Eigentlich sieht das Reiterstandbild aus, als wenn es extra für den Ehrenhof von Schloss Charlottenburg gemacht worden ist und schon ewig hier steht. Dem ist aber nicht so.
1696 betraute Friedrich III. v. Brandenburg (1657-1713 / seit 1688 Kurfürst v. Brandenburg / seit 1701 König in Preußen) den Baumeister und Bildhauer Andreas Schlüter (ca. 1660-1714) mit der Aufgabe, für seinen Vater, Kurfürst Friedrich Wilhelm, ein monumentales Denkmal zu schaffen.
Schlüter wählte ein bronzenes... weiterlesen
Reiterstand nach römisch-antikem Vorbild, das den Kurfürsten mit Brustpanzer und Marschallstab in fürstlicher und feldherrlicher Pose im barocken Zeitgeschmack hoch zu Ross zeigt.
Die 2,90m hohe Bronzeskulptur steht auf einem 2,70m hohen Sockel. An den Ecken des Sockels sitzen 4 in Ketten geschlagene Sklaven, die die vom Kurfürsten besiegten Feinde oder die im Nordischen Krieg (1674-1679) eroberten Ostseestädte in Schwedisch-Pommern symbolisieren sollen.
Die Front des Sockels ziert eine bronzene Stiftertafel mit Krone, preußischem Wappen und der Widmung in lateinischer Sprache. An den Seiten sind kleinere Bronzereliefs mit antiken allegorischen Darstellungen zu sehen.
Die Bronzeteile wurden 1700 von dem Erzgießer Johann Jacobi (1661-1726) gegossen. 1703 erfolgte die Aufstellung des Standbilds auf einem Marmorsockel gegenüber vom Berliner Stadtschloss auf der 1694 vollendeten Langen Brücke über die Spree, die Alt-Berlin mit Alt-Cölln verband – 7 km vom heutigen Standpunkt vorm Schloss Charlottenburg entfernt.
Ende des 19. Jahrhunderts war die Lange Brücke dem Hauptstadtverkehr nicht mehr gewachsen und sie wurde 1896 durch einen Neubau, der nun „Kurfürstenbrücke“ hieß, ersetzt.
Das Reiterstandbild behielt seinen Platz, erhielt aber einen neuen Sockel. Der alte Sockel wurde 1904 zusammen mit einer Kopie des Denkmals im Kuppelsaal des Kaiser-Friedrich-Museums (heute Bode-Museum) aufgestellt.
Zum Schutz vor den immer stärker werdenden alliierten Luftangriffen auf die Reichshauptstadt ließen die Nazis 1943 die Bronzeelemente des Denkmals ins Berliner Umland auslagern. Der Sockel verblieb vor Ort.
Die Kurfürstenbrücke wurde 1945 während der Schlacht um Berlin zerstört und nach dem Krieg zunächst durch ein Provisorium, später durch einen Neubau ersetzt. Die DDR benannte die Brücke aus ideologischen Gründen 1951 in „Rathausbrücke“ um, da sie in der Straßenverlängerung zum Roten Rathaus führt.
Bereits 1946 holte die Stadtverwaltung das Standbild auf dem Wasserweg zurück in die Stadt. Bis zur geplanten Wiederaufstellung wurde das Denkmal im Borsighafen in Berlin-Tegel zwischengelagert.
Beim Transport von Tegel nach Berlin-Mitte im Winter 1947/1948 versanken Lastkahn und Kurfürst samt Sklaven im Tegeler See.
1949 wurde das Denkmal gehoben, in Leipzig restauriert und nach West-Berlin zurück gebracht.
Da sich durch die Gründung von BRD und DDR die Teilung Deutschlands verfestigt hatte und auch Berlin in die 3 Sektoren der Westalliierten mit eigener Verwaltung und die DDR-Hauptstadt im sowjetischen Sektor geteilt war, gestaltete sich die Rückführung des Denkmals an seinen ursprünglichen Standort in Ost-Berlin schwierig.
Nachdem die DDR-Führung 1950 die Sprengung des kriegsbeschädigten Berliner Stadtschlosses (in großen Teilen auch ein Werk von Andreas Schlüter) beschlossen und durchgeführt hatte, verbot der West-Berliner Senat die Übergabe des Reiterstandbilds an die DDR.
