Also, in die ganz verwegenen Läden im Touri-Hotspot der Colonia traue ich mich ja gewöhnlich nicht alleine. Da muss dann schon der etwas schreckhafte Kollege aus Dortmund als Geleitschutz herhalten. Es soll ja schließlich Freude bereiten ;-)
Man kredenzet Gaffel Kölsch - bedienungsfreundlich im 0,4l Gebinde zu ordern, sowie König Pilsener - alles recht nah am Eichstrich gezapft. Desweiteren stünden Schneider Weizen und Malzbier sowie Weine, Spirituosen und Anti-Alk in nicht allzu... weiterlesen
überschäumender Auswahl bereit. Man sitzt kommod am Fenster mit Blick auf den Alter Markt.
Die Räumlichkeit bietet Platz für 130 Gäste und ist so ziemlich bis auf den letzten Quadratzentimeter mit Jahrhundertwende- bis 20er Jahre-Dekor versehen. Neben etlichen Musikalien befindet sich auch ein Bildnis Sr. Allerhöchsten Majestät an Bord. Die Empore bietet einen guten Überblick, so man denn Platz findet. Über eine steile Kellertreppe nähert man sich hingegen den Aborten, die sich dank anwesender - tunlichst zu entlohnender - Pflegekraft in einem Zustande befinden, der weiß Gott nicht überall in der Altstadt anzutreffen ist.
Spezialität des Hauses sind etliche museale Automaten, von denen einige 'wie von Geisterhand' echte Musikinstrumente bedienen - unter anderem sind hier die lebensgroßen kölschen Kultfiguren Tünnes (Basstuba) und Schäl (Akkordeon) hinterm Tresen aktiv. Dies zum Glück nicht als Dauerbeschallung, denn die dabei entstehende Lautstärke ist enorm und das abenteuerliche Repertoire dem Dekor des Hauses angepasst. Wer über entsprechende Nervenstärke verfügt (also nicht wir) kann gegen Münzeinwurf von einem mehrseitigen Wunschzettel so Sachen wie Fiesta Mexicana, Alte Kameraden oder Skippy das Buschkänguru ordern.
Wie das junge, meist aufmerksame und stets freundliche Hauspersonal mit so etwas zurecht kommt, bleibt rätselhaft. Grundsätzlich ist im Klimperkasten jedenfalls die Anschaffung eines selektiven Gehörs, wahlweise eines besonders grobgestrickten Nervenkostüms anzuraten. Aber wir wollen nicht allzu feuilletonistisch werden. Das Lokal ist ein liebevoll gepflegtes Unikum und hier allemal wertvoller als eine weitere seelenlose Mampfbude oder Sektbar. 'Erlebnisgastronomie' - siehe Webseite des Hauses - trifft es jedenfalls exakt. Und zur schönen Jahreszeit kann man ja dann auf den Außenbereich ausweichen, der 150 weiteren Gästen Raum bietet. Dann gibt's wahrscheinlich auch den vierten Stern.
Ach so, den per ausliegendem Programmheft annoncirten Livesound gibt's im anderen Papa Joes. Aber jetzt sitzen wir hier so tadellos placirt und gönnen uns erstmal noch eine Stärkung in Gestalt der vorzüglichen und angenehm dezent verschärften Gulaschsuppe. Für die anderen deftigen Spezialitäten à la Brauhaus-Teller fehlt es an Appetit. Es gäbe freilich auch noch Kleinigkeiten wie Würstchen, Käsebrot, Salate oder Kuchen. Und für arglose Touris auch noch Souvenirs: die Best-of-CDs oder der Hauslikör 'Schmitz Doctor' wären hier zu nennen.
Nach genossener Stärkung taten wir es dann jedoch den zuvor durchs Fenster beobachteten und bekicherten schwankenden Gestalten gleich. Und drangen sogar noch tiefer in die Altstadt vor, wo noch niiee ein Mensch zuvor... Fortsetzung in Bälde.
Update 22. und 23. 10.2016
Das Feuilleton ist entsetzt: automatisches Akkordeon verschleppt die Tempi, Repertoire infantil, Publico ohne jede Contenance. Kurz: ein Bombenabend in allervortrefflichster weiblicher Begleitung. Rückkunft daheim gegen drey Uhr am Tag des Herrn.. Sternen-Upgrade logisch zwingend.
Mit freundlichen Grüßen, Sir Thomas[verkleinern]