Ich mag generell lieber würzige bis scharfe Küche, gern auch mit hierzulande eher unüblichen Zutaten. Daher gehöre ich nicht hundertprozentig zur Zielgruppe des Jungspunds. Das Lokal interessierte mich aber seit dem Lesen einer positiven Zeitungskritik; unter anderem wegen der Tatsache, dass hier regionale und saisonale Zutaten verarbeitet werden. Dank eines Events, bei dem das Jungspund ein dreigängiges Überraschungsmenü für unsere gesamte Gruppe vorbereitet hatte, bat sich mir jetzt die... weiterlesen Gelegenheit des Kennenlernens.
Zu Anfang gab es einen Gin-Beeren-Aperitif aufs Haus, der manchen zu süß war, mir aber genauso sehr wie den Wespen mundete, die offenbar bei den Zielflügen in die roten Gläser hinein schon Übung hatten.. ;-)
Die Vorspeise – Tatar von der geräucherten Forelle auf Gurkencarpaccio und Kressesalat (€7,50, Stand: August 2015) – mundete mir hervorragend, wobei ich sie von der Verkaufe verbal zu sehr aufgebrezelt fand. Das "Carpaccio" waren halt ein paar dünn geschnittene Gurkenscheiben, die nicht sonderlich aufregend gewürzt oder gar mariniert waren. Und der "Kressesalat" war auf den Teller geworfene Kresse, die nicht erkennbar speziell als Salat angerichtet war.
Der Tafelspitz (€14,90) hatte eine wunderbare Fleischqualität, man konnte die zarten Scheiben mit der Gabel zerteilen. Den Rest kann ich mangels Vergleichsmöglichkeiten (s. o.) nicht kompetent beurteilen. Es ist halt ein Gericht, das ich nicht so gern mag, dass ich es zu diesem Preis freiwillig bestellt hätte. Mir persönlich war aber das Bouillongemüse viel zu langweilig gewürzt, beim Tafelspitz bestach zumindest der Eigengeschmack des Spitzes. ;-)
Ein unverhofftes Highlight zum Schluss war der Friesenschmand mit Beeren (€7,50), der uns als "norddeutsche Mascarpone" übersetzt wurde. Der Schmand schmeckte fluffig-sahnig-reichhaltig (hey, Fett ist ein Geschmacksträger!), also ein echter Hochgenuss. Dies ist das einzige Gericht des Abends, bei dem ich gern eine größere Portion gehabt hätte (vor allem angesichts des stolzen Preises).
Leider war der Service ein Schwachpunkt. So gab es vor den einzelnen Gängen lange Wartezeiten. Wegen der netten Unterhaltungen nervten die nicht wirklich. Aber bis auf ein paar Vegetarier hatte unsere gesamte Gruppe identische Gerichte. Ich möchte mir nicht vorstellen, was passiert, wenn plötzlich kurz hintereinander 20 Gäste auftauchen, die alle à la carte bestellen wollen.
Der Kellner, der meine Weinbestellung aufnahm, gab erfreulicherweise offen zu, dass er neu sei und noch nicht jeden Wein probiert habe. Anstatt mir einen Probierschluck meines Top-Kandidaten (deutscher Sauvignon Blanc) anzubieten, referierte er mir nur, was ihm Kollegen darüber gesagt hatten. Bei Preisen um die €6,50 für 0,2l erwarte ich eine kompetentere Beratung – oder, wie gesagt, einen Probierschluck.
Apropos à la carte: Das Jungspund macht es potenziellen Stammgästen eher schwer, weil die reguläre Karte extrem überschaubar ist. Wer bestimmte Vorstellungen hat und nicht alles isst, ist relativ schnell durch. Es gibt aber eine wechselnde Mittagskarte, deren Speisen in den späteren Nachmittag serviert werden (steht leider nicht online).
Fazit: Für die Qualität der Speisen würde ich generell vier Sterne vergeben (allein der Dip und das dazu gereichte Brot waren schon außerordentlich gut). Wegen des suboptimalen Preis-Leistungs-Verhältnisses und der ausbaufähigen Bedienung reicht es derzeit aber insgesamt nur für drei Sterne.
Wie gesagt, das ist eine rein subjektive Bewertung! Im persönlichen Gespräch würde ich manchen Freunden, die eher die Zielgruppe des Jungspundes sind, das Lokal definitiv empfehlen. Anderen würde ich noch entschiedener abraten.[verkleinern]