Dienstreisen sind ja sooo stressig.
Man reist an irgendeinen Ort, arbeitet von Sonnenaufgang bis Mitternacht, schafft es kaum, was zu essen und sieht nix.
So weit das Lamento der mir bekannten Dienstreisenden. Wenn ich sie vom Flughafen/Bahnhof abhole, erzählen sie mir erstmal genau das, während sie ihren schicken Trolley nebst einem Riesenbündel Einkaufstüten fallen lassen und sich lässig die Sonnenbrille auf den Kopf schieben.
In der dann folgenden Beschreibung der Dienstreisenhärten... weiterlesen
fallen dann jedoch immer wieder Halbsätze, die mich stutzig werden und mein Mitleid schwinden lassen. Wie z. B.:
"..aber ein Champagner wurde da gereicht, ich sag's dir.."
"..und da gab es eine ganz tolle Kirche.."
".. wußte gar nicht, daß Jakobsmuscheln wirklich so gut.."
"..und da geriet ich zufällig in ein megageiles Schuhgeschäft, guck mal.."
"..und als wir dann abends mit ein paar Leuten um die Häuser.."
Jammern auf hohem Niveau. Ich hasse das. Und ein bißchen neidisch bin ich auch, ich geb's zu. Denn meine eigenen Dienstreisen sehen da schon etwas anders aus.
Mich verschlägt es alle Jahre wieder in den Raum Hannover. Ich habe noch nie was gekauft. Ich habe gearbeitet und währenddessen einen angelieferten Döner oder Pizza gegessen. Außer ein paar Straßen von Hannover-Langenhagen und dem Weg nach Garbsen (aus dem Autofenster) habe ich nichts gesehen. Schade eigentlich. Aber Dienst ist Dienst, und Schnaps ist Schnaps.
Magere Ausbeute also bewertungstechnisch. Aber immerhin springt eine Bewertung unseres Übernachtungsquartiers dabei raus:-)
Der "Stelinger Hof" liegt (für mich gefühlt) irgendwo auf dem Acker; laut Beschreibung nahe am "Airport Hannover". In einem Landstrich mit ganz viel Gegend halt. Fluglärm konnte ich nicht feststellen.
Zum Glück aber auch keine im Morgengrauen krähenden Hähne, wie ich zuerst befürchtet hatte.
Das gastliche Anwesen ist etwas unübersichtlich und besteht aus einem prächtigen Herrenhaus (dem "Hotel Münkel", in dem wir leider noch nie untergebracht waren), einem schmucklosen Neubau, in dem sich unsere Zimmer befanden, und einem sehr urigen Fachwerkhaus-in letzterem sind die Rezeption, der Frühstücksraum und das Restaurant bzw. die "Bar" zu finden. Kamen wir zu später Stund aus der Arbeit gekrückt, nahmen wir bei gutem Wetter Platz im Biergarten oder hockten uns auf ein Absackerbier in die gastliche Stube. Ich muß immer an "Bauer sucht Frau" denken; das wäre eine gute Location für's Scheunenfest. Alles sehr rustikal, viel Gebälk und unermeßlich viel Kitschkram. Kunstblumen, gräßliche Messinglampen, widerlicher Puppenpüngel, entsetzliche Vasen, Augenkrebserreger in Zinn und sogar ein scheußlich gerahmter Alm-Öhi mit Pfeife an der Wand, der uns finster beäugte. Aber irgendwie trotzdem total anheimelnd.
Meine Zimmer waren bisher immer picobello sauber und von annehmbarer Größe. Das Mobiliar ist bäuerlich bis Ikea-like, der Alptraum jedes designaffinen Innenarchitekten, aber gemütlich. Die Bäder sind recht neu, mit schickem Waschbecken und komfortabler Duschkabine. Leichte Kritik an den Betten: Die sind ziemlich weich und knarzig. Und die schöne dicke Knuffelbettdecke ist bei kühlen Temperaturen angenehm, bei derzeitiger Sommerwärme allerdings eine Zumutung..Immerhin: Keine Plastikbettwäsche!
Das Bad ist vom Zimmer mit einer Milchglas-Schwingtür getrennt; die bietet insoweit lediglich Sichtschutz. Ich mußte an eine etepetetig veranlagte Freundin denken, mit der ich schon öfter ein Hotelzimmer geteilt habe und die mich auch bei perfekt schließender Badtür mit den Worten "Ich muß aufs Klo. Könntest du mal...?" täglich zu einem Spaziergang im Gelände genötigt hat..Wenn man alleine ist, kein Problem - ansonsten könnte dieses Detail eins sein.
Was mir auch immer nicht so gefällt, ist Teppichboden im Zimmer. Man darf nicht darüber nachdenken, wessen möglicherweise eklige Bar-Füße schon darauf rummarschiert sind-oder sollte Schlappen im Gepäck haben.
Ansonsten gab es aber nichts zu meckern, und nach fürstlichen Tiefschlaf, aus dem mich der zum Glück funktionierende "Wake-up-call" bisher immer pünktlich-unsanft gerissen hatte, steuerte ich den Verpflegungsbau an, um das Frühstück in Augenschein zu nehmen und meinen Chef zu treffen.
Das aufgebaute Büffet verdient den 4. Stern. Als eingefleischter Perversfrühstücker werde ich jedes Mal leicht hektisch ob der opulenten Auswahl. Das Angebot der Wirtin "Möchten Sie ein Rührei mit Speck oder ein Spiegelei? Könnte ich Ihnen grad frisch in die Pfanne hauen!" kam leider erst, nachdem ich mich mit ofenwarmen Brötchen, leckerem Zwiebelmett, Wurst, Käse, Tomaten mit Mozzarella, Mayonaiseeiern, hausgemachten Frikadellchen, Nürnbergern mit Speck und köstlichem Kuchen ausgiebig geatzt hatte; die ganze Orgie begleitet von einer Kanne Kaffee und diversen O-Säften, mit Blick auf einen schönen alten Kachelofen. Perfekt. Wenigstens doch ein kulinarisches Erlebnis auf Dienstreise. Auf den Dienst kann ich nach diesem Gelage natürlich regelmäßig gut verzichten und würde liebend gerne noch so 2-3 Stündchen Schlaf abreißen-aber nix; in gestrecktem Galopp ging's wieder zur Arbeit und schließlich heimwärts..
So ist das mit den Dienstreisen. Man kommt rum. Hurra, ich kenne Hannover!
So gesehen kenne ich auch Rom (Zwischenstop am Flughafen; wir mußten in der Maschine sitzenbleiben;-))
Aber auch freizeitorientiert würde ich im „Stelinger Hof“ jederzeit wieder absteigen. Trotz kitschigem Ambiente. Ist halt so auf dem Lande-und irgendwie paßt es da auch hin. Übrigens waren alle dienstbaren Geister des Hotels, die mir über den Weg liefen, sehr freundlich, zuvorkommend und um das Wohl der Gäste bemüht. Aber so kenne ich das von allen meinen Ausflügen ins "Nordische", das bei mir gefühlt ab Münster anfängt:-)[verkleinern]