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Koreanisches Kulturzentrum
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Mehr als Kimchi, Samsung und K-Pop
Auf der Achse Brandenburger Tor - Potsdamer Platz sitzt das Koreanische Kulturzentrum an einer prominenten Adresse inmitten von Konzernzentralen, Stiftungen und Lobby-Organisationen. Von hier aus unterstützt Südkorea seine Politik und Wirtschaft mit "cultural & culinary diplomacy". Die deutsch-koreanischen Beziehungen reichen ins 19. Jahrhundert zurück, und ab der politischen Teilung Koreas nach dem Zweiten Weltkrieg fühlte Südkorea sich der BRD wegen des ähnlichen Schicksals besonders verbunden. Der Kulturaustausch gestaltet sich heute von Seoul und Berlin aus recht unterschiedlich.
Anders als Thailand und Vietnam, aber auch anders als China und Japan ist Korea für Deutsche weder eine beliebte Urlaubsdestination noch ein berufliches Karriere-Sprungbrett. Daher werden koreanische Sprachkurse nicht so nachgefragt, obwohl Aussprache und Schrift leichter zu erlernen sind als Chinesisch oder Japanisch. In Deutschland wird Koreanisch nur an sechs Universitäten unterrichtet, und in Berlin bietet das Koreanische Kulturzentrum eine gute Möglichkeit, diese Sprache systematisch zu erlernen. In Korea hingegen wird mehr Deutsch gelernt, auch mit dem Ziel bei uns zu studieren, beispielsweise Musik. Daher wird die Bibliothek des Berliner Kulturzentrums mit über 9000 Werken gern von hiesigen Koreanern genutzt.
Nach dem großen Erfolg Japans, das sich mit seinem Motto "Japan cool" in den 2000er Jahren weltweit vermarktete, eiferte Korea dem östlichen Nachbarn nach und erfand sich fürs Ausland neu als Nation von Beauty, Pop und Streetfood. Das Konzept war äußerst erfolgreich, und seitdem werden selbst im Land von Bollywood Kühlschränke und Autos mit dem Image von Seifenoperngrazien und Boygroup-Idolen bestens verkauft.
Korea hat wie Japan eine tiefgreifende Transformation von einer ländlichen, traditionellen Gesellschaft zu einer modernen durchlaufen. Was Japan in über hundert Jahren vollzog, passierte in Korea im Zeitraffer. Beide Länder haben ihr reiches Kulturerbe bewahrt, unter anderem durch die Ernennung von Künstlern und Kunsthandwerkern zu lebenden Nationalschätzen. Manches davon wird auf Tourneen im Ausland präsentiert, auch im Koreanischen Kulturzentrum zu Berlin.
Das zwischen dem schon immer großen China und dem lange abgeschotteten Japan gelegene Korea ist weit mehr als Mittler und Mischung zwischen den beiden starken Nachbarn, es hat seine ganz eigene alte Kultur bewahrt. Wie beispielsweise Pansori, nur sparsam von einer Trommel begleitete Balladen, der "Blues von Korea". Sicherlich zählt der virtuose Frauengesang zu den außergewöhnlichsten Musikgenres der Welt: der Ausdruck der Stimme rangiert von dunkelkehlig-rau bis schnatternd-zwitschernd, die Sängerin gestikuliert mit einem Fächer, der am Boden sitzende Mann schlägt die zweifellige Trommel klackklack-bumm! und ruft gelegentlich ho! Solche unvergeßlichen Klänge und Szenen bringt das Koreanische Kulturzentrum nach Berlin. Weitaus populärer ist die westliche klassische Musik, daher geben Preisträger der heimischen Wettbewerbe, die vielleicht morgen Weltstars sind, hier ihre ersten Konzerte in der Heimat von Bach und Beethoven.
Einmal jährlich finden Kulturtage mit Mini-Workshops statt: Kimchi, Kalligraphie, Knotenkunst etc. Zwar sind die Plätze für die Schnupperkurse im Handumdrehen ausgebucht, doch auch so macht es Spaß, bei einer Runde durch das Zentrum zuzuschauen. Das Publikum ist eine bunte Mischung aus deutschen Kimchi-Liebhabern, K-Pop-Fans, Design-Aficionados sowie Bildungs- und Reisehungrigen und der koreanischen Community von Berlin - offen, locker, herzlich. Die Veranstaltungen des Koreanischen Kulturzentrums lohnen sich für alle an Asien Interessierten.
