Die deutsche Viermastbark „Passat“ ist ein Relikt aus längst vergangenen Seefahrtszeiten. Der stolze Frachtsegler, der einst die Weltmeere befuhr, hat nun seit Jahrzehnten als Eigentum der Stadt Lübeck auf der Trave, im Hafen Priwall gegenüber Travemünde festgemacht. Die „Passat“ wird heute als stationäres Museumsschiff, Jugendherberge, Veranstaltungsort und Außenstelle des Lübecker Standesamtes für Trauungen genutzt. Man erreicht die „Passat“ landseitig über die Halbinsel Priwall oder via... weiterlesen
Travefähre aus Travemünde/Lübeck.
Gebaut wurde das Schiff zu einer Zeit, als der Frachtverkehr zum großen Teil noch mit Segelschiffen verschiedener Größe realisiert wurde. Das 1911 auf der Hamburger Blohm & Voß-Werft gebaute Schiff wurde von der Reederei F. Laeisz in Dienst gestellt. Zusammen mit dem Schwesterschiff „Peking“ (Museumsschiff in New York) wurde die „Passat“ als Ersatz für das 1910 im Ärmelkanal gescheiterte Fünfmastvollschiff „Preußen“ angeschafft.
Die meisten Schiffe der Reederei Laeisz trugen Namen, die mit dem Buchstaben „P“ begannen. Wegen ähnlicher Bauweise und Größe wurden 8 Großsegler als „Die 8 Schwestern“ bezeichnet (Pangani, Petschili, Pamir, Peking, Passat, Pola, Priwall und Padua), von denen nur noch die „Padua“ ( heute „Krusenstern“ – Rußland) in Fahrt ist. Wegen ihrer hohen gesegelten Geschwindigkeiten wurden Schiffe der Reederei auch als „Flying-P-Liners“ bezeichnet.
„Passat“ und „Peking“ sind 115 m lang, 14,40 m breit und haben einen Tiefgang von beladen 6,70 m. Die Wasserverdrängung beträgt 6280 Tonnen und die Vermessung ist mit 3091 BRT, die Tragfähigkeit mit 4700 tdw angegeben. Die Besatzung zählte 35 Mann, erstaunlich wenig, wenn bedenkt, daß 34 Segel mit 4100 m² an 4 Masten zu beherrschen waren. Diese Segelfläche verlieh den Seglern eine maximale Geschwindigkeit von etwa 17 Knoten (31 kmh), so schnell, wie kein Frachtdampfer damals. Später wurde eine Hilfsdieselmaschine mit 900 PS eingebaut.
Eingesetzt wurde die „Passat“ im Liniendienst zwischen Europa und Lateinamerika. Die Jungfernfahrt begann am 24.12.1911 nach Chile, wobei das Kap Hoorn umsegelt wurde. Es folgten weitere dieser sogenannten Salpeterfahrten. Beim Ausbruch des 1. Weltkrieges wurde die „Passat“ in Iquique (Chile) interniert und konnte erst 1921 nach Europa zurück kehren. Als Reparationsleistung wurde das Schiff Frankreich zu gesprochen und in Marseille umgeflaggt. Da Frankreich keinen Bedarf an dem Großsegler hatte, konnte die Reederei Laeisz ihr Schiff wieder zurück kaufen und weiterhin für Salpeterfahrten nach Südamerika einsetzen.
1925 erfolgte der Umbau zum frachttragenden Segelschulschiff. 1928 kollidierte die „Passat“ mit einem französischen Dampfer, der unterging, während die „Passat“ nur leicht beschädigt wurde. Bei einer weiteren Kollision 1929 mit einem britischen Dampfer wurde die „Passat“ schwer beschädigt und mußte in Rotterdam instand gesetzt werden.
Da man seit 1932 Salpeter industriell herstellen konnte, wurden die Salpeterfahrten unrentabel. Laeisz verkaufte die „Passat“ an den finnischen Reeder Gustav Erikson, der das Schiff für Weizenfahrten nach Australien einsetzte. Von den 7 Fahrten bis zum 2. Weltkrieg gewann die „Passat“ 1934, 1937 und 1938 die sogenannte „Weizenregatta“, das inoffizielle Wettrennen der Großsegler von Europa nach Australien und mit einer Weizenladung via Kap Hoorn zurück nach Europa.
Mit Ausbruch des 2. Weltkrieges wurde das Schiff in Finnland außer Dienst gestellt und 1944 nach Stockholm geschleppt, wo es als schwimmender Getreidespeicher genutzt wurde. 1947 wurde die „Passat“ reaktiviert und wieder für den Weizentransport eingesetzt. 1949 gewann sie nochmals die Weizenregatta. Nach dem Tod Eriksons wurden „Passat“ und „Pamir“ bis 1951 als schwimmende Lager an Großbritannien verchartert.
Nach Charterende drohte beiden Schiffen die Verschrottung. Eine deutsche Interessengemeinschaft kaufte die Schiffe von einer belgischen Abwrackfirma und überführte sie nach Kiel. Dort wurden bei den Howaldtswerken zu frachttragenden Segelschulschiffen umgebaut. 1952 unternahm die „Passat“ ihre erste Fahrt als Segelschulschiff unter bundesdeutscher Flagge nach Südamerika. Nach der Insolvenz der betreibenden Reederei Schliewen wurden beide Schiffe 1954 von der „Stiftung Pamir & Passat“ übernommen und weiter betrieben. In den folgenden Jahren fuhr die „Passat“ zwischen Europa und Südamerika, meist nach Argentinien und Uruguay.
Kurz nach dem tragischen Untergang der „Pamir“ 1957 geriet auch die „Passat“ auf der gleichen Route in einen schweren Sturm und drohte mit übergehender Ladung zu kentern. Nur mit Mühe erreichte sie Lissabon. Dort wurde die Ladung stabilisiert und dann die Reise nach Hamburg. Dort wurde das Schiff wegen dem Untergang der „Pamir“ und dem eigenen Fastschiffbruch außer Dienst gestellt und aufgelegt. Der Kauf durch die Stadt Lübeck 1959 bewahrte das Schiff vor dem Abwracken.
Die Passat diente zunächst als Schulungsstätte für die Schleswig-Holsteinische Seemannsschule und ist seit 1966 Museumsschiff. Später wurde noch eine Jugendherberge eingerichtet. Seit 1978 steht die „Passat“ als Beispiel deutscher Seefahrtsgeschichte unter Denkmalschutz.
Von 1997 bis 1998 erfolgte eine Generalinstandsetzung für mehrere Millionen DM. Pläne, das immer noch schwimmfähige Schiff wieder in Fahrt zu bringen, sind nicht realisierbar, da daß Schiff auf Grund von Alter, Materialzustand und wegen der durchgeführten Reparaturen nicht mehr in einen fahrtüchtigen Zustand versetzt werden.
So bleibt uns die „Passat“ hoffentlich noch lange als technisches und maritimes Denkmal aus der Segelschiffzeit des 20. Jahrhunderts erhalten. Besucher können auf und unter Deck das Schiff erkunden. Besatzungs- und Laderäume sowie die Ausstellung zur Geschichte des Schiffs vermitteln einen Einblick in die segelnde Handelsschifffahrt des vergangenen Jahrhunderts.[verkleinern]