Kurzinfo: Mahn- und Gedenkstätte des Kalten Krieges, ehemaliger Grenzbeobachtungspunkt der US - Amerikanischen Streitkräfte, umfassende Militärausstellung. Streckenpunkt des Premiumwanderweges "Point - Alpha - Weg".
In der ehemaligen Mc Pheeters Barracks in Bad Hersfeld waren bis Anfang der 90iger des vergangenen Jahrhunderts die "Black Horses", eine Kavallerie Einheit der US Armee stationiert.
Die meist sehr jungen, unerfahrenen Soldaten, in deren Vorstellung die Deutschen Lederhosen... weiterlesen tragen und "Bratwurscht" essen, versahen ihren Dienst nicht nur innerhalb der Kaserne, sondern gemeinsam mit den Kameraden der Amerikanischen Kaserne in Fulda an der innerdeutschen Grenze am Grenzbeobachtungspunkt Point Alpha.
"We´ ll go to the border for four weeks ... but I don´t know where ..." hörte man des Öfteren mal.
Noch bevor die Pläne um das Fulda Gap offiziell bekannt wurden, wusste ich bereits, was uns blühen würde, sollte der Kalte Krieg eskalieren und es zu einem Militärschlag im westlichen Machtbereich der auf dem Staatsgebiet der vormaligen DDR stationierten Sowjettruppen kommen : Unsere Osthessische Region wäre nicht gehalten worden, sondern nach der Taktik der verbrannten Erde bestenfalls unbrauchbar, schlimmstenfalls total zerstört von unseren "Beschützern" hinterlassen worden und zwar aus militärtaktischen Gründen.
Dass wir Manövergebiet waren, erkannte man schon an den komischen Kanaldeckeln in den Straßen dort, wo eigentlich keine Kanalisation liegen konnte.Vor allem auf den in Richtung Osten (Thüringen) führenden Straßen hatte es Sprengschächte zu Hauf.
Wir kannten die Schleichwege durch die ausgedehnten Wälder und die entlegensten Täler und Winkel in ihnen. Wer weiß, wofür es im "Ernstfall" gut sein sollte ....
Meine Oma, die während des Ersten Weltkriegs geboren und den Zweiten Weltkrieg hautnah miterlebt hatte, scherzte immer, dass wenn die Russen kommen, sie erst eine weiße Tischdecke und im Anschluss eine rote Tischdecke aus dem Dachfenster hängen würde.
Der Sarkasmus war nicht zu überhören, war ihr Mann und Vater ihres Kindes seit dem Winter 43/ 44 in Stalingrad verschollen.
Irgendwann nach Kriegsende sprach sich durch die Überlebenden Heimkehrer herum, was dort abgegangen war. Die meisten sind vor Kälte und Hunger unter menschenunwürdigen Bedingungen elend verreckt, weil es an Nachschub und warmer Kleidung fehlte.
Die wenigen, die in Kriegsgefangenschaft gerieten und später Heim kehrten hatten regelrecht Glück.
An einen gewissen Adolf aus Braunau, der ihr das harte Kriegerwitwendasein eingebrockt hatte, wollte meine Großmutter nicht erinnert werden ... das war tabu ...
Aber ich schweife all zu sehr ab.
Und so war es Puzzlesteinchen für Puzzlesteinchen, welches sich aneinander reihte und das historische wie aktuelle Weltgeschehen mir in meiner Jugend begreiflich, ja hautnah greifbar machte, denn der Geschichtsunterricht selbst in der gymnasialen Mittelstufe sah dies nicht vor .....
Die Zeit des kalten Krieges war die Zeit in der wir mit der Angst im Hinterkopf lebten, es könnte jeden Tag an der "Zonengrenze" eskalieren. Manchmal war es kurz davor.... die vermeintliche Sicherheit war nur ein Hauch zerbrechlichen Glases ... wie mochte sich dass erst im "umzingelten" Westberlin angefühlt haben ... vor allem, die dort ständig lebten .... ich fand es als Kind einfach nur spannend wie auf einem Abenteuerspielplatz.
Zurück zu den Soldaten, die ihren Dienst im Camp Point Alpha verrichteten und den Geschehnissen dort:
Vollkommen entsetzt und mit dem Kopf schüttelnd erzählten betrunkene GI's , die versuchten, ihre Erlebnisse an der Grenze mit Alkohol in der Disco runterzuspülen, von - wenn auch seltenen - nächtlichen Vorfällen an der Grenze.
