Überall auf der Welt errichten die Sieger auf Schlachtfeldern Denkmäler, die vom eigenen Ruhm künden. Die Schlacht um die Seelower Höhen östlich von Berlin, der größten Schlacht des 2. Weltkrieges auf deutschem Boden, bildet da keine Ausnahme. Auf den eroberten Stellungen des deutschen Gegners erhebt sich am östlichen Stadtrand von Seelow direkt an der einstigen Reichsstraße 1 (später DDR-Fernstraße, dann Bundestraße, nach Bau der Ortsumgehung entwidmet) das monumentale Denkmal für die Schlacht... weiterlesen um die Seelower Höhen vom April 1945, heute ein Kulturdenkmal des Landes Brandenburg.
Fährt man heute durch die Ebene zwischen Seelow und der Oder kann man sich nur schlecht bis gar nicht vorstellen, daß hier vor ziemlich genau 69 Jahren die größte Schlacht auf deutschem Boden tobte. Nachdem die Rote Armee im Februar 1945 die Oder überschritten und sich am Westufer festgesetzt hatte, bereitete Marschall Shukow von seinem Befehlsstand auf dem Reitweiner Sporn (siehe dort) die „Berliner Operation“ seiner 1. Belorussischen Front (entspricht einer deutschen Heeresgruppe) vor, während die deutsche Heeresgruppen Weichsel (Generaloberst Heinrici) und Mitte (Generalfeldmarschall Schörner) sowie die 9. Armee (General Busse) eine letzte Verteidigungslinie vor der Reichshauptstadt bis zur Neiße hin aufbauten.
Schließlich standen sich im Großraum Seelow über 1,1 Millionen Soldaten gegenüber (ca. 1 Million Rotarmisten, 78.000 Soldaten der 1. Polnischen Armee, 100.000 Deutsche). Die sowjetischen und polnischen Truppen verfügten über kampferfahrene Einheiten mit über 3000 Panzern sowie fast 17.000 Geschützen und Geschoßwerfern. Die deutsche Seite verfügte über 100.000 Mann, zusammengewürfelt aus regulären Wehrmachts- und Waffen-SS-Verbänden, aufgefüllten Reserveeinheiten mit kaum ausgebildeten Soldaten und z.T. minderjähriger Hitler-Jugend sowie unausgebildetem und kampfunerfahrenem Volkssturm. Die deutsche Seite hatte etwa 500 Panzer und etwa 800 Geschütze.
Im April 1945 waren die sowjetischen Angriffsvorbereitungen abgeschlossen und Marschall Shukow gab in den Morgenstunden des 16.4.1945 den Angriffsbefehl. Die sowjetisch-polnische Offensive begann mit einem der gewaltigsten Artillerie-Trommelfeuer der Geschichte aus ca. 17.000 Geschützen und Geschoßwerfern. Da die deutsche Militärführung auf einen Angriff an diesem Tag vorbereitet war und die Truppen daher auf rückwärtige Stellungen zurück genommen hatte, ging der sowjetische Artillerieschlag de facto ins Leere. Deutsche Pioniere hatten außerdem durch Öffnung eines Wasserreservoirs weite Teile des Oderbruchs überflutet und in eine Sumpflandschaft verwandelt und somit für sowjetische Panzer unpassierbar gemacht. Der von sowjetischen und DDR-Historikern als grandiose Kriegslist Shukows gepriesene Einsatz von 143 Flakscheinwerfern zur Gefechtsfeldbeleuchtung erwies sich als desaströser Fehlschlag. Statt die Deutschen zu blenden, streuten Nebel und Pulverdampf das Licht, blendete die eigenen Truppen und beleuchtete sie gegen die deutschen Truppen. So konnte die Rote Armee am ersten Tag lediglich 6 km Geländegewinn unter großen Verlusten verzeichnen.
Auch am zweiten Tag (17.4.1945) konnte die Rote Armee den Durchbruch trotz verlustreicher Angriffe nicht erringen, obwohl die deutsche Front vielerorts vor dem Zusammenbruch stand. Erst am dritten Tag der Schlacht gelang es Shukows Truppen, die letzte deutsche Linie auf den Seelower Höhen zu durchbrechen. Der Weg nach Berlin war frei.
Die dreitägige Schlacht kostete allein im Bereich Seelower Höhen ca. 70.000 Rotarmisten, 2.000 Polen und über 12.300 deutsche Soldaten sowie zahlreichen Zivilisten das Leben. Außerdem verlor die Rote Armee etwa 750 Panzer in diesem Bereich.
Unmittelbar nach Kriegsende befahl Marschall Shukow, an den Kampfweg seiner Armee mit Denkmälern zu erinnern. So wurden noch 1945 auf der Bastion König der Festung Küstrin (heute Kostrzyn – Polen) und auf den Seelower Höhen sowjetische Denkmäler errichtet. Denkmal und Soldatenfriedhof Seelow wurden am 27.11.1945 feierlich eingeweiht und von der DDR 1972 um Museumsbau, Verwaltungsgebäude und Vorplatz erweitert. Bis zum heutigen Tag wird der Soldatenfriedhof durch Zubettungen erweitert.
