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„Frauentog“ ist kein Schreibfehler – die Dahmebucht an der Altstadt Köpenick (Stadtbezirk Berlin Treptow-Köpenick) zwischen Schlossinsel und der ehemaligen Fischersiedlung Kietz heißt wirklich so.
Die ca. 240 m lange und 130 m breite Bucht liegt einen guten halben Kilometer Luftlinie von der Mündung der Dahme in die Spree entfernt.
Die Bucht öffnet sich nach Süden zur Dahme. Mit dem Kietzer Graben, einem im 18. Jahrhundert angelegtem Entwässerungsgraben, hat der Frauentog im Nordosten eine... weiterlesen Verbindung zur Spree und mit dem Schlossgraben im Nordwesten seit alters her noch eine, ebenfalls künstliche, Verbindung zur Dahme.
Den Namen „Frauentog“ soll die Bucht seit dem 17. Jahrhundert tragen. Um den Namen rankt sich eine Geschichte, die ein bisschen was märchen- bzw. sagenhaftes hat:
In den Jahren nach dem 30jährigen Krieg (1618-1648) herrschte nicht nur in der Mark Brandenburg bittere Not.
Ganze Landstriche waren verwüstet und durch den Krieg entvölkert. Dazu kamen noch Missernten. Die Menschen litten unter Hunger und Not.
Auch den Fischern des damals nahe der Stadt Cöpenick (heute Köpenick) gelegenen Fischerdorfs Kietz erging es nicht besser. Die bekannten Fischgründe in Dahme und Spree waren leergefischt.
Da träumte eines Nacht ein Mädchen von vielen Fischen in der Dahmebucht am Dorf. Am nächsten Tag erzählte sie den Fischern von ihren Traum … und wurde ausgelacht, denn die Bucht war bis dahin noch nie ein guter Fischgrund gewesen und der Traum wurde als Hungerphantasie angetan.
Daraufhin ging das Mädchen enttäuscht zu den Frauen des Dorfs und erzählte ihnen von dem Traum.
Die Frauen reagierten pragmatischer. Nach dem Motto „Was haben wir zu verlieren“ fuhren die Frauen in der folgenden Vollmondnacht hinaus auf die Bucht und warfen die Netze aus.
Und es geschah das Wunder: Am Morgen waren die Netze prall mit Plötzen, Barschen, Brassen und Aalen gefüllt.
Die Fischerfamilien im Dorf hatten wieder genug zu essen.
Seit dieser Zeit heißt die Bucht „Frauentog“ = was „Frauenzug“ bzw. „Frauenfischzug“ gedeutet, denn „Tog“ bezeichnet in nordischen Sprachen den Fischzug.
Gefischt wird in der etwas mehr als 3 Hektar großen Bucht schon lange nicht mehr. Höchstens ein paar Hobbyangler werfen hier ihre Angeln aus. Und sie dient Freizeitkapitänen oft als geschützter Ankerplatz.
Im 19. Jahrhundert gab es hier eine Schiffsanlagestelle, von der 1874 Theodor Fontane (1819-1898) zu eine Dahme-Fahrt bis nach Teupitz (ca. 40 km südlich von Köpenick) aufbrach. Auch einen Schiffsanleger gibts im Frauentog nicht mehr. Der Köpenicker Ausflugsschiffsanleger befindet sich heute einige hundert Meter entfernt im Luisenhain.
Am Nordufer befindet sich heute eine kleine Seeterrasse mit einem Solarbootverleih und dem Ausflugsrestaurant „Mutter Lustig“. Mit den „Köpenicker Seeterrassen“ gibt es in der Nordostecke an der Mündung des Kietzer Graben in den Frauentog eine weitere Gaststätte.
Wirklich ruhig und besinnlich gehts am Nordufer aber nicht zu, da nur wenige Meter entfernt die vielbefahrene Müggelheimer Straße mit Straßenbahn- und Buslinien sowie einer Unmenge Autos aller Größen vorbeiführt.
Das Westufer bildet die Schlossinsel.
Am Ostufer liegen, wie schon seit hunderten Jahren, die Wohngrundstücke des einstiges Fischerdorfs Kietz. Hier gibt es mit der Kaumanns Gasse, der Breiten Gasse und der Judisgasse insgesamt 3 Zugänge zum Frauentog. Es sind ehemalige sogenannte „Wassergassen“, die ursprünglich für Feuerlöschzwecke angelegt wurden. Die Gassen befinden sich zwar auf Privatgrund, die Grundstückseigentümer sind aber verpflichtet, tagsüber den Zugang zur Bucht zu ermöglichen.
Regional kam der Frauentog 2003 in die Schlagzeilen. Die Stadtbezirksregierung von Treptow-Köpenick plante im Frauentog den Bau eines fast 190 m langen und 4 m breiten schwimmenden Stegs als längste Seebrücke Berlins.
Begeistert waren von der Idee aber nur die Regierenden hinter ihren Schreibtischen. Anwohner vom Kietz liefen Sturm gegen das Bauvorhaben, ebenso wie Denkmalschützer, die sich um die Aussicht auf die Schlossinsel Köpenick sorgten.
Den Gegnern der Seebrücke kamen Umwelt- und Naturschützer zu Hilfe. Diese suchten und fanden im Frauentog geschützte und vom Aussterben bedrohte Tierarten:
zum Beispiel die Große Erbsenmuschel, die Glatte Erbsenmuschel, die Flusskugelmuschel und die nur 3 mm große Schöngesichtige Zwergdeckelschnecke (diese steht auf der „Roten Liste der gefährdeten Tiere).
Ein Gutachten bestätigte, dass der Seebrückenbau einen „erheblichen Eingriff in die Natur“ darstellen würde. Die Maßnahmen zum Ausgleich dieses Eingriffs, zu dem auch das abfischen und umsiedeln der bedrohten Tierarten gehören würde, wurden mit Kosten in Höhe von 130.000 €uro beziffert.
Zwar stimmten die Bezirksverordnetenversammlung des Stadtbezirks und der Stadtbezirksbürgermeister dem Bauvorhaben zu, aber wegen zu erwartenden Zusatzkosten, Protesten von Anwohnern und Naturschützern sowie möglichen Prozessen zog die letztendlich zuständige Berliner Senatsverwaltung die Notbremse und verweigerte der Seebrücke die finale Zustimmung.
Und so blieb der Frauentog eine große, unverbaute Wasserfläche, auf der sich allerlei Wassergeflügel und ein paar Sportboote tummeln. Und der Blick übers Wasser blieb bis jetzt unverschandelt.[verkleinern]