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Arbeitsgemeinschaft Traditionsbus Berlin
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Sie laufen und laufen und laufen
Wer Bus oder Bahn fährt, tut das meist aus schierer Notwendigkeit, um von A nach B zu kommen. Nur ausnahmsweise nimmt man zum Vergnügen in einem Vehikel Platz, um die Landschaft oder das Fahrzeug selbst zu genießen, etwa in einem Zug mit Dampflok oder gar im Orient Express, gegen lots of cash, versteht sich. Oder man kommt nach Berlin, wo der Traditionsbus fährt! Und zwar gegen little cash, denn Berlin ist ja arm aber ... - na, Ihr wißt schon.
Die Arbeitsgemeinschaft Traditionsbus Berlin (ATB), heute eine GmbH und im Besitz einer Flotte von etwa fünfzig Bussen, allesamt ehemalige Linienfahrzeuge der BVG West (Berliner Verkehrsbetriebe), geht auf drei Autobus-Enthusiasten zurück, die 1989 ihren ersten ausrangierten BVG-Bus kauften und restaurierten. Innerhalb weniger Jahre entstand eine eingeschworene Gemeinschaft, deren Ziel es ist, sämtliche Bus-Modelle der Nachkriegszeit zu kaufen und konservieren. Der Unterschied zu anderen Sammlungen wie dem betriebseigenen Archiv der BVG oder dem Verkehrsmuseum im Deutschen Technikmuseum zu Berlin ist, daß diese Busse fahrfähig aufbereitet und tatsächlich eingesetzt werden. Das ist also nicht nur ein bißchen Lack drauf, das ist eine ganz andere Hausnummer!
Mittlerweile besitzen fünfzehn der in Eigenarbeit restaurierten Fahrzeuge eine Lizenz zur Personenbeförderung. Das ist eine respektable Leistung, denn die ATB finanziert sich ausschließlich durch Fahrschein-Einnahmen und Gelder der beteiligten Privatpersonen, ohne öffentliche Zuwendungen oder Sponsoring.
Ist eine Fahrt mit einem Oldtimer-Bus dann teuer? I wo, überhaupt nicht! Die ATB-Busse verkehren im Sommer zusätzlich zu regulären Linienbussen auf ausgewählten Touristen-Strecken zum normalen BVG-Tarif. Außerdem werden sie bei besonderen Gelegenheiten eingesetzt wie voriges Jahr beim 100. Jubiläum des Westhafens. Da habe ich gerne eine Stunde angestanden, um mit dem Doppeldecker Bj. 1972 eine Runde durchs Terrain zu drehen. Das Feeling auf den gepflegten weichen Polstern inklusive Motorengeratter und Dieseldunst verlieh dem ohnehin tollen Blick hinter die Kulissen eine besondere Note.
Die ATB veranstaltet mehrmals im Jahr Sonderfahrten, die Termine stehen in der Broschüre auf der Website. Liebhabern des Festival of Lights sei eine Fahrt mit einem historischen Doppeldecker empfohlen: im Vergleich zu den anderen Anbietern doppelter Genuß, aber längst nicht doppelter Preis. Meine Fahrt 2020 war eins meiner schönsten Berlin-Erlebnisse überhaupt. Drei Stunden mit mehreren Fotopausen und einer Stadtführung, die informativ wie unterhaltsam war. Busfahrer, Kassierer und Führer trugen historische BVG-Outfits der 1950er, aber das war keine routinierte Touri-Show, sondern nur das i-Tüpfelchen. Nach der Fahrt konnte ich mit vollem Herzen sagen: Berlin, ick liebe dir!
Für alle Oldtimer-Fans und Bus-Spotter: es gibt nichts Besseres in Berlin! Und wenn Ihr mit den netten ATB-Leuten fahrt, fragt sie mal: "Was bringt Privatleute dazu, sich eine ganze Flotte von Autobussen zuzulegen und noch dazu einen Großteil ihres Vermögens darin zu investieren?" (Zitat von der Homepage) Spannend, nicht wahr. Ich sage jedenfalls: Tausend Dank!
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Berlin summt - Stiftung für Mensch und Umwelt
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Wie süß, Berlin ist Honig-Hauptstadt!
