Moin moin
Wie ich schon oft in einigen Beiträgen beschrieben hatte, bin ich auf St. Pauli geboren und aufgewachsen. Ich bin ein echter St. Pauli Jung und kam auch schon einmal mit den Kiezgrössen wie den Luden der G.M.B.H und der Nutella in Kontakt. Beide wollten ihr Gebiet damals abstecken.
Als ich noch kleiner war, half und lernte ich bei uns in der Strasse bei einem Chinesen, wie man Tofu herstellt und Sojasprossen züchtet. Sojasprossen sind gar keine Sprossen aus Sojabohnen, sondern... weiterlesen
gehören zu den Mungobohnen.
Frische Sojasprossen (Mungobohnensprossen) kommen aus verschiedenen Ländern zu uns, es gibt aber auch immer mehr europäische und deutsche Züchter, die meistens Sprossen in Bio-Qualität anbieten.
Tofu wird aber aus der Sojabohne gewonnen und es ist sehr aufwendig, die Tofuziegel herzustellen. Am besten schmeckte mir bei der Herstellung die noch warme Sojamilch und ich trank jeden Tag einen halben Liter.
Die fertigen Lebensmittel brachte ich in diverse China Restaurants in Hamburg und auch zum Generalkonsul aus China, der unsere Produkte bevorzugte.
Mitunter musste ich auch in das verbliebene Chinesenviertel, das sich nur noch in der Schmuckstrasse befand. Hier waren zwischen der Grossen Freiheit und der Talstrasse noch die alten Vorkriegshäuser, in denen die verbliebenen Chinesen wohnten.
Einige alte Chinesen hatten in den Häusern 1 bis 9 Kellerwohnungen, in denen Opium geraucht wurde. Immer wenn ich mich dort länger aufhielt, wurde mir ganz schwindelig und ich wusste nicht woher der Schwindel kam. Später fuhr ich mit Mr. Kung Wen Tai in den Hafen und belieferte die chinesischen Schiffe mit säckeweise Wollhandkrabben, die dann dort gekocht auf dem Mittagstisch landeten. Es war eine Chinesische Spezialität und das Krebsfleisch schmeckte sehr gut. Die Wollhandkrabben hatte wir auf dem Altonaer Fischmarkt von Kutter gekauft.
Ich meine, dass Kung dafür das Opium bekam und in die Schmuckstrasse brachte. Ein Chinese mit deutschem Kind ist ja wohl nicht auffällig gewesen, denn wir sind nie kontrolliert worden.
Später war ich dann im Restaurant Tsingtau in der Hein Hoyer Strasse, wo ich ab und zu mal kochen durfte, was ich vom Koch aus Hong Kong gelernt hatte. Fertige Speisen brachte ich dann zu "Shushu", was Onkel heisst. Da war ich schon älter und wusste, dass die Chinesen dort in zwei Betten übereinander lagen und Opium rauchten. Ich lehnte aber dankend ab.
Zur Historie:
In den 1920 Jahren liessen sich in der Schmuckstrasse und angrenzenden Strassen ehemalige Chinesische Seeleute nieder und eröffneten Lokale, Restaurants und Wäschereien, denn darin waren sie unschlagbar. Die Einheimischen sprachen vom Chinesenviertel, obwohl hier nur wenige Hundert Chinesen wohnten.
Mit der NS Herrschaft änderte sich vorerst wenig für die Chinesischen Migranten. Nachdem China Deutschland am 8.12.1941 den Krieg erklärte, spitzte sich die Lage zu. Aber erst am 13.5 1944 führte die Gestapo unter der Leitung Erich Hanisch eine Razzia durch, nahm 129 Chinesische Staatsangehörige fest und verbrachte sie in das Gestapogefängnis Fuhlsbüttel.
Es sollen 17 Chinesen an den Folgen der Zwangsarbeit und des Terrors gestorben sein. Damit war das Chinesenviertel auf St. Pauli gewaltsam aufgelöst.
Vor dem Haus Schmuckstrasse 9 befindet sich ein Stolperstein, der an den Restaurantbetreiber Woo Lie Kein erinnert, der infolge Misshandlungen durch die Gestapo im November 1944 starb.
Ebenso fand ich einen Stolperstein vor dem Haus Schmuckstrasse/Grosse Freiheit von Ho Dashan; der 1944 verhaftet und am 22.10.1944 in Wilhelmsburg ermordet wurde.
Chong Tin Lam kam nach dem Krieg nach Hamburg zurück mund übernahm wieder die Kneipe und Hotel Hongkong am Hamburger Berg. Diese Kneipe führt bis heute seine Tochter qweiter.
Das St. Pauli Archiv bietet Führungen durch das Viertel an.[verkleinern]