Klopf! Klopf!
“Wohlan, so lasst mich sagen:
das Freigericht wird tagen.
Kommt herbei, doch schweiget stille,
bezeuget Recht und Gottes Wille.“
Freigraf Friemann von Altenbochum gibt dem Stadtschreier ein Zeichen, dieser entfernt sich strammen Schrittes.
Der Freigraf erhebt seine Stimme: „Hier liegen Strang und Schwert, Gerechtigkeit sei euch gewährt. So sei das Femegericht eröffnet. Nunmehrig wird verhandelt: Die Klage des Wandergesellen Antonius Bramme gegen die Besitzerin des... weiterlesen Gasthauses zur Femlinde. Er klagt an, die Dame Rakelinde, derer von Honigmond, namentlich der Beutelschneiderei. So trete der Geselle vor und fabuliere seine Klage.“
Antonius Bramme, ein durchaus wohlbeleibter Mann, schlurft vor den Freistuhl unter der Linde und spricht: „Ich bin des gestrigen Tages, hungrig von langer Wanderschaft, eingekehret im Gasthof zur Femlinde in Altenbochum. Die Lage des Hofes am Freigrafendamm, einer wunderbaren Allee, die zum einem großen Gräberfeld führt, erschien mir sehr einladend. In der Absicht wohl zu speisen und ein Kräuterbier - oder deren drei - zu trinken, trat ich ein. Gott zum Gruße, bot man mir, ebenso eine Tafel mit den gebotenen Speisen. Doch der saure Braten vom Rinde, mit rotem Kohle und Ballen aus weißem Teig, den ich wählte, kostete mich über 20 Taler.“
Der Wandergeselle erhebt den Zeigefinger, ebenso seine Stimme: „Eine Beutelschneiderei ist das, der die Obrigkeit Einhalt gebieten muss!“
Der Freigraf hebt die Hand, Antonius Bramme verstummt.
„Es obliegt einem Wandergesellen nicht, an uns Adelige und Freibauern Forderungen zu stellen. Nichtsdestotrotz gewähren wir die Klage. Doch nun möge auch ein Fürsprecher des Gasthofes vortreten. Das Wort hat der Freibauer Herr Hölterhoff zu Werne.“
Der Freibauer, ein Mann von großer Statur, in edlem Zwirn gewandet, ergreift das Wort: „Sehr geehrtes Femegericht, gottesfürchtige Bürger Bochums. Der Gasthof Zur Femlinde ist durchaus von schlichtem Habitate, dennoch ein Ort der Geselligkeit, des wohltuenden Mahles, des frischen Trunkes und des fröhlichen Minnesangs. Zumal die Bediensteten allesamt dem Gaste so wohlgesonnen sind, dass man fast glauben könnte, die „Liebe Frauen“ – Straße am Gasthof sei nach Ihnen benannt worden. Nun denn, ein freundliches Gebaren ist nicht gering zu schätzen, doch was wäre ein Gasthof ohne ein gutes Mahl? Wie das Ei eines Huhnes ohne sein Gelb. Nichts wäre es.
Und so erkläre ich vor Gott und allen Zeugen: Die Speisen, die ich mir bisweilen in diesem Gasthof erlaubte, haben mir allesamt gemundet. Das saure Rind zum Beispiel, weiset viel und schmackhaftes Fleisch auf, reichlich vom roten Kohle und zwei große Ballen aus Teig. In der Tat ist es des süßsauren Sudes etwas zu wenig und es schmacket vielleicht nicht ganz so köstlich, wie an meinem eigenen Hofe. Dennoch ist es sättigend und gut, in genügendem Maße. Auch andere Mahlzeiten, wie ein frisches Allerlei aus dem Gemüsebeet mit warmen Erdäpfeln gereicht, ein wahrer Augenschmaus, es mundete mir wohl. Im Übrigen bietet das Gasthaus nebenseits auch Speisen für den einfachen Wandersmann mit einem kleinen Geldbeutel. Als da wären: weißes Brot von großer Frische mit Knoblauchbrei oder Verwurstetes in scharfem Gewürzsud. Allerlei schmackhafte Gebote für jeden Pfennigfuchser.“
Freigraf Friemann von Altenbochum hebt die Hand und ergreift das Wort: „Wir danken für ihre wohlfeilen Worte. Ich und meine Freischöffen werden sich nun beraten und ein gerechtes Urteil fällen.“
Es dauert nicht allzu lange, bis die der Richter und die Schöffen zurückkehren.
Der Freigraf setzt sich in den Freistuhl und spricht: „Die redliche Rakelinde, derer von Honigmond, wird vom Vorwurf der Beutelschneiderei im Gasthof zur Femlinde freigesprochen. Mag der Preis für das süßsaure Rinde diesem oder jenem als zu hoch erscheinen, so ist das gebührliche Recht der Beköstiger und Beherberger den einen oder anderen guten Groschen mehr zu nehmen, sei es für die viele Arbeit, die Dienerschaft oder nur die warme Stube. Zur Ehre gereicht es den Fleißigen und Rechtschaffenden im Gasthof zur Femlinde, dass auch dem einfachen Bürger Genüge getan wird, indem man kleine Speisen gegen einen geringeren Obulus anbietet.
Nichtsdestoweniger gilt unser Rat, fortan den süßsauren Braten ebenso auch nur als eine Handvoll - statt deren zwei Portionen - anzubieten, gegen ein kleineres Salär, als „Greisenteller“ sozusagen. Doch dies wird nur als Wunsche und nicht als Urteil von uns verkündet. So sei es, damit ist die Verhandlung im Namen des Herrn und der ehrbaren Gerichtsbarkeit geschlossen.“
Antonius Bramme schüttelt den Kopf, die Bürger applaudieren.
Drei bis vier Sterne, im Zweifel für die oder den Angeklagte/n ... :o)[verkleinern]