Stattdessen wurde das Reiterstandbild 1950 zunächst provisorisch und ab 1952 dauerhaft auf einer Replik des barocken Marmorsockels im Ehrenhof des Schlosses Charlottenburg aufgestellt.
Der Geehrte:
Friedrich Wilhelm aus dem Hause Hohenzollern wurde am 16.2.1620 (gregorianischer Kalender) in Cölln als erster Sohn von Kurfürst Georg Wilhelm v. Brandenburg (1595-1640 / reg. seit 1619) und dessen Frau Elisabeth Charlotte von der Pfalz (1597-1660) geboren.
Seine Kindheit und Jugend verbrachte der Kurprinz im 30jährigen Krieg größtenteils von den Eltern getrennt unter anderem im Schutz der Festung Küstrin (heute Kostrzyn nad Odra / Polen) und in den Vereinigten Niederlanden.
Nach dem frühen Tod des Vaters am 1.12.1640 folgte ihm Friedrich Wilhelm als Markgraf v. Brandenburg und Kurfürst des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation nach.
Er reformierte das brandenburgische Staatswesen, nahm in wechselnden Koalitionen und Bündnissen an den Nordischen Kriegen teil und versuchte, die Bedeutung Brandenburgs im Chor der Staaten zu stärken.
Nach dem Sieg des von ihm geführten brandenburgischen Heeres in der Schlacht bei Fehrbellin über die Schweden am 25.6.1675 erhielt er den Beinamen „Der Große Kurfürst“.
Die von ihm 1657 gegründete Kurbrandenburgische Flotte eroberte Kolonien in Westafrika. Brandenburg beteiligte sich am lukrativen Sklavenhandel in die Neue Welt und pachtete dafür eine Kolonie auf der zu Dänemark gehörenden Karibikinsel Saint Thomas (heute Teil der United States Virgin Islands).
Nachdem in Frankreich König Louis XIV. (1638-1715 / reg. seit 1643) 1685 das Edikt von Nantes widerrief und damit die Verfolgung der französischen Protestanten auslöste, erließ am 8.11.1685 (gregorianischer Kalender) Kurfürst Friedrich Wilhelm das Edikt von Potsdam, mit dem er den französischen Protestanten (auch Hugenotten genannt) Zuflucht in Brandenburg gewährte. 20.000 Franzosen flohen nach Brandenburg. Allein in Berlin stieg dadurch die Einwohnerzahl um ein Drittel.
Der Große Kurfürst war nicht nur ein großer Feldherr, er war auch mit großer Zeugungskraft gesegnet.
In 2 Ehen zeugte er 13 Nachkommen, von denen aber 4 im Kindsalter verstarben:
Mit Prinzessin Luise Henriette v. Oranien (1627-1667) 5 Söhne und 1 Tochter
und
mit Prinzessin Dorothea v. Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg (1636-1689 / verwitwete Herzogin v. Braunschweig und Lüneburg) 4 Söhne und 3 Töchter.
Friedrich Wilhelm starb am 9.5.1688 (gregorianischer Kalender) in Potsdam. Er wurde in der Hohenzollerngruft des Berliner Doms beigesetzt.
Fazit: Das Reiterstandbild, das als bildhauerisches Hauptwerk von Andreas Schlüter und als Meisterwerk barocker Bildhauerkunst gilt, ist ein richtiger Blickfang auf dem Ehrenhof des Schlosses Charlottenburg.
Die Kopie im Bodemuseum kommt durch die Enge des Raumes nicht so richtig zur Geltung.
Im Zuge des Wiederaufbaus des Berliner Stadtschlosses gibt es derzeit die Diskussion, ob das Denkmal nicht auf den ursprünglichen Standort auf der Rathausbrücke nahe Schloss und Marstall zurückgebracht werden soll.
Den Blick auf den potthässlichen Neubauostflügel des Schlossnachbaus sollte man dem Kurfürsten ersparen!
Ich finde das Standbild in Charlottenburg gut aufgehoben.
Vielleicht könnte man noch eine Kopie gießen und die am Schloss aufstellen. Dann gäbe es das Reiterstandbild eben 3x in Berlin.[verkleinern]