Neben dem Marburger Landgrafenschloss steht ein altes, ehrwürdiges Haus aus der Renaissance, es ist etwas besonderes aus zweierlei Gründen, denn es handelt es sich hierbei um die Hessischen Stipendiatenanstalt, die nach ihrem Gründer dem Landgraf Philipp von Hessen als "Collegium Philippinum" benannt wurde.
Das ist noch nicht das Geheimnis, das ich hier enthüllen möchte, sondern, dass es sich um das älteste, heute würde man sagen "Studenten-WG"- damals jedoch Stipendiatenanstalt, was sich... weiterlesen
bei der offiziellen Bezeichnung erhalten hatte, Studentenwohnheim (so wurde es uns auch erzählt) Deutschland handelt!
Bei unserem Besuch hatten wir auch noch das Glück gehabt, einen Blick, in das sonst, für außenstehende geschlossene, Innere zu erhaschen!
Es hat eine besondere Bewandtnis auf sich, denn dadurch, dass der hessische Landgraf sich als einer der ersten der Reformation anschloss, brauchte er ausgebildete Theologen, die diese Lehre auch "unters Volk" bringen sollten, gründete er 1527 in Marburg eine protestantische Universität.
Philipp der Großmütige sorgte sich um das Wohl seiner Untertanen, doch eine Frage blieb offen: wie bekommt er es hin, dass genügend Studenten dieses Privileg genießen dürfen und wo sollen sie untergebracht werden?! Ein scheinbar verzwickte Situation!
Die passende Idee war auch recht bald gefunden: am 11. März 1529 wurde ein Rundschreiben, das überall verlesen wurde, besagte, dass "hinfuro zu jeden Zeiten ein oder mehr stipendiaten, ihrer burger kind, an gemeltem studio zu Marpurg, [...] sieben jar lang zu halten [damit sie anschließend] allenthalben in den stetten, flecken und dorfen unserer furstentumb und graveschaften zu pfernern (ich denke es geht hier um Pfarrer), predicanten und schulmeistern vor andern promoviert und genommen werden sollen.“
Das heiß, der Landesherr sorgte kostenlos für die Ausbildung und die Unterkunft, die er aus den Mittel, die er durch die Säkularisation (Verweltlichung der einbezogenen katholischen Güter durch deren Verkauf) erzielt hatte. Jedoch jeder Ort musste einen kleinen Obolus auch zusätzlich entrichten. Alles wurde bis ins kleinste geregelt.
Die Zahl der Stipendiaten war zu der Zeit auf 50 begrenzt, wobei 10 von ihnen auf jeden Fall als Prediger ausgebildet werden sollten, an Sonsten bestand auch die Möglichkeit eine Anstellung in der Kirchenverwaltung zu bekommen.
In den Jahren, als Teile von Hessen Calvinistisch wurden, wurde sowohl die Uni, als auch diese "Anstalt" in den Jahren 1625 bis 1649 geschlossen. Danach wurde mehrmals eine Neuordnung veranlasst. Eine der wichtigsten davon war, dass ab dem 19. Jahrhundert die konfessionelle Bindung an die evangelische Aufgehoben wurde. Es war auch die schwerste Zeit für das Studentenwohnheim, durch die Bindung an Preußen verlor die Stadt sowieso an Bedeutung, folglich durch mangelndes Interesse und seiner Baufälligkeit und den politischen Gegebenheiten der 1849-er Revolution wurde alles dicht gemacht für sehr lange Zeit.
Es gab einige "Wiederbelebungsversucher, doch das ändere sich erst 1946! Dieses Gebäude, das ehemalige Marstall an der Vorburg gelegen wurde erneut das Quartier bezogen.
Einiges hat sich seit der Gründungszeit (zum Glück) verändert. Sehr lange Zeit war es undenkbar gewesen, dass Frauen hier ein Platz bekamen... Eine von ihnen hat nett aus dem sprichwörtlichem Nähkästchen geplaudert...
Um einen Platz in diesem Haus zu bekommen, müssen sich die potentiellen Kandidaten vor einem Gremium, der aus einigen Bewohnern besteht, werden die potentiellen Bewohner auf die WG.-Tauglichkeit hin überprüft... Es geschieht in einem der ältesten Räume (s. Foto) statt, wo es noch eine historische Balkenkonstruktion und einen Kamin gibt. Die Räume, die die jungen Leute bewohnen könnte man in jedem Heim vorfinden - Regale, Bücher, PC etc. besitzt wohl jeder Student heutzutage...
Seit 1971 erfolgt die Verwaltung autonom, wie überall sonst muss auch hier für die Unkosten bezahlt werden, auch wenn es von vielen offiziellen aber auch wirtschaftlichen Seiten unterstützt werden. Doch in einem solchen (zum Teil zugigen) Gemäuer ist es schon etwas besonderes wohnen zu dürfen, das wurde von allen, mit denen wir uns unterhalten haben, bestätigt!
Auch wenn die Hessischen Stipendiatenanstalt oben neben der Burg liegt, sollte man es sich, auch wenn nur von außen, anschauen, es lohnt sich allemal![verkleinern]