Schüsse, Detonationen, mitunter Schreie von verletzten oder sterbenden Tieren, wie verirrten Kühen oder Wild, die Alarm bei den Grenzern auslösten, Geräusche von Fahrzeugen, Schüssen .... dann Totenstille ... und selten waren es auch menschliche Rufe, Schreie .... von Flüchtenden ... die es nicht geschafft hatten .....
Mitunter gelang auch eine Flucht. Es geschah sogar einmal, dass ein Flüchtender als er der Amerikanischen Soldaten, die ihm helfen wollten, angesichtig wurde, auf dem Absatz rumdrehte und wieder Richtung Osten floh ...
Aber merkwürdiger Weise kam es niemals vor, dass jemand versuchte in umgekehrter Richtung die Grenzanlagen zu überwinden.....
Jetzt fragt sich der Leser. Was hat all das nun zu tun mit dem, was es am Point Alpha zu sehen gibt ?
Als an der Grenze aufgewachsen holte mich all das ein, als wir vor Kurzem Point Alpha besuchten.
Nach dem Abzug der US Amerkanischen Armee wurde das kleine Camp mitten im Wald an der obsolet gewordenen Grenze vorübergehend als Unterkunft für Asylsuchende genutzt, aber da kam man in der ländlichen Gegend der Vorrhön schnell überein dass "so was" doch da nicht hinpasse.
So wurde aus dem Camp und seinen Gebäuden eine Mahn - und Gedenkstätte, die eher an eine militärische Schaustätte erinnert, die verherrlicht.
Das Alliiertenmuseumin der Berliner Clay - Allee ist ein Sch ... (entschuldigung ) dagegen, bei dem was hier geballt an Militaria zu sehen ist.
Man waren das tolle Zeiten damals ... hier ein Panzer ... dort ein Jeep ... hast du die Uniformen gesehen .... ja so lebten unsere Beschützer hier bei ihrem Dienst an der Waffe ... da die Stube ... wahre Helden .... nur gut, dass wir ja auf der "richtigen Seite" des Zaunes lebten ...... mancher Besucher bekommt glänzende Augen .... ich möchte mich eigentlich abwenden.
Ich überlege ... gibt es etwas Vergleichbares auf der anderen Seite der hier zwischen Rasdorf und Geisa als Museum erhaltenen Grenzanlagen .... irgendwo dort drüben ... ??? In Thüringen? In Mecklenburg? In Sachsen oder Sachsenanhalt?......
Also ich kenne keine..... ich erinnere nur die relativ unbekannte Gedenkstätte in der Nähe des Reichstagsgebäudes am Tiergarten... oder die leerstehenden, dem Verfall ausgesetzten Kasernen der ehemaligen Kavallerieschule in Potsdam, in deren Inneren man hier und dort in den ehemaligen Komandaturräumen noch Insignien des Dritten Reiches finden kann ... wohlgemerkt zuletzt von den Russischen Besatzern bis zu deren Abzug genutzt .... hatte da mal Fotos gesehen ... ich krame weiter im Hirn ... aber mir fällt nichts ein .... waren also die einen die Guten und die anderen die Schlechten?
So wirklich begeistern kann ich mich nicht ... immerhin es handelt sich um eine Institution des Kalten Krieges .
Wie ferngesteuert lichte ich ab, was ich sehe ... und meine Gefühle schwingen hin und her ...
So wirklich ergreift mich nur das Holzkreuz außerhalb des umzäunten Geländes links vom Eingang. Es besteht aus zwei massiven Birkenstämmen ... gegen Osten gerichtet ... zum Mahnen und Gedenken derer, die an der Deutsch - Deutschen Grenze sterben mussten, weil sie Freiheit suchen. ... und die Alliierten ihren Machtanspruch durch dieses Bollwerk gegen den Imperialismus manifestierten.
Neben dem Kreuz befindet sich eine Tafel mit der Darstellung der Geschichte eines Flüchtlings der schwer verletzt wurde, aber überlebte. In den Medien des Arbeiter - und Bauernstaates wurde propagiert, dass dieser bei einem Fluchtversuch um´s Leben gekommen sei, was nicht stimmte. Nach der Grenzöffnung meldete er sich bei der Gemeinde Rasdorf und berichtete, dass er überlebte. Noch heute leidet er unter den Folgen seiner schweren Verletzungen, die er beim Fluchtversuch erlitt und unter den psychischen Folgen der anschließend erlittenen Inhaftierung für Jahre. .
Auch die Funktionsweise einer am Zaun installierten Selbstschussanlage wird bis ins Detail erklärt . Da ziehen mir persönlich kalte Schauer über den Rücken.
