„Einer von uns müsste Brötchen holen...“, denke ich mir und beschließe, dass ich nicht derjenige bin, der zur Bäckerei Schmidtmeier spazieren wird. Denn dicke Regentropfen klopfen lautstark an unsere Fenster und ein stürmischer Wind lässt die Bäume dazu tanzen.
Dabei ist es nur ein fünfminütiger Fußweg durch das beschauliche Grün des Schrebergartens, in dem an einem Sonntagmorgen um diese Zeit – bis auf das Gezwitscher der kleinen gefiederten Frühaufsteher – erholsame Ruhe herrscht. Ein... weiterlesen
Fußweg, den man nicht bereut, denn was gibt es Schöneres, als ein gemütliches Frühstück am Sonntagmorgen mit frischen Brötchen auf dem Tisch. Meine bevorzugte Wahl sind Gerste-Dinkel und Kornbeißer, nicht nur knackig und köstlich, sondern bei Schmidtmeier auch 10 bis 20 Cent günstiger als ähnliche Brötchen der örtlichen Konkurrenz.
Ich wage einen ersten Schritt auf den Balkon, schließlich will ich meine Qigong-Übungen machen – fünf Minuten für die Gesundheit, wie an jedem anderen Morgen auch. Für einen kurzen Augenblick genieße ich noch den Duft der frischen Backwaren, der zu uns herüberweht ... dann sind meine Stopper-Socken pitschnass. Scheißregen! Dabei hat die Natur ihn doch bitter nötig.
Nötig hatte die Bäckerei Schmidtmeier auch den Umbau des Eingangs zu ihrem Lädchen. Die unscheinbare Wand aus Stein wurde durch eine Glasfront ersetzt und damit deutlich einladender gestaltet. Praktisch auch, das es nun im Innenbereich kein unnötiges Geknubbel mehr gibt und niemand dem anderen beim Eintreten die Tür ins Kreuz donnert.
Ich versuche mir – einbeinig balancierend – die nassen Socken auszuziehen, ohne dabei in unsere halbverdörrte Kakteensammlung zu stürzen. Dabei vernehme ich Geräusche aus dem Badezimmer, meine bessere Hälfte scheint aufgestanden zu sein – der erste Lichtblick am heutigen Morgen. Nee, damit ist nicht meine Ehefrau gemeint, sondern der Kaffee, den sie gleich aufsetzen wird.
Mal ehrlich, ganz unter uns, sieht ihre Göttergattin schon vor dem Frühstück aus wie eine von den smarten Ladys aus diesen Spielfilmen? Die sich in der Morgendämmerung top-gestylt, mit ihrem fitnessgeformten Body an ihren Bettgefährten schmiegt, sanft an seinem Ohr knabbert, um dann mit ihrem frischem Atem in selbiges hineinzuflüstern: „Na, mein starker Tiger ... hast du was dagegen, wenn ich dich zum Frühstück vernasche?“
Ja, zugegeben, wir Männer sind frühmorgens auch noch nicht der Burner. Kein Brad Pitt, kein George Clooney in Sichtweite. Die meisten von uns strahlen zu diesem Zeitpunkt nur den vertrockneten Charme eines vier Wochen alten Vollkornbrotes aus.
„Soll ich uns Brötchen besorgen?“, Susannes Kopf lugt um die Wohnzimmertür herum.
„Aber natürlich mein Spatz, das sollst du.“
Meine Frau sieht noch ziemlich verschlafen aus, schenkt mir aber ein Lächeln. Danke, mein Schatz, das bessert meine Laune.
Im Übrigen mag meine Liebste so stürmisches Wetter, sie ist eher so der Nordseetyp. Außerdem geht sie gerne zur Bäckerei. Sie betont jedes Mal, wie freundlich die Damen an der Theke sie begrüßen und bedienen. Da gebe ich ihr Recht. Denn von der guten Laune, welche die Schmidtmeier-Ladys verbreiten, könnte sich so manch andere Verkäuferin eine dicke Scheibe abschneiden. Neben dem ungewöhnlich freundlichen Service gibt es in der Bäckerei auch ein passables Angebot. Nicht übertrieben viel, aber alles was das Herz, respektive der Magen begehrt. Mir ist allemal ein solides Stück Streusel-, Kirsch- oder Apfelkuchen (zu erschwinglichem Preis) lieber als ein bombastisches Stück Torte bei der Konkurrenz.
Kürzlich hat die Bäckerei sogar einen Infozettel in die Tüte gepackt, um dem Kunden zu erläutern, warum grundsätzlich die Preise in der Bäckerbranche steigen. Sehr lobenswert, wenn man es nicht nur einfach macht, sondern auch erklärt.
Am Horizont wird´s heller. Vielleicht sollte ich mir schon mal einen Kaffee gönnen. Zum Glück muss ich ja weder Kaninchen jagen, noch Beeren sammeln. Stattdessen darf ich ein Frühstück mit frischen Brötchen, Wurst, Käse und Tomaten, Melone, Marmelade, duftendem Kaffee und der freundlichen Gesellschaft meiner Liebsten genießen.
Ich öffne das kleine Fenster, kühle Luft strömt herein. Ich trete wieder hinaus auf den Balkon ... es regnet nicht mehr. Sonnenstrahlen verwandeln das Dunkelgrau der Wolken in einen glitzernden Figurentanz ...
Ganz in der Ferne ein wütender Riese, dort ein Schäfchen mit nur zwei Beinen, eine winkende Hand, ein fliegender Fisch ... und der Spätsommerwind spielt mit den Blättern. Sieht aus, als hätte er seinen Spaß dabei.
Ein Rotkehlchen landet in unserem Balkonkasten. Zwitschert. Stört sich nicht daran, dass ich zurückzwitschere. Plappert einfach fröhlich weiter. Meine bessere Hälfte plappert auch, irgendwo da hinten, in der Küche. Sie ist schon wieder zurück. Jetzt höre ich sie auch rufen.
„Kommst du Bärchen? Schmidtmeiers Brötchen sind da!“
„Bin schon auf dem Weg...“
Tschüss Rotkehlchen, dir auch noch einen schönen Tag![verkleinern]
