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Was hat sich der Künstler bloß dabei gedacht?! Erneut hat es sehr lange gedauert, bis ich den Hintergrund dazu gefunden habe. Nicht zum ersten mal, musste ich erkennen, dass die Angaben aus dem Netz sich bei genauer Betrachtung als ein „Irrweg“ herausstellen. Bei Besuchen von Städten, die nicht im eigenen „Einzugsgebiet“ gehören, kann man nicht „mal eben“ sich bei einer öffentlichen Stelle erkundigen oder es vor Ort herausfinden zu können. Der einzige Verweis hinterher war einer bezüglich der... weiterlesen Adresse und eine Vermutung bezüglich der Bezeichnung der Skulptur. Tja, leider hat sich mit der Zeit auch diese Angabe als nicht zutreffend erwiesen! Da konnte ich noch lange nach „Skulptur Mensch“ suchen, denn dieses Objekt ist der Pädagogin Ottilie Hoffmann gewidmet. Das habe ich aber ebenfalls nach recht langer Recherche herausgefunden. Auf einer offiziellen Seite mit den Kunstwerken im öffentlichen Raum entdeckte ich zuerst ein anderes Werk des Ausführenden Bildhauers - Jürgen Cominotto, die ein recht ähnliches Aussehen aufwies. Die Verbindung zwischen den Rundungen und dem eckigen Oberflächenverlauf scheint ein „Erkennungszeichen“ von ihm zu sein. Dieser Eindruck ist wenigstens bei mir entstanden, als ich die Darstellungen miteinander verglichen habe.
Das Orstertorviertel ist einer, in der ich einige sehr schöne Ecken entdeckt habe, als ich mich spontan entschlossen habe es zu erkunden. Diese Skulpturengruppe war eine der ersten unter ihnen. Bereits bei Betrachten hatte ich nicht sagen können, ob ich mehr verwirrt bin oder was sich dahinter verbergen soll. Das ist schon dadurch zu erklären, dass es gar keine der bisher erwähnten Hintergründe dort vorfindbar ist! Bei einer Auftragsarbeit, wie dieses es ist, wäre es nicht nur wünschenswert, sondern es könnte auch einen direkten Bezug zum Stadtteil / der „Auftraggeberin – einem Verein und vor allem auf Ottilie Hoffmann werden können. Diese Punkte sind schon als wichtig zu bezeichnen, denn sie haben alle mehrere Berührungspunkte, die ich erst in den letzten Tagen mitbekommen habe.
Aus meiner Sicht ist es, im Gegensatz zu Cominotto, dass es ersichtlich sein soll, dass man „assoziativ“ auf die „richtige“ Idee kommen kann: es ist eine Mahnung gegen Alkoholismus. Dargestellt soll ein (schwankender) Mensch, dem geholfen wird. Da aber es sich eher um ein abstraktes Werk handelt, ist es eine mögliche „Lesart“, die dennoch (wie erwähnt) einen Betrachter vor etliche Fragen stellt!
Im 19. Jahrhundert als Bremen einen großen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt hatte, wurden viele Kräfte benötigt, die das ganze am „laufen“ hielten. Bei etlichen von ihnen war die Not groß, sodass die finanziellen und räumlichen Sorgen mit billigem Fusel „betäubt“. Wenn man sich die Beschreibungen der Zustände liest, hat es einen recht tristen Eindruck auf mich hinterlassen. In den Mietskasernen gab es raue Sitten, die die allgemeinen Umstände verstärkte und zugleich sich auf die Leben der betroffenen negativ prägte.
Der damit verbundene Missbrauch hat eine „Spirale“ in Gang gesetzt, die häufig mindestens in (schlimmen) Unfällen verbunden mit etwaigen Verletzungen / Invalidität bis zum (frühem) Tod und noch mehr leid / Not endete! Von der amerikanischen Abstinenzlernbewegung wird reichlich berichtet, doch auch in Europa gab es vergleichbare Vereine, die von engagierten Frauen, wie hier in Bremen, von Ottilie Hoffmann und die Schriftstellerin Marie Mindermann den „Verein zur Erweiterung des weiblichen Arbeitsgebiets“, später Bremer Frauen-Erwerbs- und Ausbildungsverein ins Leben gerufen. Gleichzeitig ist es der Vorläufer des 1900 gegründeten deutschen Frauenbundes gewesen. Die tatkräftigen Frauen eröffneten Kaffeestuben, die die Bevölkerung vom Alkohol mit seinen Auswirkungen fern zu halten. Solange man sich an die Regeln hielt, konnten diese Leute Kaffee zu trinken und eine Kleinigkeit zu essen bekommen. Zuerst ab 1891 waren diese Einrichtungen vor allem im Hafengebiet eröffnet, später auch in weiteren Stadtteilen auch.
Der 1924 umbenannter „Deutscher Frauenbund für alkoholfreie Kultur“ existiert bis heute. Deren Gründerin Ottilie Hoffmann wurde für diesen Engagement auch außerhalb Deutschlands bewundert und es führte dazu, dass es ebenfalls im In- und Ausland zur Bildung von vergleichbaren Einrichtungen führte, so groß war die Anerkennung, die man ihr anrechnete. Als selbst der Kaiser Wilhelm II. 1903 davon erfuhr, wurde sie mit dem Frauenverdienstkreuz in Silber ausgezeichnet und sogar darüber hinaus eine Audienz bei der Kaiserin Auguste Viktoria! Eine besondere Ehre, die im frühen 20. Jahrhundert nicht so häufig gewährt wurde!
Vor diesem Hintergrund ist es schon verständlich, dass der besagte Frauenverbund ein „Zeichen“ setzen wollte, das an ihre Gründerin erinnert. Nach einer Ausschreibung wurde eben der Entwurf von Jürgen Cominotto gewählt, der den Entscheidungsträgern am besten gefallen hatte. Die Auftragsvergabe erfolgte 1985 aber am Ostertorsteinweg ist es erst 2 Jahre später gekommen. Die beiden Figuren stehen ein wenig erhöht und der Untergrund ist der selbe, wie der Fussweg auch, der mit kleinen Pflastersteinen versehen ist. Der Aufstellungsort wurde bewußt ausgewählt, weil in etwa dort, wo das Café im Hintergrund zu sehen ist, gab es eine der ersten Anlaufstellen für die besagte Zielgruppe. Es ist das ein besonderer Zusammenhang, der sich leider mir vor Ort nicht erschlossen hatte. Wenn ich ehrlich sein soll, auch trotz des bisher beschriebenen, tue ich mich mit dem ganzen ziemlich schwer… Erneut kann ich mich mit dieser zeitgenössischen Abbilung nicht „anfreunden“. Wie mehrmals erwähnt, es kommt eher selten vor, dass es (vor allem wenn es eher als abstrakt gewertet werden kann) mir gefällt. Aufgrund der Historie, die damit verbunden ist, erscheinen mir dennoch 2 Sterne angemessen. Man muss meine Ansicht nicht teilen![verkleinern]