In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde es Mode, auf den eiszeitlichen Erhebungen am Rande Berlins Aussichtstürme zu errichten (Grunewaldturm, Müggelturm). Ein weiterer Turm steht in Woltersdorf (Landkreis Oder-Spree / Land Brandenburg / ca. 1 km östlich von Berlin).
1885 beschloss der neugegründete „Woltersdorfer Verschönerungsverein Kranichsberg e.V.“ den Bau eines Aussichtsturm auf den Kranichsbergen (105 m üNN), einer Erhebung in und über Woltersdorf.
Bereits ein Jahr später... weiterlesen
wurde der Turm eingeweiht und zu Ehren des damaligen preußischen Thronfolgers „Kron-Prinz-Friedrich-Wilhelm-Turm“ genannt. Der Prinz (1831-1888) wurde 1888 als Friedrich III. für 99 Tage König v. Preußen und Deutscher Kaiser.
Schnell wurde der Turm zu einem beliebten Ausflugsziel für die Woltersdorfer und ihre Gäste.
Am Ende des 2. Weltkriegs bekam der Turm militärstrategische Bedeutung, hatte man vom Turm doch eine herrliche 360°-Aussicht auf die nähere und weitere Umgebung von Woltersdorf … bis nach Berlin z.B..
Während der Schlacht um Berlin im April 1945 nutzten deutsche Truppen den Turm als Beobachtungspunkt. Als die Rote Armee immer näher an Woltersdorf heranrückte, beschloss man den Turm zu zerstören.
Am 20.4.1945 steckte der örtliche Volkssturm den Turm in Brand um der Roten Armee diese exponierte Aussicht auf Berlin und dessen Vorfeld zu nehmen. Am Kriegsverlauf änderte sich dadurch allerdings nichts.
Der Turm brannte bis aufs Betonfundament nieder.
Erst 1961 beschloss der Gemeinderat von Woltersdorf, unterstützt vom Magistrat von Berlin (DDR), den Neubau eines „Brandwach- und Aussichtsturms“ auf dem Kranichsberg. Grundsteinlegung war im April 1961. Für den neuen Turm wurde allerdings ein neuer Standort auf dem Kranichsberg gewählt.
Der Entwurf für den hölzernen Turm auf einem Stahlbetonfundament stammte vom Woltersdorfer Bauingenieur Rudolf Post.
Problematisch war die Beschaffung der Baumaterialien. Dafür fand sich mit dem Reichsbahnausbesserungswerk Finsterwalde aber ein edler Spender.
Allerdings beschlagnahmte die Rote Armee, die zur gleichen Zeit eine Richtfunkstation auf den Kranichsbergen errichtete, das Baumaterial. In Verhandlungen mit der zuständigen sowjetischen Kommandantur in Fürstenwalde konnte man den Sowjets ersatzweise Baumaterialien aus einem Sonderkontingent der Roten Armee aus dem Kreuz leiern.
Der Turm selbst ist 25 m hoch und steht auf der alpinen Höhe von 102 m üNN, also nur knapp unter Zugspitz-Höhe. Verbaut wurden u.a. 80 m³ Holz und 3,5 t Stahl. Vermutlich wurden auch hektoliterweise Holzschutzmittel verarbeitet – im Innern riecht es jedenfalls so.
Vom Eingang bis zur überdachten und verglasten Aussichtsplattform muss man 90 Treppenstufen bewältigen.
Richtfest war am 12. „Tag der Republik“ der DDR am 7.10.1961 und im Juli 1962 konnte der Turm feierlich eingeweiht werden. Er wurde touristisch als Aussichtsturm und von der Forstwirtschaft als Brandwachturm genutzt.
Die Freude der Woltersdorfer an ihrem Turm währte allerdings nur 15 Jahre.
1976 befand das Ministerium für Staatssicherheit der DDR, dass der Turm ideal für ihre geheimdienstlichen Tätigkeiten sei.
Die Stasi-Truppe beschlagnahmte den Turm, baute noch einen Bunker dazu und betrieb eine Funk- und Sendeanlage.
Erst nach der Wende in der DDR erhielt Woltersdorf Anfang 1990 seinen Turm zurück. Nutzer und Betreiber ist seither der 1990 wiedergegründete „Woltersdorfer Verschönerungsverein Kranichsberg“.
Der Verein baute den Turm um, renovierte und sanierte ihn und machte ihn für die Öffentlichkeit wieder zugänglich.
Im Turm befindet sich die Dauerausstellung „Als Woltersdorf noch Hollywood war“, denn seit Anfang des 20. Jahrhunderts wurden bei Woltersdorf und Rüdersdorf zahlreiche Filme gedreht (z.B. „Das indische Grabmal“ von 1921).
Die Außenaufnahmen mit den z.T. aufwendigen Kulissenbauten fanden hier in der Gegend statt.
Der Verein nennt die Ausstellung zwar „Museum“, aber ein Museum sind die paar Text- und Fototafeln, garniert mit einigen Trümmerstücken von Filmkulissenbauten nun wahrlich nicht.
Der Turmbesuch ist nur Wanderern, bestenfalls trainierten Radfahrern möglich. Autos und Motorräder muss man im Ort parken.
Es gibt mehrere Wege zum Turm. Wir wählten den von der Buchhorster Straße aus. Der Anstieg ist die ersten 500 m moderat und ohne Bergsteigerausrüstung zu bewältigen. Nur die letzten ca. 100 m über eine steile Treppe sind etwas beschwerlich.
Am Turm gibt es mehrere Bänke zum erholen – bevor man die Besteigung des 25 m hohen Turms in Angriff nimmt. Oben angekommen wird dann durch eine grandiose Rundumsicht auf die nähere und fernere Woltersdorfer Umgebung belohnt.
Der Blick aufs nahe Rüdersdorf und Erkner ist kein Problem. Die Fernsicht Richtung Königs Wusterhausen und Berlin sind dann ein bisschen wetterabhängig.
Bei unserem Blick war die Fernsicht durch Dunst etwas getrübt. Die Köpenicker Müggelberge und das noch weiter entfernte Berliner Zentrum waren da schon schlechter zu erkennen – aber der Fernsehturm am Alexanderplatz war trotzdem zu erahnen.
Da die Aussichtsplattform überdacht und mit vielen Fenstern verglast ist, gestaltet sich der Aufenthalt angenehm. Aussichtstürme mit offener Plattform haben ja sonst den Nachteil, dass einem der Wind ziemlich heftig um Nase weht.
An den Fenstern sind mehrere Schilder angebracht – damit man weiß, was man da so in der Ferne sieht. Zusätzlich gibt es für die, die Karten lesen können, noch eine große eingenordete Landkarte zur besseren Orientierung.
Fazit: sehr schönes Ausflugsziel im Berliner Umland.
Es war allerdings erst mein zweiter Besuch des Turms. Das erste mal vor etwa 55 Jahren zu Vor-Stasi-Zeiten – damals noch als Steppke mit den Eltern. Den Rest der DDR-Zeit war der Turm ja dann nicht zugänglich.
Und eben jetzt nochmal.
Weder Weg noch Turm sind natürlich barrierefrei. Der Eintritt von 2 €uro (Stand 05.2022) ist eher symbolisch und dürfte kaum für den Unterhalt des Turm reichen.
Bei Extremwetterlagen bleibt der Turm geschlossen.[verkleinern]