Irgendwann ist es so weit: man bezahlt die hohe Lebenserwartung mit einer Rückentwicklung in die Unselbständigleit des Kleinkinds. So ist es bei unserer Oma. Nach vier Stürzen im letzten Vierteljahr, jeweils mit Rettungswagen- und Notarzteinsatz, bestand Einigkeit, dass eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung erforderlich ist. Die Familie kann das nicht leisten.
Was tun? Sollte man sie im Alter von 94 noch aus ihren eigenen vier Wänden in ein Pflegeheim „umpflanzen“? Problematisch - der Zeitpunkt... weiterlesen
dafür war eigentlich schon verpasst. Der schon seit längerem mehrfach am Tag vorbei schauende Pflegedienst empfahl dies Unternehmen. Der Name irritierte uns, weil wir dabei spontan an eine Art Babysitter-Agentur dachten. Das macht der Oma-Hilfsdienst auch, aber der Schwerpunkt liegt wohl bei der Seniorenbetreuung. Vermittelt werden rechtlich selbständige Personen, die dann in die Wohnung des oder der zu Betreuenden einziehen und sich im Rhythmus von etwa 2 Wochen abwechseln.
Wir riefen an, bekamen die Telefonnummer einer Dame, kontaktierten sie und verabredeten uns für den nächsten Vormittag mit ihr. Es war klar, dass wir sie eilig brauchten. Trotzdem dachten wir, es würde zunächst nur ein Kennenlerngespräch geben. Aber sie hatte ihren Koffer dabei und blieb gleich. Es war toll zu erleben, wie liebevoll sie sich um die gute Alte kümmerte und wie handfest sie den Haushalt organisierte.
Inzwischen hat sich der erste Wechsel vollzogen. Auch die zweite Dame wirkt sehr patent, zugewandt, einfühlsam und erfahren.
Den organisatorischen Ablauf empfanden wir als völlig unproblematisch. Das schriftliche Vertragsangebot bekamen wir erst, als die Betreuung schon ein paar Tage lief. Enthalten waren so wenige Bestimmungen, dass wir es postwendend unterschrieben zurücksenden konnten. Auch der beigefügte Fragebogen, der dazu dient, den Betreuungsbedarf und die damit verbundenen Kosten zu ermitteln, beschränkte sich auf nur eine Seite. Darauf waren auch Angaben zur Unterbringung der Betreuungsperson zu machen. Bei Oma gibt es zum Glück ein Gästebett in einem Kämmerchen.
Wenn jemand fremdes sich so ununterbrochen einer Person zuwendet, dann muss das selbstverständlich angemessen honoriert werden. Wir haben das Glück, dass unsere Oma und ihr längst verstorbener Mann schon gleich nach der Währungsreform damit anfingen, für ihr Alter zu sparen. Sie hatten einen kleinen Textilwarenladen und hätten wegen der wachsenden Konkurrenz durch Einkaufszentren und Discounter schon ab den 70er Jahren keine Rücklagen mehr bilden können. Wir Erben gönnen der guten Alten, dass sie die Ersparnisse jetzt mit dem verbraucht, für das sie gedacht waren, aber es ist ein finaler Countdown zwischen Lebenserwartung und Sparbuch. Die monatlichen Kosten werden 4.000 € übersteigen. Kostenübernahme durch die Pflegeversicherung wird es nicht geben.
Wer so soetwas für einen Angehörigen wünscht, muss sich darüber im Klaren sein, dass es um persönliche Fürsorge und Hilfe bis hin zur Körperhygiene geht, und um die Versorgung des Haushalts. Pflegeleistungen im medizinischen Sinne können und dürfen nicht von den Betreuern erbracht werden. Auch zu unserer Seniorin kommt weiterhin der Pflegedienst, allerdings konnte dessen Leistungsumfang deutlich reduziert werden.[verkleinern]