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In vielen Städten gibt es Stadtteile, die selbst die Einheimischen von „Hörensagen“ her kennen. Bei mir kann ich das von Unterrath sagen. Es bedurfte meiner Entscheidung, dass ich mich mal auf den Weg dahin gemacht habe. Dieser liegt im Düsseldorfer Norden unweit des Flughafens. Bei meinem Rundgang durch die Gegend sind mir einige Kunstwerke aufgefallen, die auf seine Vergangenheit hinweisen. Auf den ersten Blick hin, ist es nicht mal ersichtlich, wie lange die ersten Siedlungsspuren... weiterlesen zurückreichen. Unterrath blickt auf eine bewegte Geschichte, die man anhand dieses Brunnens nachvollziehen kann! Habe sehr lange gebraucht, um den passenden Hintergrund zu finden. Trotz das die Stadt Düsseldorf über mehrere 100 Kunstwerke im öffentlichem Raum verfügt (mehr als 550!) die wenigsten von ihnen verfügen über die Hintergrundinfos, worum es sich eigentlich handelt! Erneut zeigte sich, dass auch, wenn auf der Wasserschale die Szenen beschriftet sind, man den dazugehörigen Kontext, in dem es aufgestellt wurde, nicht sofort erkennen kann! Meine Eingebung, dass es sich um eine Arbeit von Karl-Heiz Klein handeln könnte, der mit einigen weiteren im Stadtgebiet vertreten ist, wurde tatsächlich eine Richtige. Wie die vor mehreren Jahren vorgestellten Brunnen in der Altstadt und Gerresheim zeigt dieser einige markante Szenen des geschichtlichen und kulturell-gesellschaftlichem Kontext Unterraths. Als ich diese Fotos gemacht habe, wie man sehen kann, befand sich dieser nicht im Betrieb. Dennoch gefällt mir diese Darstellung so gut, dass ich es an dieser besonderen Stelle auf den sog. „Folklorebrunnen“ hinweisen möchte! Es ist nicht nur mein 2750. Beitrag auf GL, sondern auch gleichzeitig mein 800. in der Landeshauptstadt Düsseldorf! Wenn selbst ich von diesem Fund überrascht gewesen bin, dann soll es kein weißer Fleck auf der Plattform bleiben!
Im Laufe des letzten Jahrzehnts, seitdem ich hier auf der Seite aktiv bin, habe ich einige Werke von Karl-Heiz Klein im Stadtgebiet entdeckt. Der besagte Brunnen, der gleichwohl an die Geschichte aber auch an den Brauchtum erinnern soll, ist der dritte in einem solchem Zusammenhang. Dieser ist der Älteste unter ihnen. Erneut geht die Initiative von der Stadt Düsseldorf zurück. Diesem Zweck ging ein Wettbewerb voraus, bei dem der besagte Künstler als Sieger hervorging. Bin selbst darüber erstaunt, dass dieses bereits 1964 gewesen war. Bei den anderen beiden „Heimatbrunnen“ (an der Maximiliankirche und am Gerricusplatz) erfolgte dies erst in etwa 20 Jahre später! Seine markante „Handschrift“ ist bereits in dieser frühen Phase seines Schaffens bestens erkennbar! Es werden einzelne Begebenheiten oder Verweise auf sehr alte (zum Teil „brachiale“) Traditionen, die bis heute gepflegt werden! Eine von ihnen (wie ich gelesen habe) polarisiert sehr stark. Mehr darüber etwas später!
