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Ausgezeichnete Bewertung
Nach langem Überlegen möchte ich meine Erfahrungen mit der Palliativstation der Heliosklinik in Northeim hier mitteilen. Vielleicht hilft es Angehörigen und Patienten bei der Auswahl des richtigen Krankenhauses in einer sehr schwierigen Lebenssituation.
Mein (von mir getrennt lebender) Mann erkrankte 2008 leider an einer seltenen Erkrankung namens CUP Syndrom. Infolge dessen bildeten sich Metastasen im Bauchfell. Da wir trotz Trennung ein freundschaftliches Verhältnis hatten unterstützte... weiterlesen
und begleitete ich in während seiner Krankheit.
So kam es, das er mich Samstag morgens anrief und fragte ob ich ihn ins Krankenhaus bringen könnte.
Auf der Fahrt darin offenbarte er mir das der behandelnde Onkologe ihn am Vorabend per Fax auf die Palliativstation eingewiesen hätte. Zu diesem Zeitpunkt ging es ihm schon sehr schlecht. Er konnte seit zwei Tagen weder Nahrung noch Flüssigkeit zu sich nehmen, bzw. in sich behalten.
Als wir in der Klinik ankamen, wollten wir uns in der Zentralen Notaufnahme melden. Der kleine Wartebereich war Vormittags halb elf schon überfüllt und aufgrund fehlender Lüftungsmöglichkeiten stickig. Da mein Mann ja am Vortag per Fax auf der Station angemeldet wurde und sein Zustand aufgrund dehydrierens sehr schlecht war, wollten wir gleich zu dieser Station.
Wir gingen zum Hauptempfang im Eingangsbereich. Eine gelangweilte und desinterssierte Mitarbeiterin verwies uns auf die Zentrale Notaufnahme. Als ich ihr erklärte, das es für meinen Mann uunmöglich sei, dort so lange zu warten und eine Einweisung ja schon vorläge, erklärte sie uns den Weg zur Palliativstation.
Als wir diese endlich fanden, kam uns ein Arzt entgegen, der uns allerdings keine Beachtung schenkte. Nachdem ich den Stationsflur ein paarmal hoch und runter fuhr, traf ich ich endlich auf eine Schwester. Nachdem ich ihr unser Anliegen erklärte, meinte sie, wir müssten uns erst bei der ZNA melden, da ein Arzt die Eingangsuntersuchung durchführen müsse. Und auf der Station wäre zur Zeit kein Arzt anwesend (wen oder was habe ich gesehen? ) Erneut erzählte ich ihr von der Einweisung per Fax. Leider konnte sie das Fax nicht finden und verwies uns erneut auf die ZNA. Erst als ich sie darauf hinwies das mein Mann kaum stehen könne, erklärte sie sich bereit ihn mit einem Rollstuhl dahin zu bringen.
Den Ablauf in der Zentralen Notaufnahme werde ich gesondert bewerten, weil das den Rahmen sprengen würde. Nur soviel vorweg: 10.45Uhr nahm man uns in der ZNA auf und 17.00 Uhr bekam er endlich ein Bett auf der Station.
Der erste Tag waren wir noch zuversichtlich optimal betreut zu werden.
Der diensthabende Arzt nahm sich sehr viel Zeit uns zu erklären welche Behandlungsmethoden noch möglich wären und welche leider nicht mehr.Da eine Nahrungsaufnahme für meinen Mann aufgrund eines inkompletten Darmverschluss unmöglich war, wurde ihm eine intravenöse Ernährung angeboten. Allerdings stand fest, das der Verschluss durch Metastasen entstand und die letzte Chemotherapie keine Wirkung zeigte. Er war also "austherapiert". Er entschied sich gegen diese Maßnahme. Nachdem der Arzt nochmal ausführlich den Krankheitszustand, den Verlauf beim Einsatz verschiedener Maßnahmen und die Prognose besprach, gab er uns die Gelegenheit, unter vier Augen zu besprechen, wofür und wogegen sich mein Mann entscheiden wird.
Es war das schwierigste und tränenreichste Gespräch meines Lebens. Die Entscheidung fiel auf die alleinige Schmerztherapie, ohne intravenöse Ernährung und ohne Kochsalzinfusionen.
Schon am nächsten Tag stellte ich fest das sich auf der Station über die Patientenwünsche hinwegsetzt wird. Mein Mann bekam kommentarlos eine Infusion. Erst nach mehrmaligen Nachfragen erfuhren wir das er Kortison erhält. Man erklärte uns, damit könnte der
Darmverschluss aufgelöst werden. Wegen meiner beruflichen Erfahrung wusste ich das das medizinisch nicht möglich ist. Erst auf Drängen erklärte der Arzt, das Kortison würde die Metastasen für eine unbestimmte Zeit anschwellen lassen. So bitter es auch war, aber dies war eine unnötige die Leidenszeit verlängernde Maßnahme, welche meinem Mann nur falsche HHoffnung machte, das Unvermeidliche nochmal vermeiden zu können.
