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Die Ende der 1920er Jahren erbaute Friedenskirche im östlichen Berliner Ortsteil Niederschöneweide (Stadtbezirk Treptow-Köpenick) ist eine der jüngeren Berliner Stadtkirchen.
Kirchenadministrativ gehörte die bis 1920 selbstständige Ortsgemeinde Niederschöneweide bis 1908 zur St.-Laurentius-Stadtkirchengemeinde der benachbarten Stadt Cöpenick (seit 1931 Köpenick).
Als man eine eigene Kirchengemeinde bildete, wollte man auch gerne eine eigene Kirche, denn für Gottesdienste wurde die Aula der... weiterlesen Gemeindeschule genutzt. Zunächst scheiterte das Vorhaben an einem fehlenden Grundstück und am Geld.
1919 wurde ein Kirchenbauverein gegründet, der fleißig Spenden sammelte. Anfang 1922 hatte man finanzielle Mittel im Gegenwert von 7500 Goldmark zusammen – dann kam die Inflation und Ende Juli 1923 war das Kirchenbauvereinsvermögen noch 1,50 Goldmark wert ….
Trotz „Geld weg“ stellte sich das Problem eines Kirchenneubaus. Niederschöneweide hatte sich zum Industriestandort entwickelt, die Bevölkerung und somit die Zahl der Gläubigen hatten sich vervielfacht.
So wurde 1925 eine Kirchenbaukommission ins Leben gerufen und 1927 ein Architektenwettbewerb für einen kirchlichen Komplex ausgeschrieben: Kirche, Pfarrhaus, Gemeindezentrum und Kindergarten.
Es gewann der Entwurf der Architekten Friedrich Schupp (1896-1974) und Martin Kremmer (1894-1945 bei einem Luftangriff).
Wie geplant konnte der Gesamtentwurf nicht ausgeführt werden – es fehlte der Kirchengemeinde das nötige Geld. So wurde beschlossen, zunächst nur die Kirche zu bauen und auch die wurde über Kredite finanziert. Die letzte Kreditrate wurde 1971 getilgt …
Der Bau ging dann zügig voran – 1929 war Grundsteinlegung und am 11.5.1930 erfolgte die feierliche Einweihung der Kirche. Reichspräsident Paul v. Hindenburg (1847-1934 / Reichspräsident seit 1925) sandte der Kirchengemeinde auf diesem Anlass ein persönlich unterzeichnetes Grußschreiben, das bis heute erhalten ist und in der Kirche gezeigt wird.
Dass sich Schupp und Kremmer neben Sakralbauten hauptsächlich einen Namen mit Industriebauten gemacht hatten, kann die Kirche kaum verleugnen. Wäre da nicht der Kirchturm mit Kreuz – der ganze Bau im Stil des Backsteinexpressionismus (Neue Sachlichkeit) könnte auch als Fabrikgebäude durchgehen.
1935 wurde die Brauthalle (Raum vor dem eigentlichen Kirchenschiff, diente ursprünglich als wettergeschützter Wartebereich für Hochzeitsgesellschaften) auf Initiative der örtlichen NSDAP-Gruppe und der nazinahen protestantischen Vereinigung „Deutsche Christen“ zur Gedenkhalle für die 345 gefallenen Gemeindemitglieder des 1. Weltkriegs umgewidmet. Auf jeder Seite der Halle sind je 3 eiserne, 1937 geweihte Tafeln angebracht: je 2 Tafeln mit den Namen und je 1 Widmungstafel.
Eine Widmungstafel trägt unter einem Eisernen Kreuz den Spruch: „Niemand hat grössere Liebe denn die, dass er sein Leben lässet für seine Freunde 1914-1918“.
Die Widmung unter einem deutschen Stahlhelm auf der gegenüberliegenden Seite lautet: „Der Tod hat uns unter die Erde gepflügt, nun erntet 1914-1918“.
Die Idee von NSDAP und „Deutschen Christen“, Tafeln mit den Abbildungen von Paul v. Hindenburg und Adolf Hitler anzubringen, fand im Gemeindekirchenrat keine Mehrheit. Statt dessen entschied man sich für die oben beschriebene Form.
1943 wurde direkt neben der Kirche das NS-Zwangsarbeiterlager „GBI-Lager 75/76“ errichtet. Die Kirchengemeinde schwieg dazu genauso wie zu den vorherigen antisemitischen Pogromen und der Deportation jüdischer Mitbürger.
Indirekt wurde die Friedenskirche 1944 ein Opfer des 2. Weltkriegs. Fortwährende Erschütterungen und Druckwellen der Bombenexplosionen bei den Luftangriffen und der in der Nähe feuernden Flakbatterie verursachten vermutlich Wackelkontakte in der Elektrik, die am 12.3.1944 (Ostersonntag) einen Brand durch Kurzschlüsse auslösten. Kirchenschiff und Turm brannten aus.
Obwohl es im Nachkriegs-Berlin sicher wichtigere Projekte gab, wurde die Friedenskirche 1951/52 wiederaufgebaut. Verantwortlich war der Architekt Herbert Erbs, der sich weitgehend am ursprünglichen Zustand orientierte, an der Decke und deren Trägern aber Veränderungen vornahm.
1957 erhielt die Kirche als Ersatz für die verbrannte Orgel ein neues Instrument der Orgelbaufirma Sauer.
1983 erfolgte unter der Orgelempore der Einbau einer Winterkirche.
Man betritt die Kirche durch das Portal unter dem Kirchturm. An die Ehrenhalle/Brauthalle schließt sich die Winterkirche an, von der man dann ins Kirchenschiff gelangt. Auffällig ist die Deckenkonstruktion, die an ein umgekipptes Boot erinnert. Dem Eingang gegenüber befinden sich Altar, Kanzel und Taufstein – geschaffen vom Bildhauer August Rhades (1886-1979). Die 3 Werke gehören zur Erstausstattung und haben den Kirchenbrand von 1944 unbeschadet überstanden.
Die Kanzel ist aus Kalkstein. Auf der von Martin Luther (1483-1546) und Philipp Melanchthon (1497-1560) flankierten Kanzelfrontseite ist die letzte Strophe des Kirchenlieds „Eine feste Burg ist unser Gott“ in Stein gehauen.
Der Taufstein aus Kalkstein mit der Messingtaufschale trägt zwei Sprüche aus dem Matthäus-Evangelium (Kindersegnung Jesu und Matthäus 28:19).
Beim Altar gehen die Angaben über das Material auseinander. Wikipedia sagt Kunststein, die Kirchenwebsite sagt Kalkstein. Vielleicht ist der Tisch aus Kunststein und der Altaraufsatz aus Kalkstein – ich weiß es nicht.
Der als Triptychon gestaltete Altaraufsatz zeigt auf der mittleren Tafel die Auferstehung Jesu, auf der linken Tafel die Anbetung des Christuskinds und auf der rechten Tafel die Ausgießung des Heiligen Geistes.
Dem Altar gegenüber befindet sich die Sauer-Orgel von 1957.
Die Kirchenfenster sind alles Neuanfertigungen aus den 1950er Jahren, denn die Originale wurden beim Kirchenbrand zerstört.
Die Kirchengemeinde ermöglicht Interessierten 2x pro Woche (Dienstag und Sonnabend) außerhalb von Gottesdiensten und Veranstaltungen den Besuch der Kirche.[verkleinern]
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