Nun, jeder mag die Deutsch - deutsche Teilung anders empfunden haben , vielleicht auch je nachdem auf welcher Seite des Todesstreifens man lebte, je nachdem wie weit entfernt von den Grenzeinrichtungen, je nachdem welche Weltanschauung und Meinung man von den "Besatzern" hatte, aber das hier ist meine höchstpersönliche Erfahrung und Erinnerung.
Das ist das was ich mit Point Alpha verbinde.
Die Ruhe trügt. Dieses kleine Camp mitten im Wald auf einem Bergrücken in der idyllischen Landschaft der Vorrhön war einst dreh- und Angelpunkt über unser Schicksal.
Ich empfehle gleichwohl den Besuch dieser Mahn- und Gedenkstätte sowie des militärischen Museums - die 7 € pro Erwachsenem sollte man investieren,
denn ein Gedanke wird mit Sicherheit jeden beschleichen: "NIE WIEDER !"
Update vom 29.11.2013:
Vergangenen Sonntag besuchten wir noch das wenige hundert Meter vom Camp Alpha entfernte Haus auf der Grenze.
Im Erdgeschoss werden zwei Dokumentationen in zwei Räumen präsentiert.
In dem linken Raum befindet sich eine Dokumentation, bei der u. a. auch per Video Zeitzeugen zu Wort kommen und in der Zeugenaussagen aus den Akten der Zentralen Justizverwaltungen der Länder in Salzgitter nachgelesen werden können, befasst sich mit Misshandlungen in der DDR - Haft. Die Dokumentation ist bestens geeignet für Recherchen. So konnte ich zum Beispiel auch meine Recherchen zum Stasiknast in Berlin - Hohenschönhausen ergänzen.
Haarsträubendes wird dort von verschiedenen betroffenen Zeugen berichtet und zwar unabhängig von einander. Details ergeben sich teilweise aus den hochgeladenen Fotos, so dass ich auf eine Wiederholung an dieser Stelle verzichte.
Die Ausstellung macht betroffen - sehr betroffen sogar.
In dem anderen Raum kann man sich auf weißen Ledersofas bequem niederlassen und Filmdokumente zum Fall der Mauer anschauen.
Im Obergeschoss befindet sich noch eine Ausstellung zum Biosphärenreservat Rhön sowie ein Vortragssaal.
Sehr nachdenklich verließen wir dieses Gebäude nach ca. einstündigem Besuch.
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Update vom 22.06.2014
Gestern war ich zusammen mit meiner Tochter und deren Freund am "heißen Ort des Kalten Krieges". Die jungen Menschen, die die Grenze nicht aus eigener Anschauung kennen, sehen diesen Ort natürlich mit ganz eigenen Augen, aber ich bin froh darüber, dass sie sich für Geschichtliches interessieren und ich mit ihnen einen für sie spannenden Ausflug in die Geschichte unternehmen konnte.
Auch ich habe wieder einmal profitiert:
Die Point Alpha Stiftung hat ein 76 Seiten Starkes Buch über Point Alpha in 1. Auflage 2013 herausgegeben. Verfasser bzw. Herausgeber sind der Leiter der Gedenkstätte Volker Bausch und Mira Keune . Es hat den Titel " Point Alpha Vom heißen Ort im Kalten Krieg zum Lernort der Geschichte".
Das Buch ist Ergebnis der Promotionsarbeit von Mira Keune.
Es hat leider keine ISBN, ist aber an der Gedenkstätte und über die Stiftung erhältlich für 10,95 €.
Es ist die umfassendste Darstellung über Point Alpha, wobei die geschichtlichen Hintergründe der deutsch/deutschen Teilung ebenfalls dargestellt und beleuchtet werden.
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Update 20.06.2016
Heute haben wir wieder einmal Point Alpha besucht.
Es gibt nun auf der Freifläche auch Helicopter zu sehen, die bei dem Einsturz eines Hallendaches stark beschädigt und mittlwerweile restauriert wurden.
Anschließen besuchten wir noch das Blaue Haus an der Grenze, welches ebenfalls zur Gedenkstätte gehört. Die Ausstellung wurde vollkommen neu gestaltet. Im Obergeschoss findet zur Zeit eine Sonderausstellung zum Thema DDR Frauenknast Hoheneck statt. Auf Plakaten kommen Zeitzeuginnen zu Wort.
Eine sehr empfehlenswerte Ausstellung zu deutsch - deutschen Teilung und Geschichte sowie deren Überwindung, deren besuch ich sehr empfehlen kann.[verkleinern]