Manche KZ-Namen haben sich eingebrannt ins Gedächtnis der Menschheit: Auschwitz, Buchenwald, Dachau, Bergen-Belsen ….
Andere sind einfach im Nebel der Geschichte verschwunden. Das „Außenlager Lieberose des Konzentrationslagers Sachsenhausen“ in Jamlitz bei Lieberose (65 km südöstlich von Berlin, 40 km südwestlich von Frankfurt/0) gehört dazu. Die DDR hatte eine Gedenkstätte für das KZ, nicht aber für das sowjetische Lager im nahen Lieberose eingerichtet. Auf dem Gelände des Lagers in Jamlitz... weiterlesen
selbst wurde erst nach der Wiedervereinigung ein Gedenkort eingerichtet.
Fährt oder geht man heute den Kiefernweg, die einstige Lagerstraße, entlang, fällt es schwer sich vorzustellen, dass dort, wo heute Wochenendgrundstücke und Einfamilienhäuser stehen, sich einmal ein Lager für tausende jüdische Arbeitssklaven des NS-Regime und nach dem Krieg für tausende deutsche Gefangene des sowjetischen Geheimdienstes befand.
Das Lager, von der SS verharmlosend „Arbeitslager Lieberose“ genannt, wurde ab 1943 etwa 5 km östlich von Lieberose entfernt im Dorf Jamlitz als Außenlager des KZ Sachsenhausen errichtet. Grund für die Errichtung war die Unterbringung von Arbeitskräften, die zum Bau des benachbarten Truppenübungsplatzes „Kurmark“ der Waffen-SS benötigt wurden.
Für den Bau wurden sogenannte „Arbeitsjuden“ herangezogen, die hier bis zu ihrer „Vernichtung durch Arbeit“ für die SS schuften mußten. Lieberose-Jamlitz war nach Auschwitz das größte KZ für Juden und das größte Arbeitslager für Juden im Reichsgebiet.
Von den bis zu 10.000 jüdischen Häftlingen vor allem aus dem Baltikum und aus Ungarn überlebten keine 400 das Lager. Tausende starben durch die Haft- und Arbeitsbedingungen, um die 4.000 arbeitsunfähige Häftlinge wurden zur Ermordung ins Vernichtungslager Auschwitz transportiert.
Mit dem Vorrücken der Roten Armee räumte die SS Anfang Februar 1945 das Lager und schickte die transportfähigen Häftlinge auf einen der berüchtigten Todesmärsche. Über 1.000 transportunfähige Häftlinge blieben in Jamlitz zurück und wurden vermutlich alle von der SS ermordet. Die Leichen wurden ua. in einem Massengrab in der Kiesgrube von Staakow (wenige km östlich von Jamlitz) verscharrt.
Nicht alle Toten aus Jamlitz sind bisher gefunden. Ein bis heute nicht gefundenes Massengrab mit etwa 700 Toten ist das größte bisher unentdeckte Massengrab mit jüdischen Opfern des NS-Regimes in der BRD.
Die Rote Armee befreite im Februar 1945 praktisch ein fast leeres KZ. Allerdings endete damit die Jamlitzer Lagergeschichte nicht. An zahlreichen Orten in der Sowjetischen Besatzungszone wurden Nazi-Lager von der sowjetischen Militärverwaltung „weitergenutzt“. So auch das Lager Jamlitz, das als „Speziallager Nr.6“ bzw. „Speziallager Jamlitz“ von 1945 bis 1947 vom sowjetischen Geheimdienst NKWD als Internierungslager für deutsche Gefangene genutzt wurde.
Die Zahlen des sowjetischen Speziallagers sind ähnlich erschreckend wie die des deutschen KZ.
In den 2 Jahren seines Bestehens hatte das Lager über 10.000 Insassen, von denen nach sowjetischen Todeslisten mindestens 3.400 an Krankheiten und auf Grund der verheerenden Haftbedingungen starben. Auch sie wurden zum größten Teil in bis heute nicht wiedergefundenen Massengräbern beigesetzt.
Inhaftiert wurden ua. Mitglieder der NSDAP und ihrer Organisationen, willkürlich Denunzierte und Personen, die kritisch dem damaligen stalinistischen System gegenüberstanden. Ein Teil der Häftlinge waren Jugendliche, die der Zugehörigkeit zum „Werwolf“ verdächtigt wurden.
Zu den bekannten Häftlingen gehörten ua. Justus Delbrück (Widerständler gegen Hitler, gestorben am 23.10.1945 im Lager), der Offizier Ulrich v. Sell (Widerständler gegen Hitler, gestorben am 12.11.1945 im Lager), der Journalist Gerhard Joop (Vater des Modedesigner Wolfgang Joop), der Schauspieler Gustav Gründgens, der Industrielle und Erfinder Friedrich Emil Kraus und viele, viele andere …
Im April 1947 löste die sowjetische Administration das Lager auf und verlegte die Häftlinge in andere deutsche Lager (z.B. Buchenwald) oder deportierte sie in Straflager in der UdSSR.
Das Lager wurde danach abgerissen und das Gelände später für Bebauung freigegeben bzw. aufgeforstet.
Erst nach 1990 begann man für das Lager, sowohl für das KZ als auch für das sowjetische Speziallager, eine Gedenkstätte einzurichten. Es ist eine Art Geschichtsweg von der Jamlitzer Hauptstraße tief ins Lagergelände hinein.
Den Beginn der einstigen Lagerstraße (heute Kiefernweg) markiert der alte SS-Lagertorstein von 1944 (siehe golocal-Beschreibung). Da das einstige Lagergelände heute zu beiden Seiten des Kiefernwegs mit Einfamilienhäusern und Wochenendgrundstücken bebaut ist, erinnern Informationstafeln am Straßenrand auf deutsch und englisch an Stationen, Orte und Geschichte des Lagers.
Am Ende des Wegs, am Rand einer Freifläche zwischen Bebauung und Wald, teilt sich der Geschichtsweg in einen östlichen und einen westlichen Arm. Der östliche Teil ist dem sowjetischen Speziallager, der westliche Teil dem deutschen KZ gewidmet. Mehrere mannshohe Glasstelen informieren über die Geschichte der Lager.
Im westlichen Teil sind einige, nicht zugängliche Kellerfragmente zu sehen. Einzige erhaltene bauliche Reste des KZ.
Immer wieder war die Gedenkstätte Opfer rechtsradikaler Anschläge. Mehrfach wurde versucht, die Informationsstelen zu stürzen oder zu zerschlagen.
2017 wurden von Privat weitere Flächen erworben um die Gedenkstätte zu erweitern.
Fazit: Die ständig zugängliche Gedenkstätte ist zwar kein Touristen- aber ein Geschichtshotspot und ein Ort des stillen Gedenkens und des Erinnerns.
Die Würde des Ortes und der Respekt vor den Opfern läßt nichts anderes als 5 Sterne zu.[verkleinern]