Wenn mir jemand vor meinem 1. Besuch in Hamburg gesagt hätte, dass es dort eine barocke Kirche gibt, die von Anfang an evangelisch gewesen ist, dem hätte ich für Verrückt erklärt. In einer Zeit, als das Internet keine Selbstverständlichkeit gewesen ist und der Gang zu Bücherei aus Zeitgründen für mich nicht in Frage kam (höchstens nach der Berufsschule möglich war), war es wirklich eine große Überraschung gewesen, als ich in der Winterzeit dort "gelandet" war. Es war ein WAW-Erlebnis, das für... weiterlesen
lange Zeit im Gedächtnis geblieben ist. Jahre später, hat es bei weiteren Besuchen auch bei meinen Begleitern zu dem gleichen Effekt geführt! Bei Kerlen, die im Normalfall nichts mit Kunst am Sinn haben, alles andere als selbstverständlich!
Der "Michel", wie die Kirche liebevoll genannt wird, gehört meiner Meinung nach zu den Wahrzeichen der Hansestadt, die man nicht versäumen sollte. Einige Besonderheiten, die ich in den vergangenen 20 Jahren entdeckt habe, komme ich etwas später zu sprechen. Falls ich diese in nicht absehbarer Zeit erneut ansteuern sollte, wird es an der jeweiligen Stelle weiter vertieft.
Noch bevor man den Innenraum betritt, entdeckt man über dem Eingang den Namensgeber den Heiligen Erzengel Michael, der als lanzenschwingender Krieger den auf dem Boden liegenden Teufel in "Schach" hält. Der Sieger wird vor 2 weiteren Figuren flankiert, die das ganze als "Zuschauer" beobachten. Wenn man sofort weiter ins Innere der Kirche weiter läuft, dem entgeht etwas: man kann es als "Kontrastprogramm" nennen, doch es hat mir gefallen. Es war ein Bleiglasfenster mit weiteren Engeln, die man der Kunstrichtung des Jugendstils einordnen kann.
Auch in der Kirche selbst mangelt es nicht an diesen himmlischen Geschöpfen: als Putten unter dem Taufbecken, Details an einem Altar oder erneut der Patron als eine Figur. Doch bevor man diese wahrnimmt, ist man von der Größe des Innenraums beeindruckt und wie viele Menschen dort Platz finden können. Beim Vorgängerbau des 17. Jahrhunderts konnte davon keine Rede sein. In etwa an der Stelle gab es eine Friedhofskapelle, die bei einem Gewitter ca. ein Jahrhundert später, wurde ein Neubau erforderlich. Das konnte damit begründet werden, dass die Einwohnerzahl stark gewachsen war und im Gegensatz zu früher nicht mehr sich an den katholischen Vorbildern orientieren.
Nach 1750 stand fest: der Prediger sollte so positioniert werden, damit ihn eine große Schar gläubiger sehen uns vor allem gut hören konnte. Mit dieser Aufgabe wurden die Architekten Johann Leonhard Prey (1700, Gotha- 1. Dezember 1757) und Ernst Georg Sonnin (10. Juni 1713 Quitzow Perleberg - 8. Juli 1794 Hamburg) vom Kirchenkollegium beauftragt. Es basiert auf dem Grundriss eines vieleckigen griechischen Kreuzes mit Sitzplätzen die auf die Kanzel ausgerichtet ist. Insgesamt haben hier bis zu 3000 Menschen platz. Wenn ich mich recht entsinne, kann man noch heute anhand von kleinen Plaketten erkennen, welche Familie in der jeweiligen Reihe (früher?) sitzen durfte. Ob das weiterhin so gehandhabt wird, ist mir nicht bekannt.
Schaut man sich weiter um, so stellt man fest, wie reich geschmückt der Innenraum wurde. Diese gehen auf Conrad Michael Möller zurück, sowie auch die Stuckarbeiten. Der markante Turm wurde in den Jahren 1777-86 errichtet. Es war das erste mal, dass es ein strenges klassizistisches Aussehen innerhalb der damaligen Stadt erhalten hatte. Eine Verkettung von einem Ausmaß, der verheerende Auswirkung nach sich zog: bei Reparaturarbeiten sprang ein Funke des Schweißgerätes auf Holz, was bis zum Verlust des Wahrzeichens führte.
Dementsprechend war die Bevölkerung sehr darüber bestürzt, wie man es sich vorstellen kann! Diese und weitere Details aus der Geschichte der Kirche kann man sich kostenpflichtig in der hiesigen Krypta anschauen. Das ist einer der Tipps, den ich Anfangs erwähnt habe. Vielen schwärmen hingegen von der tollen Aussicht von dem 1906 zerstörten und am 19.10.1912 erneut zugänglichem Turm. Das habe ich selbst noch nie unternommen, sodass es bei einer Erwähnung bleiben muss.
Im musikalischem Sinne ist der "Michel" aus mehreren Gründen bemerkenswert: es ist nicht nur die imposante Orgel, die einen wunderbar warmen Klang besitzt (habe ich selbst bei einem Konzert gehört), sondern es wir hier an die namhaften Musiker erinnert. Zum einen ist es die Grablege(in der Krypta) des jüngsten Sohns von Johann Sebastian Bach - Carl Philipp Emanuel, der als Kantor in den 5 Hauptkirchen gewesen ist. Wenn man ihn denkt, dann darf man seinen Patenonkel und Vorgänger in dem Amt Georg Philipp Telemann erinnern. Auf mehreren Platten wird im Eingangsbereich daran erinnert. Doch da fehlt noch einer: hier wurde Johannes Brahms wurde hier getauft. Dabei wird ein genaues Datum nicht genannt.
Wenn man das alles zusammen nimmt, macht es den Charme der Kirche aus. Geöffnet ist die Michaeliskirche jeden Tag zwischen 10-18 Uhr, abgesehen von den Gottesdiensten kann man sie sich ansehen. Da könnte ich noch viel mehr darüber schreiben, doch jetzt ist es schon lang genug. Am besten selbst anschauen, denn das ist es mehr als wert. Da es unser Favorit ist, kommt nur eine Option möglich: volle Zustimmung und Herzchen dazu![verkleinern]