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Der „S-Bahnhof Oranienburger Straße“ im Stadtbezirk Berlin-Mitte gehört zu dem Teil der Strecke der sogenannten „Nord-Süd-Bahn“, wo die S-Bahn zur U-Bahn wird, dh. unterirdisch verkehrt.
In Betrieb genommen wurden Strecke und Bahnhof 1936. Somit gabs es nicht nur eine Ost-West-Strecke durch Berlin, sondern auch eine Nord-Süd-Verbindung.
Die S-Bahn-Trasse verläuft in diesem Bereich unter der Tucholskystraße (damals Artilleriestraße). Der von 1934 bis 1936 nach Plänen des Architekten Richard... weiterlesen Brademann (1884-1965) erbaute Bahnhof befindet im Kreuzungsbereich Tucholskystraße / Oranienburger Straße.
Im 2. Weltkrieg dienten die unterirdischen Bahnhöfe während der Luftangriffe auf die Reichshauptstadt als Luftschutzräume. In der Schlacht um Berlin wurde der S-Bahnverkehr im April 1945 eingestellt. Die unterirdischen Bahnhöfe dienten weiter als Schutzräume und auch als Notlazarette.
Am 2.5.1945 sprengten vermutlich Wehrmacht und/oder SS die Tunneldecke am Landwehrkanal und fluteten dadurch das Tunnelsystem unter Berlin und die dortigen Bahnhöfe, so auch den Bahnhof Oranienburger Straße.
Viele Menschen, die in den Tunneln und Bahnhöfen Schutz gesucht hatten, ertranken. Die genaue Zahl ließ sich nie ermitteln und schwankt zwischen einigen Dutzend bis zu 2.000 Toten. Manche Spekulationen sprechen gar von 15.000 Toten. Als realistisch werden heute 100 bis 200 Tote angenommen, 83 geborgene Leichen sind offiziell dokumentiert, aber viele geborgene Tote wurden in den Nachkriegswirren nicht amtlich erfasst.
Bereits am 25.5.1945 begann man auf Weisung der sowjetischen Militärbehörden mit dem Abpumpen des Wassers aus den Tunneln und nachfolgend mit den Instandsetzungsarbeiten. Erst Ende 1947 konnte der reguläre Fahrbetrieb im Nord-Süd-Tunnel wieder aufgenommen werden.
Der nächste Zäsur vom Bahnhof Oranienburger Straße und der Nord-Süd-Bahn fand am 13.8.1961 mit dem Bau der Berliner Mauer und der Grenzschließung durch die DDR statt. Zwar wurde die Nord-Süd-S-Bahn, die das nördliche und das südliche West-Berlin miteinander verband, von der DDR-Reichsbahn weiterbetrieben, die Bahnhöfe auf dem Gebiet der DDR-Hauptstadt mit Ausnahme des als Grenzübergangstelle fungierenden Bahnhofs Friedrichstraße wurden aber geschlossen. Die Züge fuhren durch die nun „Geisterbahnhöfe“ genannten Stationen ohne Halt durch.
Überirdisch wurden die Zugänge verschlossen und überbaut. Nichts deutete im Straßenbild mehr darauf hin, dass es dort einmal S-Bahnhöfe gab. So auch beim Bahnhof Oranienburger Straße.
Dieser Zustand änderte sich erst nach dem Fall der Berliner Mauer 1989. Nach fast 30 Jahren im Dornröschenschlaf war an eine sofortige Öffnung der Bahnhöfe der Nord-Süd-Bahn natürlich nicht zu denken. Die Züge fuhren zunächst weiter ohne Halt durch.
Aber die Reichsbahn der DDR begann zügig mit der Wiederherstellung der Bahnhöfe. Als erster Bahnhof der Nord-Süd-Bahn wurde am 2.7.1990 der Bahnhof Oranienburger Straße wiedereröffnet.
Allerdings waren die letzten 3 Jahrzehnte nicht spurlos an Tunnel und Bahnhöfen vorüber gegangen.
Daher entschloss sich die Reichsbahn im Frühjahr 1991 zu einer kompletten Schließung der Nord-Süd-Bahn. In den folgenden 12 Monaten wurden Tunnel und Bahnhöfe generalinstandgesetzt und der Bahnhof Oranienburger Straße bei dieser Gelegenheit denkmalgerecht saniert.
2002 wurde der Bahnhof durch den Einbau eines Fahrstuhls barrierefrei und 2011 musste aus Gründen des Brandschutzes ein dritter Zugang in der Tucholskystraße angelegt werden. Ursprünglich gab es nur 2 Zugänge in der Oranienburger Straße.
Seit 2016 hat auch der Zugabfertiger ausgedient. Diese Funktion übernimmt seither der Zugführer selbst.
Der Bahnhof verfügt über einen Mittelbahnsteig und je 1 Gleis pro Richtung. Die Decke über dem Bahnsteig wird gestützt durch eine Reihe viereckiger Säulen.
Der Bahnhof versprüht ein wenig den Charme der 1930er Jahre, was an der denkmalgerechten Sanierung liegt.
Die Säulen sind mit orangefarbenen Keramikplatten verkleidet, was in der Kausalkette an die Bahnhofsnamengebende Oranienburger Straße erinnern soll: Oranienburg – nach Louise Henriette v. Oranien-Nassau (1627-1667 / Ehefrau von Kurfürst Friedrich Wilhelm v. Brandenburg) – und die Farbe des niederländischen Fürstenhauses Oranien ist orange …
Die Wände des Bahnhofs sind dagegen mit gelblichen Keramikplatten verkleidet.
Erhalten geblieben sind auch die Bahnhofsnamenschilder „Oranienburger Straße“ mit der alten Tannenberg-Schrift der 1930er Jahre.
Die großen Flächen an den Wänden tragen heute keine Werbung wie früher, sondern moderne Streetart-ähnliche Bilder (Stand 2022).
Damit man den Bahnhof auch findet, gibt es an jedem Eingang eine hohe Säule mit dem runden S-Bahn-Logo: ein weißes „S“ auf grünem Grund. Entworfen hat das Logo 1930 der Gebrauchs- und Werbegrafiker Fritz Rosen (1890-1980) im Auftrag der Reichsbahndirektion Berlin. Es wurde in dieser runden Form erstmalig bei der Nord-Süd-Bahn verwendet.
Rosen floh Ende 1933 als Jude vor den Nazis nach Großbritannien, wo er bis zu seinem Tod lebte.
Heute wird der „S-Bahnhof Oranienburger Straße“, der in der Denkmalliste des Landes Berlin gelistet ist, von 4 S-Bahnlinien bedient und ist, wie in den vergangenen 86 Jahren, ein wichtiger Bestandteil des ÖPNV in Berlin.[verkleinern]