Honig aus dem Supermarktregal, importiert aus China oder Südamerika - das muß in Berlin nicht sein. In der Hauptstadt gibt es 2000 Imker, zu drei Vierteln im Deutschen Imkerbund organisiert - im Bundesland Brandenburg gibt es gerade mal doppelt so viele. Die erstaunlich hohe Dichte an Bienenvölkern liegt teils an den vielen blühenden Grünflächen in der Stadt, teils an der Berichterstattung über das weltweite Bienensterben sowie an der Initiative "Deutschland summt".
Das 2010 gegründete Programm fördert die Artenvielfalt in den Städten, insbesondere alles, was da summt, brummt und bestäubt, also Bienen, Wespen und Hummeln. Städte bestehen nicht nur aus Beton und Asphalt, tatsächlich herrscht hier mehr Biodiversität als in ländlichen Gebieten mit Monokultur und massivem Einsatz von Agrarchemie. Viele Menschen unterschätzen die Bedeutung des Stadtgrüns als Biotop. Daher klärt "Deutschland summt" auf: weg mit Schottergärten und englischem Rasen, weniger nektar- und pollenlose Zierblüten in Gärten und auf Balkons, dafür mehr einheimische Flora. Praktisches Knowhow wird bei kostenlosen Vorträgen und Workshops vermittelt.
An der deutschlandweiten Initiative beteiligen sich einige der größten Städte, aber längst nicht alle, und die mittelgroßen Städte fehlen fast ganz. Dabei stehen alle Städte wegen des Klimawandels unter Druck, das öffentliche Grün resilient umzugestalten. Viele der angestammten Straßen- und Parkbäume, die unter Hitze und Dürre leiden, könnten durch blühende Arten ersetzt werden. Profiteure des verbesserten Stadtgrüns sind die Honigbienen (Apis mellifera), denn sie ernähren sich vom Nektar verschiedenster Pflanzen und haben ein sicheres Zuhause. Die Verlierer der bisherigen Entwicklung sind die Wildbienen wie Erdbienen, die immer weniger Flächen für ihre Wohnungen finden. Außerdem sind viele Bienenarten auf wenige Pflanzen spezialisiert, die immer seltener werden.
In Berlin werden Bienen nicht nur in den grünen Vororten gehalten, sondern mitten in der City auf Dächern. Auch Sehenswürdigkeiten wie der Berliner Dom und das Deutsche Technik-Museum sind darunter. Hier verkauft "Berlin summt" den Honig der Hauptstadtbienen, um die Idee der insektenfreundlichen Gestaltung von Gärten, Dächern und Balkonen zu propagieren. Im Sommer und Herbst sind die heißbegehrten Gläschen im Dom und DTM erhältlich - ein originelles Hauptstadt-Mitbringsel für Schleckermäuler.
Natürlich habe ich den Honig schon probiert und verschenkt. Die Sommertracht ist von den berühmten Berliner Linden dominiert, also ein heller lieblicher und feinaromatischer Honig. Nicht nur lecker, obendrein mit einer interessanten Story: das kommt gut an.
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Märkisches Landbrot
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Neuköllner Stullenglück
In einer Millionenstadt wie Berlin wird eine Menge Brot gegessen, dementsprechend viele Hersteller, Verkaufsstellen, Brotsorten und Stile gibt es. Die Multikulti-Stadt bietet neben den einheimischen Bäckereien auch orientalische, französische, kanadische, sogar japanische - die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Außerdem gibt es alteingesessene Familienunternehmen und junge Startups, natürlich auch bio, vegan und glutenfrei, und ständig eröffnen Läden, die versuchen, mit Backkreationen wie Cronuts und Croffles eine neue Nische zu erobern.
Solche Moden kommen und gehen, das Märkische Landbrot bleibt. Gegründet wurde die Bäckerei 1930 in Berlin-Neukölln, wo sie immer noch ihren Sitz hat. Schon 1981 wurde die Produktion vollständig auf bio umgestellt, heute kommen fast alle Zutaten aus regionalen Demeter-Betrieben. Energieeffizienz und Klimaschutz wird schon lange berücksichtigt, die erste Solaranlage wurde vor 20 Jahren installiert. Aber das Unternehmen wird nicht nur ökologisch, sondern auch sozial verantwortungsvoll geführt. Und 2021 wandelte der Eigentümer seine Firma in eine Stiftung um, die Gewinne verbleiben nun als Investitionsmittel im Betrieb.