Während meiner täglichen Besuche beklagte mein Mann sich oft über unfreundliches Pflegepersonal. Ich selbst erlebte immer wieder das es mindestens15 Minuten dauerte, bis eine Schwester oder ein Pfleger kam, wenn mein Mann klingelte.
Eigentlich klingelte er nur, wenn die Schmerzpumpe leer war oder die Schmerzen so unerträglich wurden das er eine zusätzliche Infusion benötigte.
Nach eineinhalb Wochen kam plötzlich der Hausmeister mit einer Bohrmaschine bewaffnet ins Zimmer. Irgendjemanden ist es aufgefallen das sich im Zimmer kein Desinfektionsmittelspender befindet und im Bad noch Seifenspender und Papierhandtuchhalter fehlen.
Äußerst angenehm, wenn ein Patient mit Schmerzen und Übelkeit im Zimmer liegt und eine halbe Ewigkeit gebohrt wird.
Da es meinem Mann aufgrund der hohen Morphindosis und der fehlenden Nahrungsaufnahme immer schlechter ging und weil jede zusätzliche Schmerzmittelgabe mit dem Pflegepersonal ausdiskutiert werden musste, wollte ich gern einen Arzt sprechen. Leider war das nicht möglich, da während meiner Besuche (täglich von 14.00 bis 17.00 Uhr) kein Arzt anzutreffen war.
Erst nach acht Tagen traf ich einen Arzt im Zimmer
an - er war bei der eigentlichen Visite eingeschlafen.
Nach zehn Tagen fingen die Ärzte bei der Visite an,darauf zu drängen, mein Mann solle doch die ambulante Hospizpflege in Anspruch nehmen. Da er inzwischen immer häufiger zusätzliche Schmerzmittelinfusionen benötigte und die Schmerzpumpe inzwischen im drei Stunden Rhythmus befüllt werden musste, lehnte er die ambulante Versorgung ab.
Zu dem Zeitpunkt hätte er den Weg in seine Wohnung im Dachgeschoss nicht mehr geschafft und ich konnte ihn nicht bei uns zu Hause aufnehmen, da ich unserer Tochter nicht zumuten wollte, ihren Vater beim sterben zuzusehen.
Die Diskussion um die ambulante Pflege gipfelte in
der Aussage eines Arztes, er müsse auch an die Wirtschaftlichkeit des Krankenhauses denken...
Drei Tage nachdem feststand das es keine ambulante Pflege geben wird, wurde meinem Mann plötzlich eine Antikörpertherapie angeboten. Durch diese könne man das Metastasenwachstum
enorm verzögern. Bei meinem Besuch an diesem Tag war mein Mann sehr optimistisch, die Klinik doch nochmal verlassen zu können und vielleicht noch ein Jahr geschenkt bekäme. Ich ließ mich von dieser Freude anstecken. Der einzige Haken dafür- die Schmerzmittel müssten reduziert werden, da die Therapie nur ambulant durchführbar wäre. Gesagt getan. Das Morphin, welches über die Schmerzpumpe verabreicht wurde, sollte durch Morphinpflaster ersetzt werden und die Infusionen durch Tabletten.
Zu Hause recherchierte ich im Internet alles was die "Wunder Antikörpertherapie" betraf. Je mehr ich las, umso klarer wurde, das diese Therapie bei dieser Krebsart wenig bis kaum wirksam ist. Außerdem wäre eine zusätzliche sehr starke Chemotherapie notwendig. Und wieder wurden falsche Hoffnungen geweckt. Offensichtlich versuchte man mit allen Mitteln meinen Mann dazu zu bringen, sich nach hause entlassen zu lassen.
Obwohl die Schmerzen immer stärker wurden, bestand man auf das Umstellen der Schmerzmittel. Forderte er eine Schmerzmottelinfusion wurde er gebeten die Stärke seiner Schmerzen auf einer Skala von eins bis zehn zu benennen. Von einer Schwester wurde ihm sogar unterstellt, er fordere die Infusion nur, weil er süchtig nach dem Mittel wäre.
Nachdem er drei Tage unter sehr starken Schmerzen litt, gelang es mir durch Zufall den Chefarzt zu sprechen. Dieser war überhaupt nicht von der Therapieumstellung informiert. Er erklärte mir auch das die Schmerzmittel zu dem Zeitpunkt völlig unzureichend waren. Er hat dieser Aktion sofort ein Ende bereitet und die Schmerzmittel wieder auf Schmerzpumpe und Infusionen umgestellt.
Zwei Tage später kam es dann zum vollständigen Darmverschluss. Dadurch erbrach mein Mann Blut
und Kot.
Das konnte ich noch deutlich am Heizkörper sehen. An ihm befanden sich noch Reste vom Erbrochenen. Als die Heizung vier Tage später immer noch verschmutzt war, schrieb ich eine Mail an die Beschwrrdestelle und drohte die Fotos vom Heizkörper zu veröffentlichen, wenn diese nicht umgehend gereinigt wird. Am nächsten Tag war er tatsächlich sauber.
