»Update vom 8.2.2022«
Durch viele Nachfragen habe ich endlich mehr über das Werk im Dortmunder U erfahren. Die Skulptur war lange im Magazin des Museums untergebracht, denn 1937 hatte man sie als 'entartete Kunst' beschlagnahmt. Das Museum hatte allerdings nur Fotos nach Berlin geschickt, das Kunstwerk aber wohl gut versteckt. Irgendwie muss es dann auch in Berlin in Vergessenheit geraten sein und blieb uns so erhalten.
1980 wurde eine Kopie der Skulptur in Amiens, einer von Dortmunds... weiterlesen
Partnerstädten, aufgestellt.
»Update vom 2.1.2016«
Bei einem meiner letzten Besuche im Ostwall Museum im Dortmunder U fiel mir dort eine Bronzeversion der Skulptur 'Die Tänzerin Sent M'Ahesa' auf, über die ich zunächst in der Fachliteratur nichts gefunden habe. Der Standort der Figur ist wegen der Lichtverhältnisse nicht gerade ideal. Große Fensterflächen und das Kunstlicht führen zu Lichtreflexen auf der glatten Oberfläche. Das macht Fotografieren recht schwierig.
Die Wirkung der Skulptur ist in dem Innenraum aber sehr viel lebendiger als am Hörder Standort, vielleicht ist auch der niedrigere Sockel, der die künstliche Erhöhung rückgängig macht, dafür ausschlaggebend.
»Die ursprüngliche Bewertung vom 30.3.2015«
Vorgeschichte:
In einem Buch über Plakatkunst fand ich zwei Plakate von Alfred Weisgerber über den Flügeltanz einer Tänzerin. Diese Plakate faszinierten mich, und als ich in den Anmerkungen las, dass es eine Skulptur der dargestellten Tänzerin in Dortmund Hörde gibt, war mein Interesse geweckt.
Von hier nach Hörde zu kommen ist kein Problem, doch schlecht ist es, wenn man nicht in den Stadtplan sieht, sondern sich auf hilfsbereite Mitbürger verlässt. Eigentlich braucht man vom Busbahnhof in Hörde zum Schildplatz nur zwei Minuten zu Fuß. Weil ich aber 'Ortskundige' fragte, wurde ich etwa zwanzig Minuten im Kreis geführt.
Die Skulptur:
Der Schildplatz in Hörde liegt gleich neben der riesigen Fußgängerbrücke über dem Bahnhofsbereich. Eigentlich handelt es sich nur um eine wirklich kleine Grünanlage mitten in einem Wohnbereich. Hohe schattenspendende Bäume und ein paar Sitzgelegenheiten sind vorhanden, und ziemlich unauffällig findet man dort die Skulptur der Tänzerin Sent M'Ahesa, wobei es sich um einen Nachguss (1985) der Originalplastik (1922) handelt, die man in Worpswede zu sehen bekommt.
Auf einem gemauerten Ziegelsteinsockel ist die etwa einen Meter hohe Bronzefigur aufgestellt. Eine zierliche Frauenfigur ist zu sehen, die den Kopf angehoben hat, und deren Arme leicht am Körper anliegen. Es ist nicht einfach zu definieren, ob sie ein durchsichtiges, bodenlanges Kleid trägt oder sich aus einem Steinblock befreit. Auf jeden Fall sind Brüste und Bauch klar zu erkennen, die gespreizten leicht angewinkelten Beine verschwinden in dem Block. Die gesamte Haltung lässt darauf schließen, dass die Dargestellte beginnt, sich nach irgendeiner Musik zu bewegen.
Der Künstler:
Bernhard Hoetger, der auch das ursprüngliche Friedrich-Ebert-Denkmal in Hörde schuf, wurde 1874 im Vorort geboren. Nach einer Ausbildung als Steinmetz und Arbeit in einer Werkstatt für kirchliche Kunst studierte er an der Kunstakademie in Düsseldorf. Danach verschlug es ihn nach Paris, wo er durch Maillol und Rodin beeinflusst wurde, was man an der 'Tänzerin' deutlich erkennen kann. Durch die Bekanntschaft mit Paula Modersohn-Becker wurde er auf Worpswede aufmerksam, wo noch heute ein Hoetger-Garten existiert. Der Künstler starb 1949 in Interlaken. Mehr über sein wirklich interessantes Wirken findet man bei Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Bernhard_Hoetger
Das Modell:
Else von Carlberg wurde 1883 in Riga geboren, ihre Leidenschaft für Tanz entwickelte sie nach dem Abitur (in Berlin), wo sie zunächst ein Philosophie Studium begonnen hatte. Als Ausdruckstänzerin erreichte sie einen recht großen Grad an Berühmtheit. Nicht nur Bernhard Hoetger war von ihr begeistert, sie wurde auch von Max Beckmann poträtiert und war mit Rainer Maria Rilke befreundet. Den Künstlernamen Sent M'Ahesa nahm sie an, weil sie ihn in Anlehnung an ägyptische Vorbilder interessant fand, sie hatte sich viel mit Darstellungen an ägyptischen Bauwerken orientiert und die dort gezeigeten Posen in ihre Tänze eingefügt.
Im ersten Weltkrieg geriet sie kurz in Spionageverdacht. Danach in den 20er Jahren gab sie ihre Tanzkarriere auf, ging erst zurück nach Lettland und von da aus nach Schweden. Sie beschäftigte sich mit Landwirtschaft. Und nun das wirklich Interessante, sie war eine Vorreiterin der Tiertherapie. Auf ihrem Hof nahm sie Patienten auf, die ihr nach einer Behandlung von Psychologen oder Psychiatern geschickt wurden, brachte diese Patienten mit Tieren zusammen, für die sie zu sorgen hatten. und stärkte dadurch das Selbstvertrauen der meist sehr labilen Menschen. Sie starb 1970 in Stockholm.
Nicht nur die Skulptur fand ich faszinierend, noch mehr hat mich das Leben dieser außergewöhnlichen Frau gepackt. Zu ihr gibt es unter beiden Namen, dem wirklichen und dem Fantasienamen im Internet noch viel zu entdecken.[verkleinern]