„Ohren?“
Eine Frage ohne Subjekt, Verb und Adjektiv. Nicht untypisch für den Ruhrpott. Ja, zwei Stück … würde ich gerne antworten, sehe mich aber für den Bruchteil einer Sekunde als neuzeitigen Struwwelpeter, dem der junge Barbier zur Strafe womöglich beide Lauscher absäbelt. Also sage ich „Bitte frei“ und lasse die weitere Prozedur wie ein frommes Lamm über mich ergehen…
Doch wie bin ich in diese heikle Situation geraten? Nun, es lag wohl an meiner Sparsamkeit, denn ich bin ein... weiterlesen Sparfuchs, ein ausgebuffter Schnäppchenjäger. Nicht, dass ich besonders geizig wäre. Nein, das nicht. Erst neulich habe ich mir ein paar hochwertige Joggingschuhe für über 160,- € gegönnt. Nein, doch nicht zum Rennen, um Himmels willen! Aber man geht darin … wie auf Wolken, herrlich! So was von bequem ...
Doch vor einigen Monaten hat mich einmal nicht nur der Sparteufel geritten, sondern auch die Zeitnot getrieben. Und so kam es, dass ich spontan beschloss, einen Barbier mit freiem Termin und günstigen Preisen zu besuchen, um meine grau-melierte Haarpracht wieder in Form bringen zu lassen. Die ausgewiesenen Tarife hätten mir allerdings zu denken geben müssen, denn gute Qualität hat schließlich ihren Preis…
Nun, ich bin immerhin so schlau, nicht den Maschinenschnitt zu 13,50 € zu wählen, sondern den Nass-Schnitt mit Beratung für 17,50 €. Außerdem verlässt soeben ein Kunde den kleinen Laden … Ja, hurra, ich darf Platz nehmen! Glück muss man haben. Der Friseur, ein junger Mann, südländischer Typ, guckt allerdings etwas griesgrämig drein … habe ich ihm die Mittagspause gestohlen? Er nickt mir kurz zu, fackelt nicht lange und legt los. Mit der Maschine. Mein Kopf wird hin- und hergewendet, ich komme mir vor wie ein Schaf bei der Schur. Ruppiger Stil, wortlos. Dann wird tatsächlich noch eine Schere gezückt … für einen Moment denke ich, er zeigt sie nur und packt sie wieder weg, frei nach dem Motto „Haben wir auch, benutzen wir aber nicht“, doch dann schnibbelt er doch noch zwei bis drei Stirnhaare ab, prima. Weiter geht es, noch einmal ratzfatz, Maschinenschur und fertig. Ob´s mir gefällt oder nicht, völlig egal, es werden noch ein paar Haare fortgepustet und das war es. War es das?
Ich bezahle, gebe kein Trinkgeld, sage tschüss und drehe vor der Tür wieder um. Nehme meinen ganzen Mut zusammen und frage den Mann an der Kasse, einem schlanken Typ mit aufgesetzter Boss – Attitüde: „Die Beratung … äh, wann hat die denn stattgefunden?“
Seine Augen blitzen, der Ton klingt kess.
„Hat er doch mit dir gesprochen oder …?
Ja, ich erinnere mich. Vage. Er hatte mich gefragt: „Ohren“?
Aber, wo bitte schön, ist irgendetwas – außer dem Angstschweiß unter meinen Achseln - nass gewesen?
Antwort des Friseurs: „Kann man machen, muss man aber nicht.“
Ich bin baff. Man stelle sich vor: Tanzkurs gebucht, Tanzlehrer könnte anwesend sein, muss aber nicht. Marzipantorte gekauft, Marzipan könnte evtl. drin sein, muss aber nicht. Wow! Eine sehr ungewöhnliche Perspektive … die mir allerdings auch weitere Diskussionen erspart.
Sparsamkeit kann auch zu einem Eigentor werden, immerhin sieht mein Kopf nicht aus wie ein Super-GAU. Trotzdem kann ich der oben geschilderten Geschäftsphilosophie nur wenig abgewinnen: Genau genommen - nur 1 – 1,5 Sterne.
P.S.: Die o.g. Preise sind nicht mehr aktuell.[verkleinern]