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Um die Spree in Berlin zu queren, ist Berlin ziemlich reich an Brücken, die bis heute neuralgische Engstellen des Straßenverkehrs sind.
Neben Brücken wurden auch etliche Tunnel unter der Spree gebaut, bei denen es sich meist um U-Bahn-Tunnel handelt.
Eine Ausnahme ist der Tunnel zwischen Alt Stralau (Ortsteil Friedrichshain) und Treptow, der Berlins einziger Straßenbahntunnel unter der Spree ist.
Eigentlich war der Tunnel im Zuge des Aufbaus des Berliner U-Bahn-Netzes Ende des 19.... weiterlesen Jahrhunderts als U-Bahn-Probetunnel zwischen Treptow und Stralau gedacht, die damals noch nicht zu Berlin gehörten.
Die zuständige Landgemeinde Treptow (Landkreis Teltow) stimmte dem Tunnelbau, ua. durch die Firma AEG, nur unter der Bedingung zu, dass der Tunnel auch von Straßenbahnen benutzt werden könne.
Von 1895 bis 1899 wurde der 454 m lange und 3,76 m breite Tunnel als erster im Schildvortriebverfahren errichtete Unterwassertunnel Deutschlands erbaut.
Der Tunnel unterquert die an dieser Stelle die fast 200 m breite Spree in einer Tiefe von bis fast 11 m unter der Wasserlinie und 3 bis 5 m unter der Sohle des Flussbetts.
Als U-Bahn-Tunnel wurde das Bauwerk allerdings nie genutzt. Seit der Aufnahme des Linienverkehrs durch den Tunnel am 18.12.1899 durch die „Berliner Ostbahnen GmbH“ fuhren dort nur Straßenbahnen (der Linie 82) vom Schlesischen Bahnhof (heute Berlin-Ostbahnhof) nach Alt-Treptow/Treptower Park.
1909 wurde die Linie nach Köpenick verlängert und 1920 ging die „Berliner Ostbahnen GmbH“ in der „Großen Berliner Straßenbahn“ auf. Diese fusionierte 1920 mit der „Berliner Elektrische Straßenbahnen Aktien-Gesellschaft“ und der „Straßenbahnen der Stadt Berlin“ zur „Berliner Straßenbahn“. 1929 schließlich wurde der ÖPNV Berlins (U-Bahn, Bus, Straßenbahn) in der „Berliner Verkehrs-Aktiengesellschaft (BVG)“ zusammengeführt.
Die eingleisige Strecke durch den Tunnel nannten die Berliner und die damaligen Randberliner ziemlich bald „Knüppelbahn“. Vor der Erfindung digitaler Signal- und Sicherungstechnik wusste man sich zu helfen: Statt Elektronik für hunderttausende €uro genügte vor 120 Jahren ein Holzstab für wenige Reichspfennige. Der Straßenbahnfahrer, den Stab, auch „Knüppel“ genannt, in den Händen hielt, hatte die Fahrterlaubnis, der Fahrer ohne Stab musste warten, bis er vom entgegenkommenden Fahrer diesen einen existierenden Stab überreicht bekam.
Das System hat 30 Jahre prima funktioniert – ohne Unfall.
Für den Betrieb der Straßenbahnlinie mussten wegen dem schmalen und niedrigen Tunnelprofil eigene Triebwagen und Wagons gebaut werden, da normale Berliner Straßenbahnen schlicht und ergreifend nicht durch den Tunnel passten.
Anfang der 1930er Jahre wurden im Tunnel Bauschäden festgestellt, so dass 1932 wegen Rissen in der Tunnelwand der Betrieb eingestellt und der Tunnel geschlossen werden musste.
Anlässlich der Olympischen Spiele 1936 in Berlin ließ die Nazi-Führung den Tunnel sanieren und als Fußgänger wieder eröffnen.
Das Ende des Straßenbahntunnels als Verkehrsbauwerk kam mit dem Beginn des Weltkriegs. Aus Sicherheitsgründen schlossen die Behörden den Tunnel. Später wurde auf Stralauer Seite vom Reichsluftschutz ein Luftschutzraum im Tunnel eingerichtet wurde. Dazu wurde der nördliche Tunnelteil mit einer Betonmauer vom restlichen Tunnel abgetrennt. Luftschutzbunker und –räume waren ohnehin schon beklemmend. Im Stralauer Tunnel-Luftschutzraum kam noch die Angst der Insassen hinzu, dass man bei einer Beschädigung des unter der Spree liegenden Schutzraumes erbärmlich ertrinken würde.
Nach Kriegsende fehlten dem Berliner Magistrat und der BVG die nötigen Mittel, um den Tunnel wieder zu öffnen und zu sanieren. 1948 wurde er komplett geflutet um den Einsturz zu verhindern. 1968 ließen die DDR-Behörden die Tunneleingänge zuschütten.
Erst 1996 wurde im Zuge der Vorbereitungsarbeiten zur Neubebauung der Stralauer Halbinsel der nördliche Tunnelabschnitt wieder geöffnet und der Luftschutzraum leergepumpt. Dabei fand man zahlreiche Ausrüstungsgegenstände aus dem 2. Weltkrieg. Da eine Nutzung als Fußgängertunnel nicht mehr realisierbar ist, wurde der nördliche Tunnelabschnitt wieder geflutet und die Rampe zum Tunnel zugeschüttet.
Auf Stralauer Seite erinnern heute das anderweitig genutzte ehemalige Verwaltungsgebäude des Straßenbahnbetriebshofs Stralau, die Tunnelstraße und die zugeschüttete und als begrünter Mittelstreifen sichtbare Tunnelrampe im hinteren Teil der Tunnelstraße an den Straßenbahntunnel.
Auch der südliche Treptower Teil des Tunnels ist geflutet, die Rampe zugeschüttet und heute Teil des Treptower Parks. Der Platz neben der nicht mehr sichtbaren Rampe trägt den Namen „Platz am Spreetunnel“.
Fazit: Kaum noch sichtbares Stück Berliner Nahverkehrsgeschichte.
Auf Höhe Tunnelstraße 12 gibt es eine Infotafel zum Straßenbahnspreetunnel.[verkleinern]