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Die Stiftskirche zu St. Georg wurde zwischen 1470 und 1490 unter Graf Eberhard V. v. Württemberg (genannt Eberhard im Bart) auf altem Kirchengrund erbaut. Bereits Ende des 12. Jahrhunderts ist an der Stelle ein Kirchenbau belegt. Zunächst Pfarrkirche wurde St. Georg 1476 mit dem Umzug des Chorherrenstifts Sindelfingen nach Tübingen zur Stiftskirche erhoben. Der Chor diente der 1477 von Eberhard im Bart gegründeten Uni Tübingen als Aula. Mit der Reformation wurde das Chorherrenstift 1534... weiterlesen aufgehoben und 1537 erklärte man St. Georg wieder zur Stadtpfarrkirche.
Seit 1342 war die Burg/Schloß Hohentübingen eine Residenz der Grafen v. Württemberg, die 1495 vom deutschen König zu Herzögen erhoben wurden. Unter Herzog Ulrich wurde der Chor der Kirche 1550 zur Grablege der württembergischen Herrscherfamilie umgebaut. So ist die Stiftskirche heute ein wichtiger Ort württembergischer Geschichte.
Hinter Altar und steinernem Lettner, der einst die Priester- von der Laienkirche trennte, gelangt man in den Chor mit den prachtvollen Grabmalen. Die Tübinger Stiftskirche ist eines der wenigen reformierten Gotteshäuser, in denen der trennende Lettner bestehen blieb. Herzog Ulrich hatte es so bei der Anlage der Grablege gewünscht.
Was man sieht, sind nur die Grabmale, sogenannte Kenotaphe. Die Särge stehen in einer Gruft, genau unter dem dazugehörigen Kenotaph. Heute befinden sich 15 Gräber in der Stiftskirche. Die Grabmale zeigen die Toten im Stile der Renaissance lebensgroß aufgebahrt liegend.
Der wohl wichtigste der hier Bestatteten ist der im Zusammenhang mit Tübingen oft genannte Graf/Herzog Eberhard im Bart. 1445 geboren, wurde er 1459 als Eberhard V. Graf von Württemberg-Urach und 1492 auch von Württemberg-Stuttgart. 1495 wurde er vom deutschen König Maximilian I. zum Herzog v. Württemberg und Teck erhoben. Allerdings verstarb Eberhard bereits 1496 auf Hohentübingen an Roter Ruhr, Fieber und Blasengeschwüren. Zunächst wurde Eberhard im Stift St. Peter auf dem Einsiedel beigesetzt und 1535 in die Stiftskirche Tübingen überführt. Eberhard war mit der italienischen Gräfin Barbara Gonzaga de Mantua verheiratet. Das Paar hatte nur eine, noch als Säugling verstorbene Tochter. Warum nun Eberhard im Bart? 1468 während seiner Pilgerfahrt nach Jerusalem, bei der Eberhard zum „Ritter vom Heiligen Grab“ geschlagen wurde, soll er gelobt haben, sich künftig nicht mehr zu rasieren.
Die weiteren Grabmale:
- Ulrich v. Württemberg (1487-1550). Als Eitel Heinrich geboren, erhielt er bei der Firmung den Namen Ulrich. Nach der Absetzung seines Onkels Herzog Eberhard II. wurde Ulrich 11jährig als dessen Nachfolger eingesetzt und gleichzeitig mit der 6jährigen Sabina v. Bayern verlobt. Die Hochzeit fand 15 Jahre später statt. Das Paar hatte eine Tochter und einen Sohn. Ulrich war der erste protestantischer Herrscher Württembergs. 1519 wurde Ulrich von den Österreichern vertrieben und konnte erst 1534 sein Herzogtum zurück erobern. Ulrich gilt als Mörder auf dem Herzogsthron, erschlug er doch 1516 den Ehemann seiner Geliebten.
- Sabina v. Bayern (1492 - 1564). Nach 15 Jahren Verlöbnis wurde sie 1511 auf kaiserliche Weisung mit Herzog Ulrich v. Württemberg verheiratet. Die glücklose Ehe endete mit der Flucht Sabinas nach Bayern.
- Anna v. Württemberg (1513-1530). Die Tochter von Herzog Ulrich und Sabina v. Bayern starb 17jährig an der Pest.
- Eva Christina v. Württemberg-Mömpelgard (1558-1575). Die Tochter von Graf Georg I. von Württemberg-Mömpelgard (Bruder von Herzog Ulrich) starb 17jährig. Ihr Grabmal ist farbig gestaltet..
