Tag 2 in Berlin. Es wird dunkel. Ich hab Fußschmerzen. Ich hab Hunger. Ich hab Geburtstag. Und ich hab den ganzen Tag noch keine Currywurst gegessen.
"Was essen wir denn heute? Du entscheidest, schließlich hast du Geburtstag." Wie überaus entgegenkommend! Als hätte ich diese Frage noch nie entscheiden dürfen/können/müssen!
Mein Gegenüber mustert mich feierlich. Was erwartet der jetzt von mir? Konfettiwurf? Fanfaren? Eine Einladung ins Sternerestaurant?
"Wenne mich so frachs-Currywurst,... weiterlesen Pommes, Faßbrause. Da drüben ist Kult-Curry. War letztes Mal lecker. Will ich jetzt hin."
Ein Anliegen, mit dem ich in meinem sonstigen Düsseldorfer Umfeld auf mindestens totales Unverständnis gestoßen wäre. Am Geburtstag! Junkfood! Zum Glück habe ich einen Currywurstsüchtigen im Schlepp. Der wehrt sich nicht, obwohl er mittags schon zwei verdrückt hat.
Also Ziervogels Kult-Curry. Beim ersten Berlinbesuch "zufällig" entdeckt, da der Laden strategisch günstig gegenüber unserem Übernachtungsquartier gelegen war.
Und er ist tatsächlich ein bißchen "besonders".
Wer in der Hauptstadt der Currywurst sein Produkt so selbstbewußt als "Kult" bezeichnet, leidet entweder an totaler Selbstüberschätzung oder er hat tatsächlich was auf der Pfanne bzw. auf dem Grill. Und wer sein Lokal auch noch so einrichtet, wie es eben eingerichtet ist- der ist entweder süddeutscher Herkunft oder hat seinem Innenarchitekten im letzten Leben Furchtbares angetan. In diesem Ambiente erwarte ich eher eine zünftige Haxe mit Kraut, Gamsbärte und Krachlederne.
Hinter dem pommesbudenmäßigen Thekenbereich befindet sich ein gnadenlos auf Bayern gestylter Gastraum. Da fehlt kein Klischee. Weder die Kuckucksuhr, noch die ätzenden Stühle mit Herzchenlehne und die gräßlichen Vorhänge. Es ist so gruselig, daß es schon wieder Stil hat. Liebe Bayern, versteht mich nicht falsch: Ich hab nichts gegen Eure Folklore. Aber bitte in Bayern. Da paßt es hin. Euer Bier schmeckt mir hier übrigens auch nicht. Aber gut- ist alles Geschmackssache:-)
Hinter der Theke residiert der Chef. Das ist sofort klar. Er trägt die makellos weiße Jacke der Kochzunft. Und begrüßt uns, als wären wir in (s)einem Feinschmeckerlokal.
Wortreich-schließlich haben wir uns sofort als reig’schmeckte Greenhorns zu erkennen gegeben-preist er uns „all sein Gold“ an. Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Würsten werden geradezu akademisch erläutert. Und die erhältlichen Schärfegrade. Daß die Pommes die Besten von ganz Berlin sind, versteht sich natürlich von selbst!
Wir ordern unser Menü und platzieren uns vor die Tür; dahin, wo man die scheußliche Kuckucksuhr nicht sehen kann. Inzwischen ist auch die Chefin aufgetaucht und verwickelt uns in ein nettes Gespräch. Und das, obwohl wir uns als Touris geoutet haben! Nach menschlichem Ermessen nie Stammkunden werden! So viel Mühe würde sich kein Düsseldorfer Wurstbrater machen.
Eine Urberliner Kneipenbekanntschaft erzählte uns übrigens später, daß vielen Einheimischen Kult-Curry gerade deswegen nicht gefällt. „Die Leute sind unerträglich aufdringlich!“ Kann ich nicht bestätigen. Ich fand die nett. Die Wahrnehmungen sind halt unterschiedlich..
Das Essen kommt bzw. es wird formvollendet gereicht. Man könnte sich auch in einem Teuerrestaurant am Gendarmenmarkt befinden. Das „Guten Appetit“ wird herzlich vorgebracht; man patrouilliert um unseren Tisch herum. „Schmeckt’s?“ Ich habe gerade die erste Pommes aufgespießt. Bei so was muß ich immer an den „Kalbshaxe Florida“-Sketch des unvergeßlichen Loriot denken;-)
Ja. Es schmeckt. Zwar habe ich statt der bestellten Mayo Ketchup auf den Pommes, aber weil die Leute so nett sind, mag ich nicht meckern.
Die Wurst (ohne Darm) ist geschmacklich sehr gut. Hätte ich nicht schon bei Curry 36 gespeist, wäre ich restlos begeistert gewesen, denn auch die Sauce ist sehr gelungen, gut gewürzt und hat nichts mit diesem Höllengebräu zu tun, das man bei uns so anbietet. Allerdings-an die Fruchtigkeit von 36 kommt sie nicht heran. Weiß der Schinder, was die da reinpacken..
Die Pommes sind vorzüglich, und auch die Portion ist absolut in Ordnung-zumal recht günstig. Eine leckere Faßbrause rundet die Ferkelei perfekt ab.
Das Ergebnis im Rahmen meines Currywurst-Testessens (alles für GoLocal;-): Zum Spitzenreiter reicht es nicht. Aber trotzdem ist die „Kult-Curry“ sehr zu empfehlen. Ob der gefeierte Konnopke, der als nächstes auf der Liste steht, da mithalten kann? Demnächst auf dieser Frequenz![verkleinern]