Slowtravel und Slowfood im Oder-Spree-Land
Für einen Besuch des Biohofs am Jakobsweg muß man nicht nach Spanien reisen, er liegt in Brandenburg im Osten Berlins. Steinhöfel ist von der Hauptstadt in einer Stunde per Auto erreichbar, auch recht bequem mit Zug und Bus vom Ostbahnhof via Fürstenwalde. Der namensgebende Jakobsweg ist nicht die Adresse des Bauernhofs, sondern meint das europäische Jakobus-Pilgerwegenetz. Das Gehöft liegt an der Brandenburger Nordroute, die von Frankfurt/Oder über... weiterlesen
Berlin nach Tangermünde an der Elbe führt.
Ich stieß jedoch nicht beim Pilgern oder Wandern, sondern ganz profan beim Einkaufen auf diesen Bauernhof. An jedem Werktag steht sein Verkaufswagen auf einem anderen Berliner Markt, mittwochs auf dem Karl-Marx-Platz in Neukölln. Im Angebot sind ausschließlich Fleischwaren und Eier - aber was für welche! Genau gegenüber vom Marktstand befindet sich eine der bekanntesten Neuköllner Metzgereien, die mit der angeblich besten Blutwurst Berlins, nein, sogar Deutschlands. Doch die beiden Fleischerläden machen sich keine Konkurrenz, nicht nur wegen bio vs. konventionell. Der Bauer bietet ausschließlich Rind und Gans an, dazu Wild, wenn der Jäger welches erlegt hat. Einmal im Jahr, vor Ostern, gibt es auch Lamm vom Wanderschäfer.
Die Warenauslage machte auf mich einen guten Eindruck, und ich liebäugelte mit Rouladen, entschied mich aber zunächst für die außergewöhnlicheren Produkte. Jedes Jahr werden auf dem Steinhöfeler Hof tausend Gänse für den winterlichen Festbraten aufgezogen. Ein kleiner Teil wird am Saisonende zu Räucherbrust oder Wurst verarbeitet.
Gänsewurst ist eine seltene Delikatesse, also erwarb ich drei Sorten und probierte sie daheim gleich zum Lunch. Die Leberwurst überzeugt mit cremiger Konsistenz und feinem Geschmack. Die Salami ist mittelfein und durch ihren außergewöhnlich hohen Fleischanteil saftig und zart, und das Gänsefleisch verleiht ihr ein besonderes Aroma. Zwar bevorzuge ich bei Salami abgelagerte harte gegenüber der jungen weichen, aber diese hier ist ein Gedicht. Die Chiliknacker waren so gut, daß ich gleich beide auf einmal aß. Würze und Fleisch ergänzen sich perfekt, das Gans-Aroma wird von fruchtiger Feurigkeit untermalt, nicht übertüncht. Der Biß ist vollendet knackig, das Innere weder zu weich noch zu fest, und das Mundgefühl ist angenehm ohne jegliche Talgigkeit wie oft bei anderen Fleischsorten. Nächstes Mal werde ich das Rillette probieren.
Auf die Eier bin ich auch gespannt. Sie kommen von Zweinutzungshühnern mit geringerer Legeleistung als die üblichen Akkordhennen. Durch das langsame Heranreifen sollen die Eier besonders aromatisch sein. Nächste Woche steht Rind auf meinem Einkaufszettel. Der Biohof hält zwei besondere Rassen, die aus Schottland stammenden Highland- und Galloway-Rinder. Beide sind sehr robust und steht ganzjährig auf der Weide, nie im Stall. Die kompakten Highland-Kühe mit goldbraunem Wuschelfell, das in Zotteln über die Augen fällt, erinnern an Teddybären - wäre da nicht das ausladende Gehörn.
Nun freue ich mich auf meinen nächsten Einkauf beim Biohof am Jakobsweg. Hier werde ich bestimmt Stammkunde, nicht zuletzt wegen der sachkundigen Beratung des Mitarbeiters am Stand und seiner Herzlichkeit![verkleinern]