Das Märkische Landbrot ist die größte Bio-Bäckerei Berlins, aber vielleicht nicht die bekannteste. Es hat nämlich keine eigenen Läden, über denen groß der Name prangt, sondern die Backwaren werden in Bioläden verkauft oder an Großabnehmer geliefert. Die Angebotspalette läßt keine Wünsche übrig, sie umfaßt 33 verschiedene Brote sowie ein gutes Dutzend Sorten Brötchen und Kleingebäck. Darunter sind einige außergewöhnliche Rezepturen wie Essener Brot mit gekeimtem Getreide oder welche mit alten Getreidesorten wie Emmer.
Brot habe ich schon immer gern gegessen: ein simples Butterbrot kann ein Hochgenuß sein - wenn die Zutaten gut sind. Deshalb muß mein Brot bio sein und am liebsten Märkisches Landbrot, hier stimmen nämlich Geschmack, Qualität und Preis. Meine Favoriten sind das würzige Waldviertler mit seiner dicken Kruste, das aromatische Haselnußbrot und im Winter das fruchtige Apfelbrot.
Diese Bäckerei ist außerdem ein Stück Neuköllner Heimat (sagt die Zugewanderte), und seit der Betriebsführung vorigen Herbst weiß ich auch, wo und wie mein Brot hergestellt wird. Die Führungen, buchbar via Internet, sind eine tolle Sache für alle, die sich für Brot und Lebensmittel interessieren.
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Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
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Lebendiger Geist in altem Gemäuer
Bei "Akademie der Wissenschaften" denken die meisten an einen Altherrenclub im Elfenbeinturm, Zutritt erst ab Promotion und mit ergrauten Schläfen. Dieses Klischee trifft auf die BBAW überhaupt nicht zu, ganz im Gegenteil. Das imposante Gebäude am Gendarmenmarkt ist Sitz eines mächtigen Wissenschaftsbetriebs mit beachtlicher Historie, dort finden aber auch viele öffentliche Veranstaltungen zu aktuellen Themen und bei freiem Eintritt statt. Junge Wissenschaftler werden besonders gefördert, deswegen geht es bei Veranstaltungen auch gar nicht steif zu, und der Dresscode ist eher Jeans mit Sneakers als Nadelstreifen mit Budapestern.
Der Höhepunkt im Akademiejahr ist der Salon Sophie Charlotte im Januar, eine Leistungsschau der deutschen Wissenschaften. Einen ganzen Abend lang bis Mitternacht finden vom Keller bis zum Dach so viele tolle Veranstaltungen statt, daß man sich am liebsten dreiteilen würde. Vorträge, Experimente, Ausstellungen und Performances über ein Jahresthema mit vielen Top-Wissenschaftlern, die man sonst nur aus Zeitung und TV kennt, hier live und für Fragen offen. Dazu Speis und Trank, außerdem der BBAW-Chor mit musikalischen Darbietungen von Bach bis Beatles im Treppenhaus unter der Rotunde.
Die Akademie will damit an die Berliner Salonkultur anknüpfen, und das gelingt ihr Jahr für Jahr bestens. Der Laden brummt, die Stimmung ist super - und ich rede hier nicht vom Oktoberfest, sondern von Wissenschaft! Diese Akademie der Wissenschaften ist wirklich ein Juwel in der deutschen Forschungslandschaft.
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Biohof am Jakobsweg
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Slowtravel und Slowfood im Oder-Spree-Land
Für einen Besuch des Biohofs am Jakobsweg muß man nicht nach Spanien reisen, er liegt in Brandenburg im Osten Berlins. Steinhöfel ist von der Hauptstadt in einer Stunde per Auto erreichbar, auch recht bequem mit Zug und Bus vom Ostbahnhof via Fürstenwalde. Der namensgebende Jakobsweg ist nicht die Adresse des Bauernhofs, sondern meint das europäische Jakobus-Pilgerwegenetz. Das Gehöft liegt an der Brandenburger Nordroute, die von Frankfurt/Oder über Berlin nach Tangermünde an der Elbe führt.
