Als ich an einem grauen, tristen Herbsttag im Nieselregen vor dem Tor stand, hatte ich schon ein Grummeln in der Magengegend, fühlte sich die Situation doch irgendwie spontan wie diejenige Szene aus der Rocky Horror Picture Show an , als Brad und Jeanett nachts vor einem alten Gemäuer landen.
Empfangen wurde ich dann jedoch glücklicher Weise nicht von Magenta und Rifraf, sondern von freundlichem Personal der Museumslandschaft Hessen Kassel und mehr noch - obwohl ich die einzige Besucherin... weiterlesen
war, fand die stündliche Führung durch das Schloss statt und so kam ich in den Genuss einer exklusiven Führung.
Sehr malerisch und ein wenig verwunschen wirkt die als Teilruine errichtete Löwenburg, die nach Entwürfen des Baumeisters Heinrich Christoph Jussow zwischen 1793 und 1802 im Stil englisch - schottischer Neugotik als fürstliches Liebesnest errichtet wurde.
Kein geringerer als Landgraf Wilhelm IX, der sich nach Erlangung der Kurfürstenwürde Kurfürst Wilhelm der I nannte, hat einst dieses romantisch historisierende Bauwerk in Auftrag gegeben.
Hier traf er sich mit seiner Mätresse Karoline von Schlotheim, aber auch mit anderen Mätressen in den Wohn - und Schlafräumen, die heute noch teilweise über die Originalmöblierung verfügen und zu besichtigen sind.
Unsere Besichtigungsrunde begann jedoch in der Rüstkammer, in welcher sich nicht nur zahlreiche Waffen des 16. und 17. Jahrhunderts befinden, sondern auch die Rüstung des "Schwarzen Ritters". Von dieser geht die düstere Legende aus, dass wer sie berührt, noch im selben Jahr sterben werde. Sie gehörte einst einem Adeligen aus dem Geschlecht derer von Eschwege namens Christian.
Als Kurfürst Wilhelm I. im März 1821 starb war der junge Leutnant auserkoren die Totenwache zu halten und den am 14. März stattfindenden Trauerzug hinauf zur Löwenburg anzuführen. Wenige Tage später starb er an einem fieberhaften Infekt.
Mein Schlossführer machte es recht spannend und kam der Rüstung einige Male beängstigend nahe, als er mir freundlich Interessantes über die in der Rüstkammer ausgestellten Waffen und Rüstungen erzählte. Ich glaube er amüsierte sich heimlich darüber, dass ich die Augen erschrocken aufriss, aber ich ließ ihm seinen Spaß und mir die Spannung.
Die Schlachtrösser mussten ein unglaubliches Gewicht tragen und die Ritter in voller Montur mussten hinauf gehievt werden, so unbeweglich waren sie mit ihrem gepanzerten Äußeren. Selbst Kinder wurden schon in Rüstungen gesteckt.
Anschließend besichtigten wir die Wohnräume. Hier kann man kostbare Wandteppiche und Gemälde, Spieltische , Gläser u. v. mehr bestaunen. Mir imponierte besonders ein alter Sekretär und Intarsienarbeiten an Möbeln. Außerdem lernte ich, woher der Spruch "alles in Butter" kommt. Spiegel zum Beispiel hat man damals in Butter gelagert, um sie mit Pferdefuhrwerken über die holprigen Straßen zu transportieren.
Die Räumlichkeiten müssen einst sehr gemütlich und komfortabel gewesen sein.Viele Einrichtungsgegenstände sind wegen der Restaurierungsarbeiten noch ausgelagert. Bis zum Jahre 2018 soll auch der im 2. Weltkrieg zerstörte Bergfried wieder errichtet sein, da dem Treppenturm, der stehen blieb die Stütze fehlt und dieser sich allmählich zu neigen beginnt.
Überhaupt scheint das aus weichem Tuffstein gebaute Anwesen eine Dauerbaustelle zu schein, um den Preis, dass der schnell verwitternde Stein der "Ritterburg" seit jeher eine Patina gab, als handele es sich um eine mittelalterliche Burg. Die Jahreszahl 1452 über dem Haupttor ist übrigens gemogelt!
Quer über den Schlosshof liefen wir anschließend, um in die Schlosskapelle zu gelangen, in der sich neben zahlreichen Objekten aus mittelalterlichen Kirchen Nordhessens auch die Gruft Wilhelms I befindet. Immerhin hat der Kurfürst seine Löwenburg so sehr geliebt, dass er sich hier in der Krypta bestatten lies.
Wegen der Schimmelsporen in dem alten Gewölbe verzichtete ich jedoch darauf einen Blick hinein zu werfen. Davon abgesehen finde ich es auch nicht gerade Pietätvoll den Sarkophag des Kurfürsten zu begaffen.
Nach ca. 1 Stunde Rundgang mit zahlreichen interessanten Erklärungen, die eher in eine Plauderei ausarteten, gelangten wir wieder in den links neben dem Tor befindlichen Kassenraum, wo die Führung endete.
Durch das Nordtor verließ ich anschließend die Löwenburg und wanderte vorbei am Schlossgarten mit Labyrinth über einen schmalen , mit herbstlich buntem Laub bedeckten Pfad zu Tal in Richtung Schloss Wilhelmshöhe.
Dieses empfehle ich auch als Ausgangspunkt für den Aufstieg zur Löwenburg über die Teufelsschlucht. Von hier aus hat man einen sehr schönen Blick über eine Sichtachse auf Schloss Wilhelmshöhe einerseits und auf die ihre Zinnen in den Himmel emporstreckende Löwenburg andererseits.[verkleinern]