Meine Ehefrau ist klug und einfühlsam, rundherum ein liebenswerter Mensch. Aber manchmal nervt sie mich trotzdem ein wenig. Zum Beispiel mit diesem einen Termin, den ich unbedingt wahrnehmen soll. „Nein, ich muss da nicht hin …“, habe ich ihr geantwortet.
Ich bin doch noch topfit, trotz meines gesetzten Alters. Okay: Brille, Hörgeräte, Kompressionsstrümpfe, etwas Kalk in der Halsschlagader. Nichts Ernstes also. Ich muss auch nix einnehmen. Also fast nichts. Gut, das ASS 100, den... weiterlesen Blutverdünner, der zählt aber eigentlich nicht, ist nur zur Prophylaxe. Dazu noch die Glucosamine für Knochen und Gelenke. Und das Omega-3 Konzentrat für ein gesundes Herz. Zu guter Letzt die Enzyme für meine Bauchspeicheldrüse, an denen fehlt es mir nämlich. Aber sonst ...
Ob es gar keine Probleme gibt, fragt mich meine bessere Hälfte.
Nö, alles gut. Alles im grünen Bereich. Wie bitte? Untenrum? Wie, untenrum? Das hängt man doch nicht an die großen Glocken ... äh, große Glocke. Das ist doch was ganz Persönliches, intim sozusagen. Ja, ja, ich tropfe neuerdings. Nur ein paar Tropfen. Ganz normal für einen Mann meines Alters. Die Prostata wächst eben noch etwas. Keine Ahnung warum.
Ich soll trotzdem mal zur Vorsorge gehen, meinst du? Nicht, dass der Arzt irgendwann zu mir sagen muss: „Wären Sie nur mal früher gekommen.“
Kerl inne Kiste, als ich damals immer zu früh gekommen bin, war´s dir auch nicht recht. Hahaha ...
Das findest du nicht witzig? Aha. Ich sehe schon, du meinst es ernst. Ehrlich gesagt ... ich finde so eine Untersuchung ziemlich unangenehm, verdammt peinlich ist das. Hintenrum, vorne rum und überhaupt ... ich will da nicht hin!
Wie, ihr Frauen kennt das auch? Ach, eure Untersuchungen sind auch kein Honigschlecken? Wie, ihr geht achtsamer mit euch um? Ihr seid das stärkere Geschlecht und keine solchen Angsthäschen wie wir … Na, jetzt ist aber mal gut. Ich ruf da sofort an. Bei diesem Urologen in Bochum-Weitmar. Dem Fritzlar. Den hat mir der Peter empfohlen. So von Mann zu Mann, eben ...
Ach, nee. Ich hätte nicht herkommen sollen. Im Fahrstuhl war es viel zu eng. Das Wartezimmer ist auch zu klein. Und die Arzthelferinnen sind zwar höflich, wirken aber gestresst. Hoffentlich wollen die mir kein Blut abnehmen. Ich muss nur einen Blick auf die Nadel werfen und schon ... ach, ich glaube, ich hau besser wieder ab.
„Hallo, Herr Bernhard! Sie können jetzt durchgehen, ins Sprechzimmer.“
Dr. Fritzlar lacht mich an. Er fragt, hört zu, lächelt und scherzt. Schon am frühen Morgen.
White punks on dope, oder was ist hier los? Der ist ja so was von freundlich, unglaublich. Trotz seiner heiteren Art fühle ich mich ausreichend respektiert und ernst genommen. Mutig stelle ich Fragen, er gibt geduldig Antworten. Er erklärt mir alles, da hat die Peinlichkeit keine Chance. Routiniert, aber auch sorgfältig untersucht er mich und bleibt dabei immer gutgelaunt. Wie macht er das bloß? Vielleicht hat er ja heute morgen schon einen Clown gefrühstückt oder sogar zwei …
Aber jetzt mal im Ernst: Ich vermute, das dieser merkwürdige Job als Urologe seine Berufung ist. Dieser Doktor ist ein richtig guter Typ, professionell, freundlich, empathisch, achtsam.
Hier braucht sich niemand zu schämen oder Angst zu haben.
So, ihr Mannsbilder: Jetzt seid mal keine Memmen und geht endlich zur Vorsorgeuntersuchung! Bevor jemand eines Tages zu euch sagen muss: „Wären Sie bloß mal früher gekommen ...“[verkleinern]