Wie bei Kaffeebuden, Kneipen und ähnlichen lebensnotwendigen Einrichtungen tendiere ich auch beim Basislager für das kleine Schläfchen zwischendurch (mehr ist mir bei einem Trip in eine Hammerstadt wie Berlin ohnehin meist nicht vergönnt) zu einer gewissen Anhänglichkeit. Ist einmal die adäquate Herberge gefunden, komme ich immer wieder gerne zurück und freue mich, nicht erst komplizierte Türöffnungsmechanismen oder dieses Kreuz mit dem nächtlichen Ausschalten der zahlreichen Beleuchtungskörper... weiterlesen erforschen zu müssen. Devise: Never change a running system.
Bei einem Knallerangebotspreis für ein Hotel in allerbester Prenzlauer Lage (Schönhauser Allee, Nähe „andere“ Stammkneipe und nahezu sämtliche Öffis vor der Tür) werde ich allerdings auch schon mal abtrünnig. Da kann so ein richtiger Geizknochen einfach nicht aus seiner Haut.
Und als ich endlich im „103“ ankam, war mir sowieso alles wurscht; Hauptsache, die haben ein Bett, ein Plätzchen für den elend schweren Koffer und die Möglichkeit für mich, endlich die unbequeme Arbeitskluft loszuwerden und nach dem Aufstehen im Morgengrauen sowie einem ausschweifender als geplant ausgefallenen Orientierungsbummel durch Weißensee ein wohlverdientes Powernapping einzulegen.
So richtig einladend wirkte der in designergrün gehaltene Zugang in den Hinterhof nicht, aber das besagt in Berlin ja nix. Das Hotelmotto: Urban. Lifestyle. Berlin. Man zielt also auf jung-hippes, aber nicht übermäßig begütertes Jungvolk ab.
Am (verschlossenen) Eingang wies ein Schild darauf hin, daß man klingeln muß und die Rezeption auch nur bis 23:00 Uhr besetzt ist. Wieder übermannten mich furchtbare Phantasien in Richtung zipfelmützetragender Herbergsvater und Sperrstunde..
Man gewährte mir Einlaß und begrüßte mich freundlich im kühl-minimalistisch gestalteten Rezeptions-Barbereich. Zimmerkärtchen nebst einer sehr technischen, also für mich unverständlichen Erläuterung zur Türöffnung sowie die Frühstückskarten wurden überreicht und auch gleich der Nachtzugang gezeigt. Na also..Langen Nachtschwärmernächten steht also nichts im Wege. Sofern man noch nüchtern genug ist, den relativ langen Zahlencode fehlerfrei einzutippen;-))
Hinter der Rezeption mit einer stylisch-schicken Sitzecke schließt sich auf dem Weg zu Aufzug und Frühstücksraum eine Art Gemeinschaftsbereich an. Hier ist dem Innenarchitekten wohl das Konzept „Urban. Lifestyle.“ kurzerhand entglitten-oder die Kohle ausgegangen. Zum Designergrün wurden hier antike bis spießige Sitzgelegenheiten (siehe Fotos..Das Sofa zu den bestickten Stühlen…Örks!) kombiniert und das Ganze mit einem unsäglichen Orientteppich abgerundet. Die schönen Bilder an den Wänden reißen es einigermaßen wieder raus. Aber über Geschmack läßt sich nicht streiten, und alles war picobello sauber. Eine „Zockerhöhle“ mit Billardtisch und X-Box für die Großen und eine Spielecke für die Kleinen gibt’s auch.
Nachdem ich den bockigen Aufzug (der sich im 1. OG öfter mal ‚ne Pause gönnte) bezwungen hatte, stand ich mit meinem Plastikkärtchen ratlos vor der Zimmertür und verfluchte mein technisches Unverständnis. Die Erklärung der Rezeptionistin hatte ich schon wieder vergessen; die Anleitung auf der Karte verstand ich ebenso wenig wie eine Bauzeichnung. Und kein Kerl in der Nähe. Es wäre auch peinlich gewesen, bei diesem würdelosen Dilettieren an einer im Prinzip einfachen Schließvorrichtung auch noch Zeugen gehabt zu haben.
Irgendwie hab ich’s dann doch geblickt. Wenn man muß, geht vieles..
Das Zimmer, von angenehmer Größe, war karg (sorry, puristisch..)eingerichtet. Aber enthielt alles notwendige. Sogar ein Schrank mit genug Platz für Klamotten versteckte sich hinter einem Vorhang. Der sog. Flatscreen war arg winzig, aber wer will schon in Berlin fernsehen?
Dafür hatte das Bad gigantische Ausmaße und erinnerte mich an eine Reha-Klinik-komplett behindertengerecht, sogar mit Notfallklingel und einem „Duschstuhl“. Für Rollifahrer absolut perfekt, denke ich. Entsprechend war die Toilette sehr hoch und Spiegel nebst Waschbecken sehr niedrig. Ob alle Zimmer so ausgerüstet sind, weiß ich nicht.
Das Bett war sehr bequem und die Bettwäsche plastikfrei, so daß die mickrigen paar Stündchen, die ich darin verbrachte, maximal erholsam ausfielen. Und dank der Lage zum Hinterhof war es auch relativ ruhig; von dem Oboespieler in der Nachbarschaft mal abgesehen, der mich am ersten Morgen mit einer –ähm-eigenwilligen Interpretation von „Stille Nacht, heilige Nacht“ aus dem Schlaf katapultierte. Zum Glück kam das nicht wieder vor. Vermutlich hat ihm ein anderer Nachbar Spielverbot erteilt.
Zum Wochenbeginn brach das Hotel aus allen Nähten: Diverse Schulklasse auf Kursfahrt, nehme ich an. Der Lärmpegel war unermeßlich und ich hatte das Gefühl, nur durch eine leichte Pappe vom „Schlafsaal“ getrennt zu sein. Ruhesuchenden Gästen kann ich das Hotel also nur bedingt empfehlen.
Das Frühstück war im Übernachtungspreis inbegriffen und in Ordnung. Kaffee/Tee und O-Saft (guter) satt; ansonsten das Übliche: Diverse Aufbackbrötchen, Wurst und Käse, Nutella-und Marmeladengedöns; für die Gesund-leben-Fraktion gab’s Müsli, Obst und Joghurt. Die Frühstückszeiten nur bedingt nachtschwärmertauglich: Am Wochenende bis 11 Uhr, unter der Woche bis 10 Uhr.
Am Abreisetag hat man ebenfalls um 10 Uhr sein Gemach zu räumen, aber irgendeinen Haken gibt’s halt immer..
Und 4 Sterne gibt’s von mir. Der Preis war wirklich sensationell, ebenso wie die Lage. Ich würde hier wieder absteigen. Für talentfreie Oboespieler und Schulklassen mit übersteigertem Schrei-und Bewegungsdrang kann das Hotel ja nichts.[verkleinern]