Tübingen präsentiert sich stets ökologisch korrekt. Hier wird von der Wiege bis zur Bahre stets auf CO2-Bilanzen geachtet. Die Kleinsten werden im Hightech-Kinderwagen durch die Gegend geschoben. Kaum dem Krabbelalter entwachsen, werden die Kinder in Fahrradanhängern deponiert, oder steigen auf Laufräder um, mit denen man durch die Wohnstraßen torkel-kullern kann. Später folgt dann ein eigenes Fahrrad… oder eine Busfahrkarte für den Tübinger Stadtverkehr.
Die zu den Stadtwerken gehörenden... weiterlesen
TÜBusse kutschieren tagtäglich Massen von Schülern, Studenten, Pendlern und Rentnern durchs Örtle und die Randbezirke. Auch ich fahre täglich Bus. Acht Minuten von Zuhause bis Büro sind einfach unschlagbar. Mit dem Auto brauche ich auch nicht wesentlich weniger, zumal ich die Ampelphasen nicht beeinflussen kann. Zumindest wüsste ich noch nicht, wie. Das ist ziemlich praktisch, aber außer mir haben das noch andere Leute bemerkt. Viele andere Leute. Sehr viele. Ganz ganz viele.
Vor allem zu Stoßzeiten (Vorlesungsbeginn, Yoga-Stunde in der Unisporthalle, Schule aus) gerät die Fahrt häufig zu einer Mischung aus Presspassung und Konservendose. Besonders im Sommer wiederholt man im Geiste häufig einen netten Spruch… „Es gibt Menschen, die lieber baden als duschen. Es gibt Menschen, die lieber duschen als baden…. Und es gibt die Menschen, die neben mir im Bus sitzen müssen.“ Olfaktorische Eingangstests sind auch auf längere Frist noch nicht geplant und so muss man dieses Leid wohl ertragen. Gott sei Dank ist der Sommer hierzulande ja doch zeitlich arg begrenzt.
Während der normalen Betriebszeiten sind die Taktfrequenzen der Busse erstaunlich hoch. So komme ich im Normalbetrieb alle sieben Minuten mit dem Bus nach Hause. Ein Bus kutschiert mich bis etwa 100m vor die Haustür, beim anderen Bus muss ich gute drei Minuten laufen. Das alles könnte so schön und so praktisch sein… gäbe es da nicht diesen leidigen Ferienfahrplan. Kaum klingelt der Pausengong in der nahen Grundschule zur letzten Stunde vor den Sommerferien, stellen die Tübinger Stadtwerke von Fahrplan auf Sparplan um. Die schöne Taktung ist futsch, ich komme nur noch alle halbe Stunde Richtung Büro… und vom Büro heim fährt nur noch alle 15 Minuten ein Bus. Klingt harmlos, nervt aber gewaltig. Die Taktung ist so exorbitant blöd gewählt, dass ich Anschlusszüge am Bahnhof immer um exakt ein oder zwei Minuten verpasse. Also eine halbe Stunde früher los… oder auf den nächsten Zug warten. Der Ferienspar… äh… fahrplan dauert im Sommer sechs Wochen und zieht sich von Weihnachten bis Heilige Drei Könige.
Trotz hoher Taktung sind die Verspätungen oft heftig. Gelegentlich erscheint ein Bus einfach nicht. Dafür trudeln eine halbe Stunde später drei Busse gleichzeitig ein und steuern ihr Ziel in Kolonne an. Das kann ziemlich nerven… Insbesondere im Winter bei -10 Grad. Mein absolutes Feindbild sind und bleiben allerdings die auf den Anzeigetafeln so nett als „Witterungsbedingte Störungen auf den Bergstrecken“ deklarierten Totalausfälle. Gibt es hier eine Nichtbergstrecken-Strecke?! So hat man auch schon so manchen Winter eine fluchende Jul gen Lustnau laufen sehen. So bleibt man wenigstens warm und klappert sich nicht an der mit Optimisten völlig überfüllten Haltestelle die Zähne raus.
Leider lässt auch die „moderne“ Sitzverteilung in den Bussen inzwischen sehr zu wünschen übrig. Da werden Sitzplätze durch ein sinnbefreites Metallgestell ausgetauscht, auf drei Metern hinterem Busabteil finden sich zwei Doppelflügel-Ausgangstüren, aber dafür keine Sitze mehr. Längs angebrachte Pygmäensitze auf drei unterschiedlichen Höhen mögen zwar ulkig aussehen, aber die Besteigung bei voller Fahrt oder Gas-Bremse-Fahrstil gestaltet sich ein wenig abenteuerlich.
Vielleicht ist das aber auch alles Absicht und soll die bessere Kommunikation der Bürger untereinander stärken. So findet der wütende Mob bei zehn Grad unter Null immer ein Gesprächsthema und ein gemeinsamer Volkswandertag hat auch noch nicht geschadet. Wenn ich beim Versuch, mich auf den Längssitzen niederzulassen Dank rustikalem Bremsmaneuver auf dem Schoß des Nebensitzers lande, führt das ja vielleicht auch zu einem Gespräch.
Liebe Stadtwerke Tübingen,
Ihr habt entweder wirklich tolle Psychologen…. Oder stellenweise eine miese Planung. Das können wir uns jetzt aussuchen. Hoffen wir auf das erste. Von daher gibt es drei Sterne. Mehr ist nun wirklich nicht drin.[verkleinern]