Vor dem Denkmalgelände steht das Verwaltungsgebäude, in dem sich auch die öffentlichen Toiletten befinden. Daneben befinden sich Park- und Vorplatz, auf dem seit 1972 zeitgenössische Militärtechnik aus sowjetischen und DDR-Beständen aufgestellt sind. Der Panzer vom Typ T 34/85 wurde 1944 im Panzerwerk Sormowo bei Gorki (Nishni-Nowgorod) gebaut. Daneben steht ein Geschoßwerfer (Katjuscha, Stalinorgel) auf einem ZIL-Nachkriegs-LKW. Weiterhin sind ein schwerer 120mm-Granatwerfer, eine 152mm-Haubitze und eine 76mm-Kanone aufgestellt. Ein großer Scheinwerfer oberhalb des Museums ist nicht zeitgenössisch. Er diente zu DDR-Zeiten zur Beleuchtung des Denkmals.
Während das Denkmalgelände frei zugänglich ist, werden beim Besuch des 1972 im Stil eines sowjetischen Bunkers in den Hang hineingebauten Museums 4 € Eintritt (ermäßigt 3 € / Stand 2020) fällig. Errichtet wurde das Museum von der DDR während der Umgestaltung des sowjetischen Denkmals zu einer offiziellen DDR-Gedenkstätte. Museum ist ein bisschen übertrieben. Eigentlich ist es nur ein großer Raum mit vielen Infotafeln, einigen wenigen Exponaten und mehreren Multimediastationen, wo Videos mit Zeitzeugen angeschaut werden können. Daneben gibt es noch einen kleinen Kinosaal, wo mit Filmen und einer Reliefkarte der Verlauf der Schlacht erklärt wird. Im Kassen-/Museumsshopraum kann man zahlreiche Bücher, Hefte, und DVD’s zum Thema „2. Weltkrieg“ kaufen, die man nicht so ohne weiteres im normalen Buchladen bekommt. Da die Ausstellung aus DDR-Zeit sehr einseitig auf das DDR-Geschichtsbild von der „Befreiung des deutschen Volkes vom Faschismus durch die Rote Armee“ ausgerichtet war, wurde nach der Wende die Museumskonzeption überarbeitet.
Herzstück der Anlage ist das Denkmalareal mit dem Soldatenfriedhof. Dieser wurde 1945 angelegt. Zu Füßen des Denkmals fanden zunächst 66 gefallene Rotarmisten ihre letzte Ruhestätte. Das Gräberfeld mit den roten Granitsteinen wurde 1972 angelegt. Die Umbettungen dorthin von einem anderen Soldatenfriedhof fanden erst 2008 statt. Weiterhin sind auf Tafeln die Namen von vermissten Sowjetsoldaten verzeichnet.
In Sichtachse zum Friedhof steht seit 2003 ein russisch-orthodoxes Kreuz (2013 erneuert) mit der Inschrift “Den Kindern Rußlands von der Mutter Kirche“. Unweit des Kreuzes befindet sich der „Platz der Ruhe“, von dem man einen Blick auf Teile des Schlachtfeldes aus der Sicht der deutschen Soldaten hat.
Das bronzene Denkmal eines überlebensgroßen Rotarmisten, der sich auf den Turm eines zerstörten deutschen Panzers stützt, schufen die sowjetische Bildhauer Lew Kerbel und Wladimir Zigal (wie auch das 2008 demontierte Denkmal in Küstrin/Kostrzyn und das Denkmal in Berlin-Tiergarten). Die Inschrift am Denkmal lautet: „Ewiger Ruhm den Helden gefallen in den Kämpfen mit den faschistischen Eindringlingen für die Freiheit und Unabhängigkeit der Sowjetunion“.
An der Steinmauer unterhalb am Aufgang zum Denkmal befindet sich eine Gedenktafel mit einem Zitat des DDR-Schriftstellers Helmut Preisler.
„Unvergessen seid ihr, Sowjetsoldaten!
Eingemeißelt den Steinen dauern die Namen.
Eingeprägt dem Gedächtnis leben die Taten.
Ihr gabt euer Leben, uns von Faschismus und Krieg zu befreien.
Was in euch brannte, soll in uns Fackel sein“
Sicher, aus heutiger Sicht ist dieser Pathos nicht mehr zeitgemäß. Dieser Spruch gehört nun aber mal zur denkmalgeschützten Anlage.
Auch heute ist das Thema „Schlacht um die Seelower Höhen“ noch nicht abgeschlossen. Bei Straßen- und Hausbau gehört in der Region eine Suche nach Munition durch Spezialisten zur Tagesordnung. Hunderte, wenn nicht tausende Kriegstote liegen noch in verschütteten Granattrichtern, Schützengräbern, Erdbunkern oder ungekennzeichneten Gräbern. Jedes Jahr werden Dutzende Tote zufällig gefunden oder zielgerichtet gesucht und geborgen von Vereinen und Organisationen, die es sich auf die Fahnen geschrieben haben, den Gefallenen, egal welcher Seite, ein würdiges Grab und eventuell ihren Namen wieder zu geben.
Wer Interesse hat, kann nach dem Besuch der Gedenkstätte versuchen, Spuren der Kämpfe vom April 1945 zu finden. Auf dem Reitweiner Sporn findet man Reste sowjetischer und auf den Seelower Höhen Reste deutscher Stellungen. So habe ich auf einer Höhe bei Libbenichen südlich von Seelow Reste deutscher Schützengräben gefunden (siehe Foto).
Ob großer, heute vielleicht befremdlich wirkender Pathos – angesichts der grausigen Ereignisse vor fast 70 Jahren, die so viele Opfer auf beiden Seiten forderten, ist die Gedenkstätte „Seelower Höhen“ ein Ort der Erinnerung an eine Zeit, die wir Nachgeborenen nicht erleben und erleiden mußten.[verkleinern]