- Ludwig I. v. Württemberg (1412-1450). Er wurde nach dem Tod seines Vaters Eberhard IV. noch minderjährig zum Grafen v. Württemberg erklärt. 1441 erfolgte nach der Volljährigkeit seines Bruder Ulrich die Reichsteilung in Württemberg-Urach (Ludwig ) und Württemberg-Stuttgart (Ulrich). Ludwig war mit Mechthild v.d. Pfalz verheiratet. Das Paar hatte 2 Töchter und 3 Söhne, darunter Eberhard im Bart. Graf Ludwig starb an der Pest.
- Mechthild von der Pfalz (1419-1482). Die Tochter des Kurfürsten Ludwig von der Pfalz wurde bereits im Alter von nicht mal 9 Monaten mit dem 7jährigen Grafen Ludwig I. v. Württemberg verlobt. Die Ehe wurde 1436 geschlossen. Nach dem frühen Pesttod ihres Mannes 1450 heiratete sie 1452 Erzherzog Albrecht VI. v. Österreich. Nach dem Tod Albrechts 1463 zog Mechthild zurück ins württembergische Rottenburg am Neckar. Ihren Sohn Eberhard im Bart überredete sie zur Gründung der Universität Tübingen. Die deutsche Übersetzung des Decamerone geht auf ihre Initiative zurück.
- Rudolf v. Braunschweig-Wolfenbüttel (1602-1616). Der Sohn von Herzog Heinrich Julius v. Braunschweig-Wolfenbüttel (1564–1613) und dessen Frau Elisabeth v. Dänemark wurde 13jährig als Bischof Rudolf III. v. Halberstadt zum protestantischen Administrator des Bistums Halberstadt gewählt. Während seines Studiums in Tübingen verstarb er 2 Tage vor seinem 14. Geburtstag.
- Christoph v. Württemberg (1515-1568). Der Sohn von Herzog Ulrich und dessen Frau Sabina v. Bayern war von 1550-1568 der vierte Herzog von Württemberg. Nach der Flucht seiner Mutter verbrachte er den größten Teil seiner Kindheit und Jugend in Österreich. Seit 1544 war er mit Anna Maria v. Brandenburg-Ansbach verheiratet. Das Paar hat 4 Söhne und 8 Töchter
- Anna Maria v. Brandenburg-Ansbach (1526-1589). Die Tochter des Markgrafen Georg v. Brandenburg-Ansbach wurde 1544 mit Erbprinz Christoph v. Württemberg verheiratet. Aus der Ehe gingen 12 Kinder hervor. Nach dem Tod ihres Mannes verfiel sie in geistige Umnachtung und wurde unter Bewachung gestellt.
- Eberhard v. Württemberg (1545-1568). Der erstgeborene Sohn von Herzog Christoph und seiner Frau Anna Maria starb als Erbprinz v. Württemberg 8 Monate vor seinem Vater.
- Johann Georg v. Schleswig-Holstein-Sonderburg (1594–1613). Der Sohn von Herzog Johann v. Schleswig-Holstein-Sonderburg und dessen Frau Agnes Hedwig v. Anhalt starb 19jährig als Student in Tübingen
- Ludwig der Fromme (1554-1593). Der einzige überlebende Sohn von Herzog Christoph und dessen Frau Anna Maria wurde 1568 noch minderjährig der fünfte Herzog v. Württemberg. Die Ehen mit Dorothea Ursula v. Baden-Durlach und Ursula von Pfalz-Veldenz-Lützelstein blieben kinderlos.
- Ursula v. Pfalz-Veldenz-Lützelstein (1572-1635). Die Tochter des Pfalzgrafen Georg Johann I. v. Pfalz-Veldenz-Lützelstein und dessen Frau Anna Maria Wasa v. Schweden wurde als 13jährige mit Herzog Ludwig dem Frommen v. Württemberg verheiratet. Die Ehe blieb kinderlos. Nach dem frühen Tod Ludwigs zog Ursula auf ihren Witwensitz nach Nürtingen, wo sie 42 Jahre als Witwe lebte. Nach der Schlacht von Nördlingen 1634 mußte Ursula vor den kaiserlichen Truppen fliehen. Nach ihrer Rückkehr ins Nürtlinger Schloß starb sie an Erschöpfung.
- Graf Wilhelm Ernst v. Waldeck zu Wildungen (1584-1598). Der einzige Sohn des Grafen Günther v. Waldeck und dessen Frau Margarethe v. Gleichen starb während seines Studiums in Tübingen im Alter von 14 Jahren. Mit ihm erlosch das Haus Waldeck – Ältere Wildunger Linie.
Fazit: Bedeutender geschichtsträchtiger und kunstgeschichtlicher Ort. Sehenswert.[verkleinern]