- bestätigt durch Community
- Ausgezeichnete Bewertung
Zweite Jüdische Versorgungsanstalt klingt etwas sperrig. Es handelt sich dabei um das 2. Altersheim der Jüdischen Gemeinde zu Berlin aus der Vor-Nazizeit.
Zu übersehen ist der markante Bau aus gelben Backsteinen in der Schönhauser Allee keine 300 m vom Senefelderplatz im Stadtteil Prenzlauer Berg (Stadtbezirk Berlin-Pankow) nicht.
Wie auch das 1. Jüdische Altersheim in der großen Hamburger Straße (ca. 1,5 km Luftlinie nordöstlich) grenzt auch diese Einrichtung an einen jüdischen Friedhof –... weiterlesen ein Schelm, der Arges dabei denkt – kurze Wege eben …
Das 1829 eröffnete 1. Altersheim reichte 50 Jahre später nicht mehr aus. 1882 erwarb der deutsch-jüdische Berliner Fabrikant Moritz Manheimer (1826-1916) das Grundstück Schönhauser Straße 22 und ließ dort zusammen mit seiner Frau Bertha (geb. Lehwess / 1837-1918) als Stiftung eine zweite derartige Einrichtung, die 2. Jüdische Versorgungsanstalt, erbauen.
Der Entwurf des dreietagigen Hauses stammte vom deutschen Architekten Carl Schwatlo (1831-1884).
1883 erfolgte die Eröffnung in Anwesenheit der Kaisergemahlin Auguste Viktoria (geb. Prinzessin v. Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg / 1858-1921 / von 1888-1918 Königin v. Preußen und Deutsche Kaiserin).
1886 und 1892 erfolgten Erweiterungen auf die heutige Größe.
80 Senioren konnten nun betreut werden. Bedingung für die Aufnahme war, die Menschen mussten jüdischen Glaubens, bedürftig und mindestens 60 Jahre alt sein sowie 15 Jahre in Berlin gelebt haben.
Das Ende des Altersheims kam mit der „Wannsee-Konferenz“ vom Januar 1942 und der von den Nazis beschlossenen „Endlösung der Judenfrage“.
Mit dem ersten „Großen Alterstransport“ aus Berlin wurden am 17.8.1942 die meisten der zu diesem Zeitpunkt über 100 Heimbewohner ins KZ Theresienstadt (heute Terezin in Tschechien) deportiert. Dort starben fast alle später an den Haftbedingungen oder wurden, z.T. in anderen NS-Vernichtungslagern, ermordet.
Nach dem Abtransport der letzten jüdischen Bewohner im Jahr 1943 nutzte das NS-Regime das Haus als Lager für Zwangsarbeiterinnen aus der UdSSR, vor allem aus der Ukraine.
1944 wurde die Jüdische Gemeinde enteignet und das Grundstück der Stadt Berlin überschrieben. Den 2. Weltkrieg mit seinen Luftangriffen und den schweren Kämpfen während der Schlacht um Berlin im April und Mai 1945 überstand das Haus relativ unbeschadet.
Ende 1946 gründete die „Sowjetische Militäradministration in Deutschland“ (SMAD) mit der „Deutschen Verwaltung des Inneren“ (DVdI) eine Polizeibehörde für ihre Besatzungszone und übergab das Haus der DVdI als Dienstelle für die Polizei im sowjetischen Sektor Berlins.
Mit Gründung der DDR 1949 wurde aus der DVdI die „Deutsche Volkspolizei“ (VP).
Bis 1990 hatte im Gebäude die Volkspolizei-Inspektion (VPI) Prenzlauer Berg ihren Sitz. In der DDR-Zeit hatte jeder Ost-Berliner Stadtbezirk eine VPI als höchste Polizeidienststelle.
1973 baute das DDR-Innenministerium im Tiefkeller einen Schutzbunker ein.
Außerdem gab es einen Zellentrakt, der während der Demonstrationen vom 7. und 8.10.1989 gegen die SED-Führung eine unrühmliche Rolle spielte. Zahlreiche Verhaftete wurden in den Kellern der VPI menschenunwürdigen Behandlungen durch Polizisten ausgesetzt.
Nach der Wiedervereinigung nutzte die Polizei des Landes Berlin bis 2000 das Haus weiter als Dienststelle.
Anschließend stand das Haus jahrelang leer und wurde an die Jüdische Gemeinde rückübertragen. Zur Überwindung von Liquiditätsproblemen verkaufte die Gemeinde die Immobilie 2010 an die Primus AG, die das Gebäude sanierte und um einen Erweiterungsbau ergänzte. Das ganze Ensemble wird jetzt als Gewerbe- und Eigentumswohnanlage „Residenz22 / Haus Manheimer“ genutzt.
Im ehemaligen Altersheim entstanden 17 Luxus- und Eigentumswohnungen.
Seit 2015 wird an die Geschichte des Hauses mit einer „Berliner Gedenktafel“ erinnert. Besichtigen kann man das Haus nicht.
Das Stifterehepaar Moritz und Bertha Manheimer ist auf dem benachbarten jüdischen Friedhof beigesetzt. Das Grabmal aus den gleichen Steinen wie das Altersheim ist erhalten. Die Grabtafel wurde 1938 vom Nazi-Mob zwar zerschlagen, konnte aber in der Gegenwart wieder zusammengesetzt und am Grabmal angebracht werden.[verkleinern]
Der Beitrag wurde zuletzt geändert