Jetzt steht sie endlich da, Freiburgs neue Universitätsbibliothek! Meilenstein städtischer Architektur, gestrandetes Raumschiff, Solitär, Fremdkörper im Stadtbild, Blendwerk für Auto- und Radfahrer - schier endlos sind bereits jetzt die Attribute dieses Zweckbaus.
Green City ist ja Großstadt. Oder wär gern eine. Da braucht es repräsentative Bauten. Ein Münster haben wir schon. Eine Kultur- und Tagungsstätte auch. Irgendwann auch mal ein erstligataugliches Stadion.
Jetzt also die UB. Die... weiterlesen
Alte war zwar noch gar nicht so alt - gerade mal dreißig Jahre - aber häßlich. Immerhin fand sie Eingang in die Weltliteratur als Location in John Le Carrés "Die Libelle". Aber zeitgeistgemäß so gar nicht Öko! Das fing schon mit dem unpopulären Atombunker im Keller an, zog sich durch die asbestverseuchten Wände und dann auch noch diese katastrophale Energiebilanz!
Also weg damit!
War aber gar nicht so einfach. Die Keller - mit Tiefgarage, Atomschutz und Bücherarchiv sollten ebenso erhalten werden wie die Treppen- und Aufzugstürme. Also wurden Fassaden, Wände und Decken mit viel Lärm und noch mehr Staub abgeknabbert. Da konnten schon mal ein paar Betonbrocken auf Passanten fallen. Auch optisch sah es im Institutsviertel zeitweise aus wie im Libanon.
Dann erhob sich der Neubau wie Phönix aus der Asche. Schiefe Stahlbetonträger ließen erahnen, dass hier kein Industriebau entstehen würde. Viel Glas und Alu hatten die Architekten versprochen. Weil Alu zu hell geworden wäre (und ja eigentlich gar nicht öko ist...), wurde auf Stahl umgeplant.
Dann ein Aufschrei des Entsetzens! Die Sonne reflektiert doch tatsächlich in Glas- und Stahlplatten und blendet die armen Passanten! Und das in Deutschlands Solarhauptstadt, da hätte nun wirklich kein Planer drauf kommen können...
Jetzt werden Außenjalusien, Sonnensegel und andere Hilfsmittel erwogen - optisch ein Offenbarungseid der Planer. Und wer trägt die Mehrkosten? Der Steuerzahler wohl wieder...
Aber dafür wird die neue Energiebilanz vorzeigbar. Ein Nullenergiehaus soll es werden, trotz der universitären Nutzung durch tausende Studenten. Und das bei Öffnungszeiten rund um die Uhr, das trägt auch den studentischen Lerngewohnheiten Rechnung...
Da spielt es wohl keine Rolle, dass die neu eingerichtete Kommission für Stadtplanung das jetzt als „Bib“ bezeichnete Polygon als größte stadtplanerische Fehlentscheidung bezeichnet... in Green City gehen solche Spagatübungen!
Ergänzung September 2015:
Nun ist sie rechtzeitig zum Wintersemester in Vollbetrieb gegangen, die neue UB. Zu laut zum Lernen, war das erste Fazit. Aufgrund der offenen Raumkonzeption hört man das Geklapper der Cafeteria bis in die Lesebereiche. Aber da wird der grünen Unileitung noch was einfallen - vielleicht Filzbecher statt Steingut...
Die ersten bibliothekseigenen Laptops haben auch schon den Besitzer gewechselt - keiner hats gemerkt - trotz 24/7-Betrieb.
Aktuell ist schon wieder Baustelle, die neue Straßenbahnlinie schiebt sich direkt vor dem Haupteingang zentimeterweise voran. Und im Anschluß plant der große Unibaumeister ein neues Kollegiengebäude gleich nebenan. Aber Studenten sind ja flexibel, wenn es um das Überwinden von Bauzäunen geht, um in den schwarzglänzenden Elfenbeinturm und zu höherer Weisheit zu gelangen.
Ergänzung Januar 2019:
Und nochn Bauzaun! Diesmal rundum die neue „Bib“! So langsam verstehe ich das Gejammer um den erschwerten Zugang zu höherer Bildung.
Die aufgeklebten Stahlverblendungen zwischen den großen Fensterflächen donnern lawinenartig die schiefen Wände herunter, war wohl kein Pattex im Etat.
Der aus Kostengründen gestrichene unterirdische Zugang hätte sich jetzt gelohnt - Stahlgewitter 2019...
Bald rücken Bautrupps mit Akkuschraubern an und verschandschrauben die edlen Flächen erneut. Die „thermischen Belastungen hätte ja auch keiner voraussehen können“ -hust...[verkleinern]