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Im Sommer suche ich gerne die Stille und schattige Kühle der heimischen Wälder, die bereits in prähistorischer Zeit besiedelt waren.
Viele Wüstungen gibt es. Ich denke da beispielsweise an Hammundeseiche im Seulingswald oder die Gießlingskirche, der die A 4 im Rahmen von Ausbaumaßnahmen mittlerweile gefährlich nahe rückt, aber auch an die Wüstung Holnstein an der Flanke des Eisenberges, der höchsten natürlichen Erhebung im Landkreis Hersfeld- Rotenburg mit 635,5 Metern über NN und zugleich... weiterlesen höchstem Berg des Knüllgebirges.
Wenn man von Raboldshausen die K 34 zum Eisenberg nimmt, gelangt man auf dreiviertel Höhe linker Hand zur "Spinne", dort wo mehrere Waldwege abzweigen.
Eine Infotafel weist auf den knapp 6 km langen Rundweg "Archäologischer Wanderweg" - wie er amtlich heißt - hin. Mit Verweilzeiten sollte man sich 2 - 2, 5 Stunden Zeit nehmen, um auf gut ausgebauten Forstwegen diesen zu erwandern.
Er führt zu vielfältigen archäologischen Geländedenkmälern am Osthang des Eisenberges als Zeugnissen der einstigen Kultur - und Industrielandschaft.
Entlang des Wanderweges befinden sich diese Zeugnisse an 6 Stationen durch alle Zeitepochen beginnend mit bronzezeitlichen Hügelgräbern, einer frühmittelalterlichen Siedlungswüstung, einem mittelalterlichen Eisenerzabbau sowie neuzeitlichem Alaunabbau und Meilerplatz. Hinweistafeln weisen jeweils darauf hin und erklären Wissenswertes.
Besonders interessant finde ich den ehemaligen Eisen- und Alaunabbau sowie die Wüstung Holnstein. Sie sind zweifelsohne die Höhepunkte der Wanderung.
Rund um den unterhalb der Krötenkuppe abseits des Forstweges gelegenen Eisenteich findet man viele Bergwerks- und Verhüttungsspuren, die vom mittelalterlichen Eisenerzabbau im 15 und 16. Jahrhundert sowie der sich anschließenden neuzeitlichen Alaungewinnung hauptsächlich im 17. Jahrhundert zeugen.
Der geologische Untergrund besteht aus vulkanischem Basaltgestein, Tonen, kleinen Braunkohlelagern sowie Eisenerz und Alaunerde.
Vermutlich begann der Eisenbergbau so um 1362, die erste direkte Nennung erfolgte erst im Jahre 1459. Die Bergwerke gehörten übrigens der Reichsabtei Hersfeld, konnten deren Wohlstand aber kaum mehren, so dass um ca. 1530 die Eisengewinnung hier endete.
spuren der Erzgewinnung findet man hier in Form von Vertiefungen (Pingen) und Halden, welche erkennbar sind. Flache Schürfschächte weisen auf Gewinnung des Oberflächen nah vorkommenden Eisengesteins hin.
Das Erz wurde zu Eisenhütten transportiert und ausgeschmolzen. Man geht davon aus, dass diese in den Tälern unterhalb der Bergwerke an den Flanken des Eisenberges lagen, wie zum Beispiel in Obergeis die "Waldsmydde zcu Geyse". Auch deuten manche Flurnamen wie " die Erzebach" noch darauf hin.
Im Jahre 1595 begann der für Gerbereien, Färbereien und Papierherstellung benötigte Abbau von Alaunerde, die aufwändige Aufbereitung des Alaun erfolgte vor Ort.
Mit Unterbrechung während des Dreißigjährigen Krieges in den Jahren 1616 bis 1648 bestand das Werk bis etwa 1705. In der Kirche zu Obergeis befindet sich der Grabstein des 1686 verstorbenen Alaunmeisters Johann Nolden.
Die Alaunschächte dürfen wegen Einsturzgefahr nicht betreten werden. Überhaupt sollte man sich auf diesem Gelände sehr vorsichtig bewegen. Kleine fleißige Insekten zeigen uns zu unserer Freude aber ,wie das Erdreich unter dem mit Laub bedeckten Waldboden hier aussieht.