Der Zustand meines Mannes verschlechterte sich rapide. Als ich wie immer nachmittags sein Zimmer betrat, lag er mit dem Rücken zur Tür, Hose und Unterhose waren bis zum Knöchel nach unten gezogen. Die Schmerzpumpe gab Alarm, weil sie leer war. Als ich an sein Bett kam sah ich das sein Bett voller erbrochenen Kot war und er sogar mit dem Gesicht darin lag. Er war auch nicht ansprechbar. Und niemand hat mich über diese extreme Veränderung informiert.
Als Auf mein klingeln niemand reagierte suchte ich
selbst nach einer Schwester oder einem Pfleger. Ich informierte sie und fuhr zurück ins Zimmer. Nach 10 Minuten kam eine Schwester, befüllte die Schmerzpumpe und sagte sie hätte mir Waschlappen mitgebracht. Etwas verwundert wusch ich meinem Mann das Gesicht und bat darum, das Bett neu zu beziehen.
Ein Pfleger erledigte das nach einiger Zeit, kam aber nicht auf die Idee, meinem Mann die Hose hochzuziehen. Das tat er erst auf Nachfrage.
Ich beschloss im Krankenhaus zu übernachten. Schließlich wirbt die Palliativstation damit, das Angehörige dort bei Bedarf übernachten können. Ich bekam ein Bett im Zimmer meines Mannes.
Ich stellte nach einiger Zeit fest das er wohl sehr starke Schmerzen haben muss. Er stöhnte laut und versuchte sich immer wieder aufzurichten. Die herbeigeholte Schwester meinte aber, er sei nur unruhig durch die Medikamente. Er bekam keine Infusion. Vorher erhielt er alle drei Stunden eine. Als ich nach drei Stunden erneut nach einer Infusion fragte, hieß es wieder er sei nur unruhig.
Durch die Unterbrechung der Infusionen steigerte sich der Schmerz nachts offensichtlich ins unermessliche. Er schrie und stöhnte, krümmte sich im Bett und versuchte aufzustehen. Da die inzwischen verabreichte Infusion offensichtlich nicht wirkte, wurde der diensthabende Arzt informiert.(22.30 Uhr). Da dieser zeitgleich auch Dienst in der ZNA hatte, kam er erst vier Uhr morgens. Obwohl er mit der Akte meines Mannes vertraut war, nahm er sich die Zeit Sie nochmals genau zu studieren und wollte mir nochmal ausführlich erklären, wie der Krankheitszustand meines Mannes sei.....
Erst als ich energisch wurde bekam mein Mann weitere Schmerzmittel.
In der Nacht war an Schlaf nicht zu denken, da er sehr unruhig war und ihm immer wieder braune, übel riechende Flüssigkeit aus dem Mund lief. Das saubermachen meines Mannes und das wechseln der Einwegunterlagen überließ das Pflegepersonal mir.
Gegen Morgen war dann ein wenig Schlaf möglich.
Am nächsten Morgen "übersah" das Pflegepersonal das mein Mann wieder jede Menge Flüssigkeit erbrochen hatte. Obwohl vor dem Bett eine riesige Pfütze war. Man legte die Infusion an, befüllte die Schmerzpumpe und wollte wieder gehen.
Erst als ich darum bat das Bett neu zu beziehen und meinem Mann die völlig mit Erbrochenem vollgesogene Kleidung zu wechseln kam man dem nach.
Ich verließ an dem Tag nur kurz das Zimmer, da ich das Gefühl hatte, in meiner Abwesenheit würde keiner nach ihm sehen. Weder am Vortag noch an diesem Tag kam ein Arzt zur Visite.
Glücklicherweise könnte er an diesem Tag ruhig schlafen. Erst elf Uhr nachts verstärkten sich die Schmerzen wieder und er bekam Luftnot.
Ein Uhr morgens durfte er uns dann verlassen. Trotz aller Erlebnisse war ich froh, bis zuletzt bei ihm geblieben zu sein und seine Hand gehalten zu haben
Leider hat es in dieser Zeit niemanden auf der Station interessiert, wie es den Angehörigen mit der Situation geht.
Es gibt keinen Psychologen, den man ggf.ansprechen könnte. Einzig ein Pastor lässt sich hin und wieder auf der Station sehen. Dem geht es aber hauptsächlich um seine Gottesdienste und die Möglichkeit sie besuchen zu können. Ärzte konnte ich in fünf Wochen nur dreimal sprechen. Die Gespräche fanden auf dem Gang statt. Insgesamt gesehen fühlt man sich als Patient und Angehöriger alleingelassen. In den letzten zwei Tagen waren wir mehr oder weniger auf uns alleingestellt.
Ich entschuldige mich für diese wirklich sehr lange
Bewertung. Allerdings fand ich es wichtig ausführlich darüber zu berichten, da hier ein "Personal unfreundlich, Hygiene mangelhaft, etc.nicht reicht."
Abschließend möchte ich sagen das ein menschenwürdiges Sterben anders aussieht. Erschüttert hat mich ein Satz einer 82jährigen Frau, deren Mann ebenfalls Patient der Palliativstation war: "Ich hatte bis jetzt nie Angst vorm sterben - jetzt habe ich furchtbare Angst". Diese Aussage sagt alles über diese Station.[verkleinern]
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