Seit Menschengedenken ist die Menschheit eine Spezies von Sammlern und Jägern. Im Laufe der Jahrtausende haben sich als Unterspezies noch der Schnäppchenjäger und der Plünnsammler entwickelt.
Manche gehören Dank genetischer Vermendelung beiden Spezies mehr oder weniger an ... so auch ich.
Am Sonntagmorgen gehts dann los ... Schatzi, wo bleibst du denn bloß ?
!Die obersten 7 Gebote sind:
1. Zeitig da sein... da ist das Angebot noch groß.
2. Keine Klunkern um den Hals , an die Ohren und an... weiterlesen den Fingern tragen , sonst siehst du nach zu viel Geld aus.
3. Keine Markenklamotten, keine teure Handtasche - dito, das versaut die Verhandlungsbasis
4. Kleingeld einpacken ... Limit überlegen.
5. Alditüte statt teuerer Handtasche mit sich tragen
6. Pokerface und Stirnrunzeln üben
7. Verhandlungsstrategien ausdenken
Und schon kann es los gehen.
Wir reihen uns vor dem ehemaligen Braunkohlekraftwerk in den Autocorso ein und stellen den zum Beladen bereiten Kombi möglichst nah am Eingang ab.
Also erst einmal scanne ich die Stände in den Hallen direkt hinter dem Einlass . In den vorderen Hallen haben sich mittlerweile meist "Gewerbliche" etabliert: Wohnungsentrümpler, Antiquitätenhändler, "Phönizier" , d. h. fliegende Händler mit Neuware."Kannste allesamt links liegen lassen ..." meldet mein scannendes Hirnstübchen.
Bei den Entrümplern findest du zwar alles von Müll bis "Bone China" - Porzellan, aber in einem Zustand, dass du Angst bekommst, dir die Grätze zu holen, wenn du auch nur ein Stück zur Begutachtung anfasst.
Die Antiquitätenhändler - naja ... also wer wird denn so spitzfindig sein und nach einer Expertise für die 3000 € - Kommode zu fragen.
Ja und die "Phönizier" bieten Billigware zu "Traumpreisen" ( "Sag mal wovon träumt der denn nachts ...?") an und zeigen sich hartleibig bei den Verhandlungen ... Klar doch, ich bin hier, um dir die Standgebühr zu finanzieren....Nein , ich wollte nicht den kompletten Stand kaufen, sondern nur die eine Handtasche.....
Wenn man also all diese Klippen erfolgreich zielstrebig umschifft hat, kommt man endlich am Imbiss vorbei in die hinterste Halle des Kraftwerkes und das Jäger- und Sammlerherz beginnt urplötzlich heftig zu schlagen.
Hier sieht man vertraute, sympathische Gesichter von Hobbytrödelverkäufern aus der Umgegend, die seit Jahren aus Spaß an der Freude dabei sind. Man kennt seine Kunden. Hier werde ich dann auch das erste Mal fündig heute. "Warte mal, ich hab da noch was im Karton unterm Tisch für dich .... Ich hab da auch noch was daheim ...wenn du nächstes Mal kommst, kann ich dir das mitbringen ..."
Schnell wird man sich handelseinig zu einem für beide Seiten fairen Preis.Sorgfältig werden die zerbrechlichen Teile verpackt, nachdem das "Geschäftliche" erledigt ist und nebenher noch ein "Mull voll geschwätzt".
Dann geht es weiter.Mein Schatz - das erste Mal in diese Welt der Sammler und Jäger im Kraftwerk Borken eingetaucht - schaut aus sicherer Entfernung zu. "Muss man für so was Geld ausgeben?", sagen seine skeptischen Blicke. Ha, darum geht es doch gar nicht. es geht um sammeln, jagen, handeln,Schnäppchen, Plünn und den Spaßfaktor .... wie auf einem Volksfest. Aber er interessiert sich eher für die Architektur des still gelegten Kraftwerkes und fotografiert .... Ich muss ganz schön aufpassen, ihn nicht im Getümmel zu verlieren.
Manchmal finde ich auch kleinste Teile für mein viktorianisches Puppenhaus .... den funktionsfähigen kleinen Fleischwolf ... wie niedlich !
"Okay, die Freude sei dir gegönnt", sagt sein Blick, als ich ihm berichte, für welch günstigen Preis das Objekt der Begierde meins geworden ist.
Nun geht es raus auf die Freifläche. Auch hier tummeln sich unzählige Besucher an den Ständen unzähliger Anbieter. Aber auch hier heißt es scannen, scannen und wieder scannen .... kollektives Scannen ... kollektives Jagen .... Sammeln ... Wo finde ich mein Objekt der Begierde .... das "must have" ....
Schatz lernt schnell und kapiert die Regeln ...."Guck mal der Typ da bohrt gelangweilt in der Nase .... der verkauft heute sicher nichts ...", " Da schau mal, das sieht doch aus wie Hehlerware ...."
Okay, das sind Ausnahmen.
Neben den "Phöniziern", die Neuware verticken, aber von den Besuchern weitgehend unbeachtet bleiben, findet man hier insbesondere diejenigen Verkäufer, die sporadisch mal Dachboden und Kellerschätze versilbern wollen.
Sympathische Leute sieht man hier, die saubere, funktionsfähige Sachen auf Tapeziertischen vor ihrem Kombi ordentlich aufgebaut haben, unter der geöffneten Kofferraumhaube ihres Kombis in einem Campingstuhl sitzen, auf der Ladefläche die Thermoskanne mit Kaffee und daneben eine Plastikdose mit Kuchen oder Wurstbroten zur Stärkung stehen haben.
Hier werde ich erneut fündig ... sieht aus, wie Omas Hausrat ... fast liebevoll präsentiert ....gerne werden Fragen zu den einzelnen Gegenständen beantwortet .... hinter jedem Ding steckt eine kleine Geschichte ...und ich bemerke, dass man sich von dem einen oder anderen Gegenstand fast schweren Herzens trennt .... trennen muss .... aber es kommt ja in gute Hände ... zu jemandem, der es zu schätzen weiß ... die es sorgsam behandelt und in einer Sammlervitrine ausgestellt sich daran erfreut ... neben anderen ähnlichen .... kleinen Tellerchen .... Tässchen .... Döschen ... Kännchen ... ja ganzen Puppenservicechen...
Nach kurzem Handeln wird man sich wieder einig..... immer das selbe Ritual von Gebot und Gegengebot ....
So, Limit erreicht für heute !
Mit einem kleinen Glücksgefühl in der Magengegend trage ich meine kleinen Schätze .... Schätzchen .... zum Auto.
Heute hat es sich wieder einmal gelohnt für mich und natürlich auch für die Verkäufer.Bis in einem Monat, wenn es am Sonntag Morgen beim Frühstück wieder heißt : " Du Schatz, heute ist wieder Flohmarkt im Alten Kraftwerk ... hast du auch Lust darauf ?? "[verkleinern]