Ich stieß jedoch nicht beim Pilgern oder Wandern, sondern ganz profan beim Einkaufen auf diesen Bauernhof. An jedem Werktag steht sein Verkaufswagen auf einem anderen Berliner Markt, mittwochs auf dem Karl-Marx-Platz in Neukölln. Im Angebot sind ausschließlich Fleischwaren und Eier - aber was für welche! Genau gegenüber vom Marktstand befindet sich eine der bekanntesten Neuköllner Metzgereien, die mit der angeblich besten Blutwurst Berlins, nein, sogar Deutschlands. Doch die beiden Fleischerläden machen sich keine Konkurrenz, nicht nur wegen bio vs. konventionell. Der Bauer bietet ausschließlich Rind und Gans an, dazu Wild, wenn der Jäger welches erlegt hat. Einmal im Jahr, vor Ostern, gibt es auch Lamm vom Wanderschäfer.
Die Warenauslage machte auf mich einen guten Eindruck, und ich liebäugelte mit Rouladen, entschied mich aber zunächst für die außergewöhnlicheren Produkte. Jedes Jahr werden auf dem Steinhöfeler Hof tausend Gänse für den winterlichen Festbraten aufgezogen. Ein kleiner Teil wird am Saisonende zu Räucherbrust oder Wurst verarbeitet.
Gänsewurst ist eine seltene Delikatesse, also erwarb ich drei Sorten und probierte sie daheim gleich zum Lunch. Die Leberwurst überzeugt mit cremiger Konsistenz und feinem Geschmack. Die Salami ist mittelfein und durch ihren außergewöhnlich hohen Fleischanteil saftig und zart, und das Gänsefleisch verleiht ihr ein besonderes Aroma. Zwar bevorzuge ich bei Salami abgelagerte harte gegenüber der jungen weichen, aber diese hier ist ein Gedicht. Die Chiliknacker waren so gut, daß ich gleich beide auf einmal aß. Würze und Fleisch ergänzen sich perfekt, das Gans-Aroma wird von fruchtiger Feurigkeit untermalt, nicht übertüncht. Der Biß ist vollendet knackig, das Innere weder zu weich noch zu fest, und das Mundgefühl ist angenehm ohne jegliche Talgigkeit wie oft bei anderen Fleischsorten. Nächstes Mal werde ich das Rillette probieren.
Auf die Eier bin ich auch gespannt. Sie kommen von Zweinutzungshühnern mit geringerer Legeleistung als die üblichen Akkordhennen. Durch das langsame Heranreifen sollen die Eier besonders aromatisch sein. Nächste Woche steht Rind auf meinem Einkaufszettel. Der Biohof hält zwei besondere Rassen, die aus Schottland stammenden Highland- und Galloway-Rinder. Beide sind sehr robust und steht ganzjährig auf der Weide, nie im Stall. Die kompakten Highland-Kühe mit goldbraunem Wuschelfell, das in Zotteln über die Augen fällt, erinnern an Teddybären - wäre da nicht das ausladende Gehörn.
Nun freue ich mich auf meinen nächsten Einkauf beim Biohof am Jakobsweg. Hier werde ich bestimmt Stammkunde, nicht zuletzt wegen der sachkundigen Beratung des Mitarbeiters am Stand und seiner Herzlichkeit!
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Lwerks...cultur
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Sonne im Herzen, Sonne im Hof
Im Zentrum Neuköllns gegenüber vom Rathaus und an einer geschäftigen Kreuzung liegt ein Lokal, das nur Eingeweihte kennen. Über der Tür steht "Lwerks...cultur" - was das wohl sein soll, fragt sich der Passant, wenn er es überhaupt sieht. Irgendwas mit Kultur hat es in der von Kommerz und Burger-Döner-Kulinarik dominierten Nachbarschaft eh schwer. Früher hieß der Laden "s...cultur" - aha, Esskultur! Dieses Wortspiel brachte mich vor Jahren dazu, die ausgestellte Speisekarte zu lesen und dort einzukehren.