Der Weg führt uns sodann weiter zur "Rotteroder Wiese" , wo wir auf ein weiteres Hügelgrab stoßen. Von dort führt uns der Weg weiter zum Holnsteinkopf unterhalb des Eisenberges.
An der "Langen Wiese" die bereits auf einer Karte von 1611 diese Flurbezeichnung hat, stoßen wir zunächst auf ein Steinkreuz aus dem Mittelalter. Es ist nicht abschließend geklärt, welche Bedeutung diese Kreuze, die man in unserer Region sehr zahlreich findet, hatten. Es kann sich um Gemarkungsgrenzen handeln, aber auch um Sühnekreuze zum Gedenken an ein Verbrechen.
Das Steinkreuz wurde beim Wegebau in den 1930iger Jahren gefunden und wieder aufgestellt. Es hat allerdings mit der in unmittelbarer Nähe befindlichen Wüstung Holnstein nichts zu tun.
In der Wiese liegen neben einem Bach drei runde Hügel. Dabei handelt es sich vermutlich um Ofenhügel - vielleicht Backöfen aus der Zeit des mittelalterlichen Dorfes Holnstein.
Am östlichen Ende der Wiese lassen sich Ackerterrassen erkennen, diese setzen sich im heutigen Wald fort.
Das Dorf wurde etwa im 14./15. Jahrhundert zur großen Wüstungszeit also vor dem dreißigjährigen Krieg verlassen. Gründe hierfür sind nicht genau bekannt. In Betracht kommen Seuchen, Agrarkrisen, Abwanderung und dadurch Bevölkerungsrückgang, die rauhen klimatischen Bedingungen und Angst vor Überfällen.
Heute weiß man anhand von Scherbenfunden, dass die Höfe entlang des kleinen Baches lagen.
Ehrfürchtig bewegen wir uns weiter durch die Stille der Natur, die nur durch das Zwitschern der Vögel, das Klopfen des Buntspechtes und die Warnrufe des hier beheimateten Eichelhähers sowie knackende Äste im Unterholz unterbrochen wird.
Irgendwie fühlen wir uns beobachtet, obwohl keine Menschenseele weit und breit auszumachen ist; es ist fast unheimlich an diesem einst belebten Ort in der Abendstimmung.
Ich stelle mir vor, wie die Menschen hier einst gelebt und gearbeitet haben mögen unter härtesten Bedingungen; Hunger leidend, wenn die Ernte schlecht war und frierend, wenn der Winter besonders hart war, geschwächt von Seuchen und heimgesucht von raubenden, mordenden Horden.....
Da erblicken wir auch schon am Wegesrand die Fundamente der kleinen Kirche aus dem 11./12. Jahrhundert, welche völlig verschwunden und in Vergessenheit geraten war, bis im Jahre 1936 beim Bau eines Forstweges ein Türsturz mit Scheibenkreuz gefunden wurde.
Zwei Jahre später wurden bei einer Ausgrabung die Grundmauern der Kirche frei gelegt. Gräber hat man in ihrem Umfeld bislang jedoch nicht gefunden.
Der Türsturz ist im Hersfelder Museum ausgestellt. er dient auch als Symbol des Wanderweges.
Hier findet man auch die vor Jahrhunderten aus dem Mittelmeerraum eingeführte Zier- und Heilpflanze Immergrün mit ihren blauen Blüten, die wild fast ausschließlich auf Wüstungen und Burgen wächst und bis heute überdauert hat.
Bald erreichen wir wieder unser Fahrzeug am Parkplatz an der Spinne und tauchen wieder in die heutige Zeit ein, während die Sonne ihre letzten wärmenden Strahlen über die blühenden Bergwiesen schickt.
Tief beeindruckt von den im Wald verborgenen archäologischen Schätzen lasse ich meine Blicke in die weite Landschaft der einstigen "Buchonia", des Knüllgebirges und der Schwalm schweifen wissend, dass hier meine Wurzeln sind .....[verkleinern]
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