3000 Mark Belohnung Kassenraub im Rathaus Köpenick – wer kennt diesen Täter?
30 Jahre alt, nach vorn gebäugte Kopfhaltung und vorgestreckte rechte Schulter. Das Gesicht gelblich, kränklich, häßlich. Eingefallene Backen, rotblonder, jetzt stark herabhängender Schnurrbart, scharf gestochene Maße, etwas krumme, sog. O=Beine.
Zweckdienliche Angeben werden von allen Berlinern Polizeidienststellen mitgenommen
Berlin, 19. Oktober. 1906 Polizeidirektion
Das stand auf dem Steckbrief von... weiterlesen dem „Hauptmann von Köpenick“, es ist nicht nur eine Romanfigur, wie Robert a geschrieben hatte, den gab es wirklich, seine Lebensgeschichte lieferte den „Stoff“ für das Buch von Carl Zuckmayer, der als Inspirationsquelle gedient hatte. Diesen Steckbrief aber auch weitere Zeugnisse aus dem Leben von Wilhelm Voigt, denn so lautete sein richtiger Name, zu dem ich aber etwas später kommen werde.
Über Jahrhunderte war Köpenick eine stolze, eigenständige und gut florierende Stadt gewesen, bevor es sowie weitere heutige Stadtteile im April 1920 eingemeindet wurden, doch schon vorher und zwar am 7. Oktober 1905 wurde das Rathaus feierlich eröffnet wurde. Bei dem Bau war das beste, gerade gut genug und deshalb wurde die stolze Summe von insgesamt 632.500 Mark! aufgewendet. Allein der Rohbau „verschlang“ 375.000 Mark. Die einzelnen Positionen, der jeweiligen Teilbereiche kann man sich auf der Seite: http://www.berlin.de/ba-treptow-koepenick/derbezirk/rathausgeschichte.html nachlesen.
Auf der gleichen Seite habe ich folgende Informationen zur Vorgeschichte gefunden: Am 20. November 1896 und damit bereits neun Jahre vor der Einweihungsfeier des Rathauses als der damals achtundfünfzig jährige Bürgermeister Gustav Borgmann den Stadtverordneten sein Programm für das neue Rathaus in Köpenick präsentierte. Vieles musste in die Wege geleitet werden, bevor es sich in seinem Neogotischen Aussehen präsentieren konnte.
Wenn man schon davor steht, staunt man wegen der Detailverliebtheit, die hier zu sehen ist, diese Aufmachung wird im Inneren natürlich auch weiter fortgeführt. Wie es sich für ein solches Amt gehört, wurde über dem Eingangsportal das Wappen der Stadt angebracht. Es ist ein Glasmosaik, das die beiden Fische mit einem Schlüssel dazwischen, die darauf zu sehen sind, versinnbildlicht. Es wurde von der Firma Puhl & Wagner gefertigt.
Das strenge Innere, flößte uns beiden,bei dem Besuch, ehrlich gesagt schon ein wenig Furcht ein, denn durch die glasierten und gebrannten Ziegeln wird dem Bau eine gewisse Strenge und Würde verleihen, der bei uns aber auch Respekt auslöste.
Das wird an mehreren Stellen aufgelockert, zum Beispiel durch die Charakterköpfe, sowie in einigen Bereichen verlegten teuren Fliesen mit floralen Motiven, als auch im Eingangsbereich durch die farbige Bemalung.
Doch kommen wir zum populärem „Stürmer“ des Rathauses - Wilhelm Voigt. In einer Zeit, in der das Militär omnipräsent war und als hohes ansehen in der Bevölkerung genossen, weil alles andere sich dem Drill unterordnen musste, war schon eine Uniform ein Attribut dafür, dass es sich um eine Respektsperson handelt! Doch warum diese Maskerade? Ging es nicht einfacher? Im Fall von dem besagten leider nicht! Die sog. „Köpenickiade“, die zu verschiedenen Zeiten mehrmals als Grundlage diente, wurde mit unterschiedlicher Besetzung auch verfilmt, es ist zugleich ein Teil der Ausstellung, die hier zu sehen ist, präsentiert.
Wenn man bedenkt, dass in der wilhelminischen Zeit, auch für jedes so kleine Vergehen strenge Strafen geahndet wurden und Zucht und Ordnung als oberste Devise galt, hatte ein mehrfach vorbestrafter, wie es der Herr Voigt offiziell gewesen ist, kaum eine Chance auf ein geregeltes Leben, denn (im Gegensatz zu heute) war man als Entlassener auf sich alleine gestellt.
Durch die Willkür der Behörden gelang es ihm jedoch nicht, ein „anständiges“ Leben anzufangen, nicht nur er steckte in einer Zwickmühle: ohne festen Wohnsitz, keine Arbeit und umgekehrt. Mehrfach hat sich der gelernte, doch arbeitslose Schuhmacher um eine Anstellung bzw. die notwendigen Papiere bemüht bekanntlich ohne Erfolg!
Als er auf einem Flohmarkt eine gebrauchte Uniform entdeckte, kaufte er sie und schlüpfte in diese Rolle, um trotz eines offiziellen Aufenthaltsverbots, in Berlin bleiben zu dürfen. Den Rest kennt man ja... Mit dieser Aktion hat er das vorherrschende „Kadavergehorsam“ mit der Hörigkeit gegenüber allen Höherstehenden ad absurdum geführt. Nach der erneuten Verhaftung wurde er erneut verurteilt (wegen des Raubs von 3557,45 Mark (inflationsbereinigt in heutiger Währung: rund 21.000 Euro) zu 4 Jahren Zuchthaus, doch da die Preußen dadurch einen „Imageschaden“ bei den anderen ändern erlitten hatten, die dieses Vorfall auch noch satirischer Form als Flugblatt und auch in der Presse wiedergaben, wurde er durch den Kaiser Wilhelm II. begnadigt und bereits am 16. August 1908 vorzeitig aus der Haftanstalt Tegel entlassen.
Noch ein Jahr lang musste er sich als Vorbestrafter bei der Polizei melden, ein Jahr später wanderte er nach Luxemburg, wo er auch im Alter von 72 Jahren auch starb.
An diese Geschichte erinnert die bronzene Figur des „Hauptmanns“ am Eingang. Sie ist recht klein, doch sehr beliebt als Fotomotiv, bei dem starken Schneefall letztes Jahr, war es gar nicht so einfach es zu tun, doch irgendwie hat es doch geklappt.
Die Ausstellung selbst ist in 2 keinen Räumen untergebracht, denn man sich die Sachen nur anguckt, dann ist man nach wenigen Minuten schon fertig damit, doch die Dokumente (in Kopie), die man hier zu sehen bekommt, verdeutlichen den Werdegang, den Wilhelm Voigt, wie er zu dieser „Kultfigur“ gekommen ist. Daneben ist auch die Geschichte der Stadt und des Rathaus dokumentiert. Es ist kostenlos, daher meine beste Empfehlung! Wenn man die Gelegenheit haben sollte, auf jeden Fall anschauen, es lohnt sich, nicht nur wegen des originalen Mantels, den der besagte an jenem schicksalhaften Tag getragen hatte!
Im gleichen Gebäude befindet es sich ebenfalls das Restaurant "Ratskeller", leider war es an dem Tag, an dem wir es eigentlich besuchen wollten, geschlossen, mal schauen, was die Zeit bei nächstem mal bringen wird...[verkleinern]