Der „Folklorebrunnen“ liegt in einem Wohngebiet. Falls man sich diesen Anschauen wollte, hat mehrere Möglichkeiten diesen zu erreichen. Man nimmt die S 1 (z.B. ab HBF) Richtung Duisburg (Essen, Dortmund) und steigt an der HS Unterrath. Von dort sind es ca. 500 Meter bis zum „Kelsweg“. Die andere Option ist den Bus 730 bis HS „Unterrath, Kirche“ zu nehmen, die direkt neben dem Brunnen sich befindet. Was meine Aufnahmen von dem Brunnen anbelangt, kann keine besseren anbieten, weil ich sie gegen die Sonne machen musste. Das hat auch dementsprechend auf deren Qualität auswirkungen. Wegen der weiten Entfernung zu diesem Stadtteil für mich, kann ich nicht mal sagen, wann ich welche machen kann…
Zu den bevorzugten Materialien, die der im letzten Jahr (Mai 22) verstorbene Klein vorwiegend verwendet hatte, waren Bronze in Verbindung mit verschiedenen Steinen. Bei diesem handelt es sich um Granit. Der Grundriss des Folklorebrunnens ist qaudratisch und jede Seite misst je 3,6 Meter. Das gleiche gilt auch für die Höhe der Stele, die in der Mitte des Beckens angebracht wurde. Wenn man sich die Darstellungen auf den vier Tafeln anschaut, so war jedenfalls meine Assoziation gewesen, erzählen sie unterschiedliche Geschichten! Es sind 12 „Doppelbilder“ bei der abwechselnd je ein passender Kopf hinzugefügt wurde. Je zwei der Reliefs haben einen geschichtlichen bzw. „Brauchtums-orientierten“ Hintergrund. Zur besseren „Orientierung“ möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass ich jeweils von oben nach unten beschreiben werde. Beginnen möchte ich mit der, die zur Straße aus ausgerichtet ist.
Vor Jahrhunderten, als Rath vor 1900 ein eigenständiger Ort gewesen war, gehörte die sog. „Bürgerwehr“ zu den „Pflichten“ der meisten männlichen Bewohner. Heutzutage erinnern höchstens Vereine mit ihren (beliebten) Schützenfesten daran. Es gibt zwei unterschiedliche Daten, die auf eine solche „Schützenbruderschaft“ verweisen. Zum einen als ein „Kirchendienst“ gegenüber jener in Kalkum, zu der es 1429 gehörte. Die andere, die in dem Zusammenhang nachweisbar ist, das ist die sich das heutige Verein die St. Sebastianus Bruderschaft. Jene wurde im Jahr 1600 gegründet. Auf dem Relief kann man mehrere Männer mit einer Standarte und Waffen erkennen. Im Hintergrund ist ein Bogenschütze, der auf eine Figur zielt.
Die nächste Szene ist mMn. die einzige, die von von der vorher erwähntem „Schema“ abweicht: es geht indirekt um Handel in Verbindung mit der Landwirtschaft. Bis 1909 war die Gegend davon bestimmt. Heutzutage ist selbstredend keine Rede mehr davon. Jedenfalls im größerem Radius um diesen Brunnen. Für eine solche Tätigkeit werden Tiere benötigt und hierbei sieht man einen Pferdekarren beladen mit Säcken. Es könnte sich um Kartoffeln bzw. andere Feldfrüchte handeln. Gleichwohl kann man einen Pferdeverkauf im Hintergrund erkennen.
Wenn man sich (erneut) dem Brauchtum zuwendet, wird deutlich, dass das was vor Jahrhunderten als eine „Belustigung“ / Zeitvertreib verstanden wurde, heutzutage zum Teil (wie angedeutet) sehr polarisieren! Dazu gehört das sog. „Hahneköppen“. Mir war es bis jetzt noch gar nicht bekannt gewesen. In der Quelle, auf die ich zurückgreife, heißt es zwar, dass es „ausgestorben“ sei, dennoch auf sehr unterschiedlichen Seiten wird gezeigt, dass das weiterhin praktiziert wird :(!!!!!!!!! Man sieht verschiedene Personen (sogar ganze Familien, die dennoch dem Geschehen abgewandt sitzen / stehen). Erneut im hinteren Bereich gibt es einen „Galgen“, auf dem ein Huhn erkennbar ist. Die besagte Aufgabe (sorry am frühem Morgen) besteht darin, dem (früher lebendigem) Federvieh mit verbundenen Augen mit einem Knüppel den Kopf anzuschlagen :O! Wem das gelingt, kann das Tier für sich beanspruchen. Aus Berichten weiß man, dass der Verzehr von Fleisch in den zurückliegenden Jahrhunderten eher selten vorgekommen ist. Da kann man vielleicht von dieser Seite verstehen, dass eine solche Tradition ehemals sehr beliebt gewesen ist. Mit dieser Szene ist ein sehr markanter Kopf verbundenen: ein Mann mit verbundenen Augen, wie es bei dem „Spiel“ üblich gewesen ist. Ob der Dargestellte unbedingt dabei grinsen muss, möchte ich lieber nicht kommentieren!