Neben dem Tagesgericht gibt es nur wenige andere Speisen, immer saisonal aus hochwertigen Zutaten und nach pfiffigen Rezepten zubereitet. Alles wird ansprechend, aber nicht überkandidelt angerichtet und oft auf gut kombiniertem Flohmarktgeschirr serviert. Ob Fleisch, Fisch oder Gemüse, ob Suppe oder Salat, mir hat bisher alles geschmeckt. Als Begleitung gibt es feine Getränke wie selbstgemachte Limonaden, frische Kräutertees, Kaffeespezialitäten und Wein. Salat und Suppe werden von einer Auswahl an frischem selbstgebackenen Sauerteigbrot begleitet, das alleine schon den Besuch des Lokals wert ist. Die Portionen sind trotz der kantinenähnlichen Preise reichlich bemessen. Wer nach dem Mittagessen zu satt für Kuchen ist, nimmt am besten welchen mit heim, denn der ist genauso gut wie das Brot.
Das klingt nach einem ziemlich besonderen Lokal - stimmt! Es ist ein Integrationsbetrieb der AWO, in dem Menschen mit Beeinträchtigungen arbeiten, sowohl hinter den Kulissen als auch im Service. Das bedeutet, daß es manchmal etwas länger dauert und Verwechslungen vorkommen. Wer es eilig hat oder ungeduldig ist, sollte besser woanders essen. Wer Verständnis aufbringt, wird nicht nur mit hervorragendem, preiswertem Essen in einem gepflegten Ambiente belohnt, sondern auch mit dem Erlebnis von freundlichem, wertschätzendem Umgang aller mit einander: Mitarbeiter und Gäste, alle tun das, was eigentlich selbstverständlich ist, sie kommunizieren.
Viele Gäste sind Stammkunden aus dem benachbarten Rathaus. Deswegen ist es in der Mittagspause oft voll, besonders im Sommer. Das Lokal hat nämlich einen kleinen sonnigen Innenhof, ein Idyll mit Kübelbäumchen, Kräuterkästen und Blumen auf den Tischen.
Vor einem Besuch im Lwerks...cultur empfiehlt es sich, auf der Website nachzuschauen, ob wirklich geöffnet ist. Am besten plant man etwas Zeit zum Stöbern in der Kunsthandwerks-Abteilung ein - kein Kitsch oder Nippes, richtig schönes Design mit hochwertigen Materialien.
Ach ja, was "Lwerks..." bedeutet, weiß ich bis heute nicht. Hauptsache, es schmeckt und ich fühle mich wohl!
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TEEKAMPAGNE Projektwerkstatt, Gesellschaft für kreative Ökonomie mbH
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Lieblingstee
Nächstes Jahr feiert die Teekampagne ihr 40jähriges Bestehen und kann auf eine beachtliche Entwicklung zurückblicken: vom kleinen Studenten-Projekt zum weltweit größten Importeur von Darjeeling-Tee. 1985 wollte der VWL-Professor Günter Faltin seinen Studenten an der TU Berlin beibringen, daß für eine erfolgreiche Unternehmensgründung nicht die Kapitalmenge, sondern eine durchdachte Idee ausschlaggebend ist. Also entwickelte er mit ihnen in der Projektwerkstatt das Konzept einer Importfirma für Darjeeling-Tee.
Mit den Werten von Fairtrade, Bio-Landwirtschaft und Ressourcenschonung war die Teekampagne damals Pionier im Teehandel. Der Tee wurde in Kilopackungen mit minimalistischem Design vertrieben, anfangs nur in Läden um die TU wie Copyshops und Apotheken, denn Online-Handel gab es damals noch nicht. Bald wurde das Konzept so erfolgreich, daß große deutsche Teefirmen das Kilo-Konzept für Endverbraucher kopierten.
Nach Jahrzehnten ist das Unternehmen seiner Grundidee weitgehend treu geblieben. Die Verpackung ist unverändert und die Kilogröße ist Standard, mittlerweile gibt es aber auch kleinere Packungen und Teebeutel. Zum Anbaugebiet Darjeeling kam Assam hinzu, und außer Schwarztee wird auch Grüntee angeboten. Das Sortiment ist weiterhin überschaubar.
Ich bin mit Tee aufgewachsen, wurde als Teenager leidenschaftlicher Darjeeling-Trinker und bestellte jahrelang die feinsten Sorten bei Deutschlands führendem Teehaus in Bremen. Ein teures Vergnügen - bis ich die Teekampagne entdeckte, und nun bin ich seit einem Vierteljahrhundert Kundin der Berliner Firma.
