"Wer zählt die Biere, nennt die Namen, die süffig hier zusammenkamen."
Sehr frei nach einem Spruch aus "Die Kraniche des Ibykus" vom Dichterfürsten Friedrich von Schiller möchte ich eine kleine Reihe von Bewertungen über Brauereien beginnen.
Weniger über die ganz Großen, welche ihre Produkte in so ziemlich jedem Getränkemarkt des Landes präsentieren, sondern über kleine bis mittelgroße Produzenten, die sich der Bierherstellung unter dem neudeutschen Oberbegriff "Craft-Beer" verschrieben... weiterlesen haben, aber auch durchaus einfach nur Pils, Helles oder Bockbier brauen.
Ich hab` zwar keinen Koffer in Berlin, aber weil dem Sprichworte nach aller guten Dinge drei seien, hier eine weitere ( und vorerst letzte ) Bier-Bewertung aus Bierlin. Dann geht die Reise nach Norden.
Lemke.
Was fällt mir dazu ein ? Der Willy aus Bremen ( Werder,Werder,Werder...)
und dann noch der Lembke ( mit b drinnen) und seine TV-Show ( welches Schweinderl hättens gern ?)
Man bemerkt, ich gehöre einer schon etwas angegrauten Generation an:-)
Bin aber jung genug, um einen Lemke in Berlin zu kennen, der ganz fantastisches Bier herzustellen vermag.
Und die Geschichte dazu geht so:
Besagter Lemke, Oliver mit Vornamen und in Heidelberg geboren, studierte Brauwirtschaft, ein Praktikum während dieses Studiums führte in in die Gasthausbrauerei "Luisen Bräu" in Berlin. Er reiste einige Jahre durch die Welt um in Brauereien u.a. in Japan und Venezuela zu arbeiten bzw. diese mit aufzubauen und lernte beständig dazu.
Nach Europa zurückgekehrt erinnerte er sich an seine Zeit in Berlin und machte sich dort ansässig.
1998 entsteht eine erste, selbst zusammengebaute Brauanlage in der Garage eines Freundes.
So starteten schon Weltkarrieren...
Ein Jahr später, viele verschiedene Bierstile ausprobiert, gebraut, getrunken, dann der scharfe Start. Ein leerstehender S-Bahnbogen am Hackeschen Markt wurde aus- und eine Brauereikneipe eingebaut. Um die 50 verschiedenen Biere kamen vom Start weg zum Ausschank und beim Kneipenvolk gut an. Um sich von anderen Bierkneipen abzusetzen, erinnerte sich Lemke seiner Erfahrungen aus Japan und hatte die Idee, die Speisekarte mal ganz anders zu gestalten, als in der Bierszene üblich.
Yakitori hieß das Zauberwort. Das sind kleine Grillspieße wie sie die Japaner halt gerne essen.
Kam anfangs ganz gut an, war ja was anderes. Aber gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht. Da Berlin nicht nur aus biertrinkenden Japanern besteht, sondern in der Mehrzahl aus "Ickes", die zur Molle was handfestes wollen, starb die Grillspießidee beizeiten.
Den Gästen war weder Craftbier zu hohen Preisen noch japanisches Fastfood in kostendeckender Menge zu verkaufen.
Dieser erste Versuch, der mit einem 300tausend-Mark-Kredit finanziert wurde hätte richtig in die Hose gehen können. Lemke riss rechtzeitig das Ruder herum und richtete sich nicht nur nach den eigenen Ideen, sondern nach den Wünschen der Gäste.
Die Biere blieben, wurden mehr , anders, besser. Nun neben den kostenintensiven Crafties auch für Normalgeldbeutler erschwingliches Pils, Helles, Bock - was der Gast eben kennt , mag und vor allem preislich für angemessen hält. Nicht jeder versteht auf Anhieb, das "Craft" aus dem amerikanischen ins deutsche übersetzt "Handwerk" bedeutet. Handwerk war schon immer teurer als industrielle Massenware.
Auf der Speisekarte fanden sich jetzt zudem die richtigen Speisen wie Eisbein, Bulette, Soleier .
Schnelle Essen, die satt machen und nicht die Welt kosten.
Das Geschäft lief nunmehr in den richtigen Bahnen, Geld kam in die Kasse , es konnte über Erweiterungen nachgedacht werden.
Erste Gelegenheit 2003. Die Tiergartenquelle , eine beliebte Studentenkneipe und ebenfalls in einem S-Bahnbogen zu finden, schließt. Lemke greift zu und eröffnet bald wieder. Natürlich mit Lemke-Bier und großem Erfolg.
Ein Jahr später, die Braukapazitäten im Stammhaus werden langsam knapp, eine weitere Gelegenheit. Leopold’s Brauhaus am Alexanderplatz steht zur Übernahme, Lemke macht das und eröffnet bald darauf das Brauhaus Mitte. Brauerei und Gaststätte unter einem Dach.
2007 der dritte Streich. Eine der ältesten Berliner Gasthausbrauereien schließt, ein für Lemke nicht unbekanntes Haus , denn im Luisenbräu absolvierte er Jahre zuvor sein Praktikum im Rahmen des Studiums.
Der Investitionen nicht genug, denn gleichzeitig werden die Kapazitäten der Brauerei am Hackeschen Markt verdoppelt, drei Jahre später eröffnet an der Tiergartenquelle ein Biergarten.
Ein tolles Jahrzehnt , geprägt von viel Arbeit, Riskofreudigkeit und letztlich großem Erfolg war zu Ende.
Weitere 10 Jahre später laufen die Brauereien und Gaststätten unter dem Namen Lemke sehr gut.
Inwieweit es durch die Corona-Krise zu Problemen kommt, bleibt abzuwarten.
Da die Biere aber nicht nur im Eigenausschank verkauft werden, sondern mittlerweile im gut sortierten Getränkehandel in ganz Deutschland, zudem im hauseigenen und auch diversen anderen Onlineshops erhältlich sind,
muss einem wohl nicht bange werden um dieses gelungen Berliner Bier-Startup, um es mal neudeutsch auszudrücken.
Ich genehmige mir ab und zu eines der Lemke-Biere , erhältlich in o,33-Liter Longneckflaschen.
Egal ob ein 030 , welches seinen Namen der Telefonvorwahl für Berlin verdankt ( da muss man erst drauf kommen...) , Original (dunkles Lager ), Black Rye IPA oder ( mein absoluter Favorit ) ein Spree-Coast ( Westcoast IPA ) - die schmecken einfach alle. Jedes anders, aber alle gut.
Das Spree-Coast ist dabei eine hopfige Offenbarung. So viel Geschmack, Fülle, ausgewogene Bitternote und trotzdem Süffigkeit bei 6,9 vol. % alc verdienen es eigentlich, aus dem Schnapsgläschen in wönzigen Schlöckchen genossen zu werden.
Bevor ich nun virtuell gen Norden reise, werde ich gleich noch eine Bestellung im Lemke-Onlineshop abgeben.
Vielleicht wage ich mich diesmal sogar an die eigentlich untrinkbare ( für meinen Gaumen ) Berliner Weisse.
Man kann nur drüber reden, wenn dieses Gesöff selbst probiert wurde :-)[verkleinern]