Die Geschichte kann auf unterschiedliche Arten dargestellt werden: in der Spätantike gab es schon Römer am Niederrhein. Es ist mir dennoch nicht klar, welche Bewandtnis sie mit Rath zu tun haben??????????!!!!!!!!! Das war (bekanntermaßen) auf der anderen Seite des Stroms gewesen. Bei den vorliegenden Hinweisen wird darauf hingedeutet, dass einige der hier ansässigen Germanen sie „überfallen“ haben sollen. Die „Zipfelmützen“ auf ihren Köpfen deute ich hingegen als „künstlerische Freiheit“ an. Passend dazu gibt e auf der anderen Seite einen Römerkopf.
Die nächsten beiden Szenen hängen geschichtlich und räumlich zusammen: Seit dem 1224 gab es mehrere Klostergemeinschaften in Rath. Vielleicht würde das weiterhin der Fall gewesen, wenn das Karthäuserkloster in den 1950-er Jahren zugunsten des Flughafenausbaus abgerissen werden musste! Dort an der besagten Stelle gibt es eine weitere Skulptur von Karl-Heiz Klein, die einen solchen Mönch dargestellt. Hier ist dieser gleichwohl mit einem entsprechendem Kopf vertreten. Daneben eine Nonne, die sich karitativen Tätigkeiten zuwendet. Lt. dem was ich gelesen habe, soll diese Klause (Einsiedelei) an mir unbekannter Stelle geben.
Die wenige Freizeit, die ehemals zur Verfügung stand, wurde mitunter (aus heutiger Sicht) für derbe Späße verwendet. Dazu gehörte das sog. „Schinkenklopfen“. Im Gegensatz zu dem vorher beschriebenem „Treiben“ dieses ohne „Tierquälerei“ auskommt. Dennoch wie man es bei der Abbildung erkennen kann, geht es dennoch um eine körperliche Züchtigung. Das kann man bereits am entblößtem Hinterteil erkennen. Diese Person wird von zwei weiteren flankiert / festgehalten. Das lass ich auch unkommentiert.
Das „Opferhaus“ ist heutzutage eine Straßenbezeichnung. Es gibt sogar ein Gedicht, der sich auf dieses bezieht. Was ich daran spannend finde, dass es sich einen Ausnüchterungsraum! Passend dazu gibt es einen Kopf eines Betrunkenen. Bei der Darstellung sieht man einen Mann, mit einer Flasche in der Hand, der von weiteren Personen in einen Schubkarren gepackt wird.
Bevor es von einer Siedlung die Rede sein konnte, gab es eine Art „Urwald“. Für die notwendige Urbarmachung gab es einige Männer, die die Bäume abgeholzt haben. Mit den „Rodebauern“ wird an diese Errungenschaft erinnert. Gleichzeitig waren sie die ersten Bewohner Raths. Warum als Kopf eines Fauns dazu gewählt wurde, das wird sicherlich ein Geheimnis bleiben!
In der weit zurückliegenden Vergangenheit war Rath ein wichtiger Gerichtshof gewesen. Dort wurden vor allem die auferlegten Steuern, Abgaben, Strafen vollstreckt. Gleichzeitig wurden aber auch kleinere Streitigkeiten unter den Bewohnern beglichen. Zu jener Zeit war es dem heutigen Stadtteil Angermund unterstellt, in dessen Auftrag es jeweils abgehalten wurde. Mit dem Lauf der Zeit ist es zum Oberlandesgericht der Regionen zwischen Rhein, Ruhr und Wupper geworden. Im Mittelpunkt steht ein Richter, der an einem Tisch sitzt. Ein solcher Kopf (mit Brille) ergänzt das ganze.
Ein weiteres festes Termin im Jahreslauf ist bis heute der St. Martinsumzug. Dieser ist bis jetzt eine sehr beliebte Veranstaltung, die seit einiger Zeit zum immateriellem Kulturgut der UNESCO gewählt wurde! Der Kinderumzug mit Laternen und darauf wird hingewiesen erfolgt in November rund um den Fest des besagten Heiligen. Laut der Legende hat der Reiter seinen Mantel mit einem Bettler geteilt. Dieser ist auch mit einer entsprechenden Darstellung als Kopf verewigt.
Als letzte Szene ist Rath als Industriestandort dargestellt: die nicht mehr existierende Röhrenfabrik wird abgebildet. Da endet der Reigen rund um den Folklorebrunnen. Es ist erneut sehr lang geworden aber bei einem solchen doppelten Anlass kann es ein wenig mehr werden ;). Besser so als ein weißer Fleck…[verkleinern]