Früher gab ich einmal jährlich eine Bestellung auf, oft zusammen mit Freunden, um Versandkosten und Verpackung zu sparen. Wir bestellten immer im Herbst, wenn die neue Ernte auf den Markt kommt. Nach meinem Umzug nach Berlin fand ich heraus, daß die Teekampagne immer noch einige Apotheken beliefert, eine sogar in meiner Nähe. Seitdem kaufe ich meinen Tee dort zeitsparend und umweltschonend ein.
Auch der Umgang mit Kunden ist vorbildlich. Im ersten Jahr der Pandemie deckte ich mich wie gewohnt im Herbst mit meinem Jahresvorrat ein. Die Blattqualität war unschön und das Aroma des Aufgusses enttäuschend. Kurz vorher hatte ich von der starken Expansion der Firma gelesen und fragte mich, ob nun "Masse" die Maxime "Klasse" ersetzt hatte. Also schrieb ich eine Mail an die Teekampagne.
Prompt erhielt ich eine ausführliche freundliche Antwort mit Hinweis auf den Newsletter, in dem die vergleichsweise schlechte Qualität des neuen Tees einleuchtend erklärt wurde: Corona-Lockdown, Wetterkapriolen. Obwohl ich seit zehn Jahren nicht mehr als Kunde erfaßt bin, weil ich im Laden kaufe, erhielt ich zum Trost eine Packung des besten Tees. Das war mehr als kulant, denn der Mangel lag nicht an der Firma, sondern an höherer Gewalt. Und tatsächlich hatte der Tee im folgenden Jahr wieder die gewohnte ausgezeichnete Qualität.
Für mich gilt weiterhin: Wenn Darjeeling, dann Teekampagne. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist konkurrenzlos. Nur für "Champagner-Anlässe" halte ich einen weiteren Darjeeling First Flush bereit, der kostet aber das Zehnfache.
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Verein zur Förderung der Britzer Weinkultur e.V.
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Berliner Luft, Berliner Trunk
Was ist das typische Berliner Getränk - außer dem leidlich guten Leitungswasser? Club-Mate, Cold Brew Coffee oder Berliner Weiße? Vor den Hipster-Drinks war das Weißbier der gängige Sommer-Durstlöscher, auch mit einem Schuß roten oder grünen Sirup versetzt. Schließlich war Berlin in der wilhelminischen Zeit mit seinen hundert Brauereien die Bier-Hauptstadt der Welt, heute produzieren unzählige Mikrobrauereien Craftbeer. Berliner Luft in Flaschen, das ist keine Notration für heimwehkranke Hochalpinisten, sondern ein souvenirtauglicher Pfefferminzlikör, und hiesige Barkeeper mixen auch mit heimischem Whisky und Gin.
Aber das ist noch nicht alles, Berlin hat eine weitgehend in Vergessenheit geratene Winzer-Tradition. Bald nach meinem Umzug in die Hauptstadt entdeckte ich, daß der schon im Mittelalter erwähnte Weinbau hier nicht ganz ausgestorben ist. Bei einem städtischen Event ergatterte ich eine der raren Halbflaschen Kreuz-Neroberger (zum stattlichen Preis von 9 Euro), der voriges Jahr in "Weinungsfreiheit!" umgetauft wurde. Neben dem kleinen amtlichen Weinberg mit seinen 300 Rebstöcken gibt es in Berlin aber einen weiteren Wingert, der von einem engagierten Verein betrieben wird.
Im südlichen Neuköllner Stadtteil Britz konnte der Verein "Agrarbörse Ost" 2002 eine Brachfläche von einem halben Hektar pachten. Heute gedeihen dort 1500 Rebstöcke verschiedener Sorten, vor allem Acolon und Herold. Bald wurde der erste Wein gekeltert und lange nur "gegen Spende" abgegeben, denn Berlin war damals kein anerkanntes Weinanbaugebiet. 2016 endlich wurde Berlin zum 14. offiziellen deutschen Weinanbaugebiet ernannt, das mit Abstand kleinste nach dem tausendmal so großen "Hessische Bergstraße". Wer einen Britzer Wein trinkt, hat zwar keinen Spitzenwein im Glas, aber eine absolute Rarität!
