Den Bericht von Exlenker aus W. finde ich schon sehr informativ, docher hat kaum etwas über das sog. "rote Haus" geschrieben! Da kann ich, wie man das so allgemein sagt, aus dem Nähkästchen plaudern: dieses repräsentative Patrizierhaus ist in vielerlei Hinsicht beachtenswert, aber alles der Reihe nach:
Es wurde in Auftrag, der aus dem hessischen Gemünden an der Wohra stammenden, Kaufmannsfamilie Scheibler errichtet. Das Haus hatte nicht nur Repräsentativen Charakter inne gehabt, es diente... weiterlesen sogleich als Verkaufsfläche und Kontor.
Der Rundgang ist, wie eine Reise durch die Jahrhunderte, und eine Begegnung mit den Bewohnern. Man fühlt sich, irgendwie wie ein Eindringling, der durch fremde Gefilde schnüffelt. Ich hatte das Gefühl gehabt, dass gleich ein Geist eines der zahlreichen Bewohner angeschwebt kommt, und die all zu neugierigen "Störenfriede" vertreiben würde!
Bei solch würdigen Häusern ist es nichts ungewöhnliches, doch meine Begleitung konnte das nicht nachvollziehen, auch wenn einer von ihnen einen Hang zu solchen Orten (jedenfalls Früher) stets betont hatte!
Eigentlich handelt es sich um "zwei" Gebäude, das liegt an der gleichen Anzahl an Eingangstüren: über dem Kontor und Produktionsstätte (rechte Seite) kann man einen Pelikan erkennen, über dem Wohnhaus (links) einen Helm.
In der Bauzeit, die vermutlich zwischen 1752 und 1768 gewesen ist, galt es als erstes "Hochhaus" der Region! Das liegt an den 3 Hauptgeschossen, sowie einem Giebel- und Speicherboden, die ebenfalls ausgenutzt wurden.
Der Anblick von außen ist zu der Entstehungszeit etwas besonderes gewesen und es ist immer noch, denn im Gegensatz zu den benachbarten Häusern, die vorwiegend als Fachwerk bestehen, wurde dieser aus roten Ziegelsteinen gebaut. Das erklärt auch die Bezeichnung "rotes Haus"...
Doch nun treten wir durch die rechte Tür ein und befinden uns in einem großzügigen und repräsentativem Eingangsbereich, der nach der Mode gestaltet wurde: Rokoko von feinsten.
Hier findet man definitiv das schönste Treppenhaus, das ich erblickt habe: es ist freitragend über 3 Stockwerke! Einer Quelle zu Folge versuchte Kaiser Wilhelm II. im Jahre 1908 die Treppe zur Ausstattung des Cecilienhofes in Potsdam zu erwerben. Das spricht schon für ihre besondere Wirkung auf die Besucher. Sicherlich haben die geschnitzten Kartuschen eine gewichtige Rolle dabei gespielt.
Zu sehen gibt es die 21 wichtigsten Schritte zur Herstellung von Wolle, bis zum fertigem Tuch mit dazu gehörigen Gewerken. Hinzu kommen auch noch die 12 Monate, 4 Jahreszeiten, Tageszeiten, sowie Allegorische und Biblische Darstellungen, doch diese zuletzt genannten befinden sich in einem Bereich, der für Besucher nicht zugängig ist.
Die einzelnen Räume kann man nur von außen betrachten und nicht betreten, denn es ist durch ein Band abgesperrt, eine Ausnahme bildet das Esszimmer und die Küche.
Dadurch, dass der Esstisch komplett mit erlesenem Porzellangeschirr, Kristallgläsern und Silberbesteck eingedeckt ist, hat man wirklich den Eindruck, dass die Bewohner gleich zurück kommen... Es wird sogar erwähnt, dass dort bis zu 100 Personen möglich gewesen war, dort zu speisen! Das spricht für den Reichtum dieser Familie und es wird zusätzlich in einer Vitrine zur Schau gestellt. Das ganze unter den gestrengen Blicken der Mitglieder dieses Hauses.
In der Küche Blitzen die aus Messing und Kupfer hergestellten Utensilien, die dort installierte Wasserpumpe ist schon ein kleiner Blickfang, man kann sich schon in die Zeit versetzen lassen.
Im sog. "Herrenzimmer" hängen dicht an dicht Portraits und zahlreiche Gemälde, doch es ist ein Trick, denn es ist eine Leinwandtapete mit illusionistischer Malerei.
Laut Internet handelt es sich um 73 Teile darunter Kopien von Tizian und Rembrandt. Für Kunstkenner ist der Begriff "Louis-seize-Möbel" schon ein Begriff, doch für Nichtkenner ist es der Stil vom französischen König Ludwig XVI. (16.)! Warum erwähne ich das eigentlich: in diesem Raum kann man eben diese sehen! Bei einem nicht adeligen schon sehr selten, weil sie eben wie alles hier, ihren Preis hatten!
Der "Blaue Salon" ist eins der kleinsten Räume in diesem Haus mit wenigen Möbeln, sowie Gemälden, solch einen hellblauen Teppich habe ich wohl niergend wo sonst gesehen, eben passend zu der glichen Wandfarbe.
Der letzte Raum, den man hier in der 2. Etage sehen kann, ist das Biedermeierschlafzimmer, das Schlafmöbel mit ihrer Bekrönung mit einer Art von Baldachin ist wirklich sehr interessant, sowie die Toilettenartikel bestehend aus 2 Wasserkaraffen und Waschbecken aus Porzellan. Die Portraits sind auch aus der glichen Zeit und ergänzen das Gesamtbild dieses Raums.
Das sind jedenfalls die wichtigsten Bereiche dieses Hauses. Wer Lust auf mehr bekommen hat, dem sei ein Besuch empfohlen, der Preis ist auch nicht der Rede wert, denn es beträgt gerade 3 €!
Die Familie Scheibler lebte hier bis 1875, die 100 Jahre kann man, durch die von mir beschriebenen Gegebenheiten, gut nachvollziehen.
Das Haus gelang erneut in den Besitz der gleichen Familie im Jahr 1909, da einige Teile veräußert wurden, erwarb der Kölner Industrielle Carl Johann Heinrich Scheibler vergleichbare Stücke im Handel, sowie durch Schenkungen und Erbschaften zusammen ergibt es das, was man heute dort zu sehen bekommt.
Sein Sohn Hans Carl Scheibler machte das Haus "Goldener Helm" 1931 erstmals als Museum zugängig.1963 wurde eine Stiftung gegründet, die sich um dieses Erbe kümmert.
Was gibt es noch zu schreiben? Eine Sache: es ist ein wichtiger Teil der Woll- und Industrieroute, Besichtigt kann es ab Karfreitag bis 30. November und der Einlass gibt es Dienstag - Sonntag jeweils zur vollen Stunde:
Vormittags: 10 und 11 Uhr
Nachmittags: 14, 15 und 16 Uhr. Es lohnt sich![verkleinern]