an Geschwindigkeit verloren. Die Nummer 83 hielt genau vor mir an, anscheinend noch rechtzeitig, denn es geschah zunächst nichts weiter als dass der Bahnhofsvorstand abgekämpft und durchgeschwitzt aus dem Nebel auftauchte, in sein Kabäuschen ging und den Telefonhörer abnahm. Die Debatte zog sich ein wenig, dann legte er schwungvoll auf, griff nach seiner roten Mütze, pfefferte sie auf den Boden und sprang wütend darauf herum. Eine Viertelstunde später war ich umfassend und en Detail informiert: Er kam nämlich zu mir heraus, da ich im Augenblick der einzige Fahrgast war und empfahl mir, nach Hause zu gehen und das Freiwerden meiner Strecke dort abzuwarten, er würde rechtzeitig anrufen.
Was war geschehen? Ein Laster, beladen mit Granitblöcken, war am Ende der steil abschüssigen Holdereggenstraße in Aeschach durch die geschlossene Schranke gebrochen, hatte diese, ohne sie umständlich abzumontieren, hinüber zu ihrer Zwillingsschwester transportiert und dort etwas derangiert abgeliefert. Das Fahrzeug war dabei umgekippt und jetzt läge alles kreuz und quer genau auf dem Gleis rum, von dem der Güterzug bis dorthin nicht runterkonnte. Die tonnenschweren Natursteine machten wohl große Sorgen, die führende Lok als Räumfahrzeug einzusetzen schien nicht angeraten.
Ich nahm sein Angebot nicht an, das war alles viel zu aufregend hier. Und da wir uns schon viele Jahre kannten gab es genug zu klönen. Der Grund für seinen Zorn war, dass ER zwar nicht die Ursache, aber der Auslöser für die Unterbrechung des reibungslosen Zugverkehrs war und deshalb einen umfassenden Bericht über die Vorgänge, soweit sie den Streckenabschnitt Wasserburg – Aeschach-Hoyren betraf, schreiben musste, damit die Bahndirektion eine Grundlage für die Klage auf Schadenersatz gegen das Bauunternehmen hatte. Dieses lieferte sinnigerweise diese Natursteine zur Verstärkung des Wellenbrechers am Eisenbahndamm.
Nach gut eineinhalb Stunden setzten sich die Waggons fast geräuschlos in Bewegung, ich zählte also weiter und kam auf 107 (x 20 Tonnen + 2 x 200 Tonnen = ?). Eine Viertelstunde später kam mein Obstkisten-Direttissimo, 3 Vorkriegswaggons hinter einer winzigen Verschiebelok (OHNE Tender) aus dem 19. Jahrhundert, und nahm mich mit, obwohl ich KEINE Obstkiste bin.[verkleinern]
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