Ein Besuch im Weingarten lohnt sich auf alle Fälle, nicht nur zum sommerlichen Weinfest mit brauchtumsgemäßem Auftritt der Weinkönigin oder zum herbstlichen Keltertag. Neben wein- und umweltkundlichen Führungen sowie Weinproben finden dort Lesungen und Konzerte statt. Vorigen Sommer gastierte beispielsweise die renommierte Swing-Band von Andrej Hermlin im Rebgarten, dieses Jahr tritt sie wieder dort auf. Eine gute Gelegenheit zum Kennenlernen des Britzer Weinbaus ist der Lange Tag der Stadtnatur im Juni, für mich eins der Highlights im Berliner Eventkalender. Das Gelände liegt gar nicht "jwd" (janz weit draußen) und ist auch mit dem ÖPNV bequem erreichbar, zur nächsten Bushaltestelle läuft man nur zehn Minuten.
Viel Freude bei Exkursionen ins unbekannte Berlin - und prost!
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LEDO Berlin
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Genuß-Geheimtipp
Seit ich vor Jahren zufällig LEDO entdeckte, fahre ich für besondere Lebensmittel durch die halbe Stadt dorthin. Glücklicherweise liegt der Laden nur ein paar Schritte von der S-Bahn entfernt in einer Seitenstraße. Auf der langen Rückfahrt trinke ich dann meistens Kefir aus der 1-Liter-Pulle - normalerweise ist Verzehr in Bus und Bahn für mich tabu, aber da kann ich nicht widerstehen. Die anderen Goodies hebe ich mir für zuhause auf.
Obwohl der Supermarkt eine riesige Warenfülle bietet, dauert der Einkauf nicht allzu lang, weil die Verkaufsfläche übersichtlich gestaltet ist. In der Gemüse- und Obst-Abteilung gibt es vieles, das weder die üblichen Ketten noch die orientalischen Supermärkte bieten wie riesige Melonen aus Usbekistan, die auch aufgeschnitten verkauft werden oder besondere Tomatensorten. Hervorragend und preiswert sind die frischen Pilze wie Kräutersaitlinge. Im Kühlregal lockt eine Vielfalt an sauer eingelegtem und fermentiertem Gemüse.
Dann kommt das, was ich wie viele andere Kunden am meisten schätze: Fisch in allen Variationen - frisch als Filet oder im Ganzen, geräuchert, Stockfisch und in der Saison lebender Karpfen im Aquarium. Und natürlich viele Sorten Kaviar. Der Räucherfisch stammt aus eigener Produktion, und das Angebot ist hinsichtlich Auswahl, Frische und Preis wahrscheinlich das beste in Berlin.
Bei Fleisch und Wurst ist das Sortiment ebenfalls groß und sieht gut aus, aber da ich wegen des Fischs hier einkaufe, habe ich damit keine Erfahrung. Bei den Milchprodukten, die größtenteils aus Polen stammen, kaufe ich neben besagtem Kefir (vergeßt "Kalinka" von M...!) gerne festen Tworog-Quark und 2%-Milch, die im Gegensatz zu unserer wässrigen Magermilch vollmundig schmeckt. Auch in die Tiefkühltruhen werfe ich einen Blick. Dort gibt es zahllose Sorten von Teigtaschen, meistens nehme ich aber einen Beutel Sanddorn-, Preisel- oder ähnliche Beeren mit.
Vorletzter Höhepunkt: die Flaschen. Wie nicht anders zu erwarten gibt es zig Sorten Wodka. Viel interessanter finde ich die Weinbrände aus diversen osteuropäischen Ländern und dem Kaukasus. Von dort, aus Georgien, kommen viele Weine. Als Insidertipp gepriesen werden sie anderswo teuer vermarktet, doch hier gibt es durchaus welche für Neugierige zu Einsteigerpreisen.
Nach der Kasse werde ich noch mal schwach: die Delikatessen-Theke ist umwerfend! Feinkostsalate, Fisch- und Fleischgerichte, herzhafte und süße Mehlspeisen - da hat man die Qual der Wahl. Am besten etwas dort am Stehtisch kosten und Weiteres für daheim einkaufen. Bisher hat mir alles hervorragend geschmeckt. Nur die Kuchen und Torten nicht, die sind mir zu süß, aber das ist Geschmackssache.
Mittlerweile muß man für den Einkauf nicht mehr zum Heidelberger Platz fahren: LEDO betreibt jetzt vier Läden in Berlin und einen in Potsdam. Bon Appetit!