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Ein bisschen ungewöhnlich sieht dieses weiße, turmlose Bauwerk schon aus und erinnert mich an so manches, bloß nicht an einen Dom. Aber es ist tatsächlich die älteste noch vorhandene Kirche der Hallenser Altstadt.
Erbaut wurde der Dom ab 1271 ursprünglich als Klosterkirche „St. Paul zum Heiligen Kreuz“ von Bettelmönchen des Dominikanerordens, die viel Wert auf gute Akustik und weniger Wert auf Prunk und Pomp legten. Daher wurde ua. auf den Bau eines Turms verzichtet. Fast 60 Jahre brauchte... weiterlesen man bis zur Fertigstellung der Kirche.
Albrecht v. Brandenburg, seines Zeichens Erzbischof v. Magdeburg, Erzbischof und Kurfürst v. Mainz, Erzkanzler des Heiligen Römischen Reichs, der in Halle residierte, wollte sich in der Saalestadt eine „Neue Residenz“ genanntes herrschaftliches Stift errichten. Dazu ließ er die Dominikanerkirche ab 1520 zur Stiftskirche umbauen. Bei diesem Umbau erhielt die Kirche auch den für sie typischen Giebelkranz vor dem Dach.
Entsprechend dem Herrscheranspruch Albrechts war die Ausstattung der nun „Dom“ genannten Klosterkirche pompös. Allein 16 Altäre (wovon 2 erhalten sind) schuf die Werkstatt von Lukas Cranach dem Älteren. Hinzu kamen noch Werke ua. von Matthias Grünewald und Albrecht Dürer. Außerdem bot der Dom der mit 20.000 Reliquien sehr umfangreichen Reliquiensammlung des Erzbischofs eine neue Heimstatt (das sog. „Hallesche Heilthum“ – nicht mehr vorhanden).
Alle Frömmigkeit nutzte Albrecht allerdings nichts. Mit Vordringen der Reformation mußte er 1541 seine Residenz Halle/S für immer verlassen, allerdings nicht ohne alles mitzunehmen, was transportabel war. So hat sich von der Ausstattung aus erzbischöflicher Zeit nicht viel erhalten und ist stattdessen heute z.T. im Museum in Aschaffenburg (Bayern) zu bewundern.
Für etwa 50 Jahre blieb der Dom dann ungenutzt, bevor er von den Administratoren des nun weltlichen Herzogtums Magdeburg in ihre Hof- und Schloßkirche umgewandelt wurde. Der letzte Administrator, Herzog August v. Sachsen-Weißenfels, ließ den Dom im damaligen Zeitgeschmack barock umgestalten. Nach August‘s Tod kam das Herzogtum Magdeburg an das Kurfürstentum Brandenburg. Dessen Kurfürst Friedrich Wilhelm (Der Große Kurfürst) überließ den Dom schließlich der lutherischen Hofgemeinde sowie der deutsch-reformierten Gemeinde und der Hugenottengemeinde, die hier seit 1688 als Reformierte Domgemeinde ihre Gottesdienste abhalten.
1702 bis 1703 wirkte Georg Friedrich Händel als Organist im Dom. In der Folgezeit wurden kaum noch bauliche Veränderungen vorgenommen. Allerdings ersetzte die Gemeinde Mitte des 19. Jahrhunderts die große barocke Domorgel durch eine neue Wäldner-Orgel, während die kleinere Stephani-Chororgel noch aus dem Jahr 1799 stammt. Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Innenraum dem damaligen Zeitgeschmack entsprechend neogotisch renoviert und umgestaltet.
Den 2. Weltkrieg überstand der Dom unbeschadet. Ende der 1950er Jahre ließ die DDR trotz Materialengpässen eine Renovierung des Innenraums und der Außenmauern durchführen. Von 1996 bis 2005 fand dann eine Grundsanierung des Doms statt.
Betritt man den Dom vom Stiftshof aus, fällt neben dem Eingang an der Außenmauer das Grabmal für den preußischen Kanzler Gottfried v. Jena auf, der 1702 das „Freiweltliche adelige von Jena’sche Fräuleinstift“ gegründet hatte, dessen Äbtissinnen dann im Dom beigesetzt wurden.
Im Dom kann man dann die dreischiffe gotische Hallenkirche mit ihren Kunstwerken aus der Renaissance und dem Barock auf sich wirken lassen. Die ursprünglich schmucklosen Pfeiler tragen seit dem 16. Jahrhundert Statuen verschiedener Heiliger. Der Lettner, der ursprünglich die Mönche vom gemeinen Volk trennte, wurde beim Umbau entfernt.
Die mit Motiven und Figuren aus dem Neuen Testament verzierte Kanzel stammt aus dem Jahr 1526. Während die Südempore noch aus der Renaissance stammt, wurden die anderen Emporen und der Hauptaltar um 1660 eingebaut. Beachtenswert sind zahlreiche Epitaphe und Grabmale (das älteste stammt von 1380) sowie ein separates im Seitenschiff aufgestelltes Betstübchen für die adeligen Stiftfräuleins.
Ein bisschen Zeit sollte man schon mitbringen, um all die Details zu entdecken, die der fast 750 Jahre alte Kirchenbau dem aufmerksamen Betrachter zu bieten hat.
Fazit: Sehr sehenswert. Ein paar mehr Infos vor Ort wären für den unkundigen Besucher hilfreich.[verkleinern]