„Wenn wir uns von unseren Träumen leiten lassen, wird der Erfolg all unsere Erwartungen übertreffen".
Henry David Thoreau (1817 - 1862), amerikanischer Schriftsteller und Philosoph
Habe sehr lange nachgedacht, welche der Zahlreichen Entdeckungen eine angemessene „Würdigung“ erfahren soll, um als mein (offizieller) 2500. Beitrag werden soll?! In meiner Favoritenliste gibt es zahlreiche Adressen, die noch gar nicht hier bekannt sind oder nur wenige Einträge besitzen. Die Auswahl, wenn man... weiterlesen sich diese anschaut ist ziemlich umfangreich aber recht schnell hat es sich heraus kristallisiert, dass es der Hamburger Rathaus werden soll! In der Vergangenheit habe ich diesen mehrmals (mit unterschiedlichen Begleitern) besucht. Wenn selbst Menschen, die sonst eher wenig bis gar nichts mit Architektur, Geschichte und vielen anderen Aspekten, die den Bau als solchen haben und sie es dennoch als ein Highlight unter den Sehenswürdigkeiten Deutschlands empfinden, dann ist es für mich ein Bedürfnis, meine Sicht davon zum Besten zu geben!
Zu dem Thema gibt es zahlreiche Empfehlungen aber das was mein Interesse erweckt hatte, als ich mich damit ausweinender gesetzt habe, ist bis jetzt bei keinem zur Sprache gekommen :-/. Es ist eine sehr komplexe Geschichte, die viele Aspekte beinhaltet, die nicht nur mich bei einem Rundgang dort wirklich sprachlos gemacht haben! Da wäre ich meinem Nikname untreu geworden, wenn ich sie nicht an der Stelle zum Besten gegeben hätte. Das ist aber etwas, worauf man ein wenig Geduld benötigt, weil es nur ein Detail des Ganzen darstellt in dem „großen Ganzen“.
Rathäuser waren seit jeher Orte, die je nachdem wo sie errichtet worden sind, eine politische und bisweilen auch eine künstlerische Rolle gespielt haben. In Hamburg ist es ein Zeichen des Bürgerstolzes aber auch ein wahr gewordener klein-Jungen-Traum, der aber sehr lange auf sich warten ließ! Dem ganzen ging ein schweres Unglück voraus: 1842 gab es einen sehr großen Stadtbrand. Das was deren Abhilfe gedacht war, führte dazu, dass noch weitere Teile neben dem einstigen Brandherd rund um die Trostbrücke (wie ich dazumal darüber berichtet habe) nicht verschont wurden, sondern der Gegenteil der Fall gewesen ist! Darunter auch der einstige Rathaus, der sich in dessen Nähe befunden hatte. Man dachte, dass eine Sprengung eine „gute Tat“ wäre aber es kam anders! Der Wiederaufbau wurde zwar bald begonnen aber leider dieser Bau blieb außen vor! Es gab zahlreiche Entwürfe, die Vorschläge für einen Neubau lieferten aber jeder der mehr als 200 von ihnen wurde abgelehnt! Wie so häufig in der Politik gab es zu viele Meinungen, die das betrafen! Über Jahrzehnte konnten sich die Herren weder auf ein Entwurf einigen, noch über einen dafür geeigneten Standort, wo es sich befinden sollte!
Wenn man sich den Hintergrund hinter dem Bau dieses Rathauses anschaut, wird deutlich, dass es von vorne herein an Entschlusskraft gemangelt hatte! Es ist erneut ein Beispiel, das zum Teil bis in die heutige Zeit Parallelen und Anknüpfungspunkte besitzt. Im Grunde genommen, handelte es sich um die gleichen Leute, die ihr Mitspracherecht bei der vor wenigen Monaten vorgestellten Nicolaikirche (die in dem Bereich lag, wo das verheerende Feuer ihren Anfang nahm) beansprucht hatten aber gleichzeitig auf eine „Radikallösung“ des ganzen bestanden haben! Eins möchte ich dennoch vorwegnehmen: auch wenn bei beiden Baustellen „Klotzen statt kleckern“ angesagt war, sollte es mehr als ein halbes Jahrhundert dauern, bis die entstandene „Lücke“ in der alten Freien und Hansestadt Hamburg, als Rathaus und gleichzeitig Parlament ihr Bestimmungszweck erfüllen konnte! In der Zeit gab es dementsprechend keine „feste Adresse“, wo die jeweiligen Versammlungen stattfinden konnten!
Wo fängt man bei einer solchen monumentalen Aufgabe an, nicht nur sehr lange auf sich warten ließ, sondern auch beim Architekten Martin Emil Ferdinand Haller (* 1. Dezember 1835 in Hamburg - 25. Oktober 1925 ebenda) bereits in sehr frühen Jahren seine Phantasie beflügelt hatte! Bereits als 19-jähriger hat er sich an der ersten Ausschreibung 1854 als Schüler teilgenommen. Dieses Thema sollte sein berufliches Streben beeinflussen und dadurch (bei einem weiteren „Anlauf“) zu seinem „Lebenswerk“ werden! Vielleicht wurde dieses Bestreben durch die Tatsache verstärkt, dass sein Vater (der wohlhabende Bankier, Jurist) Dr. Nicolaus Ferdinand H. (* 21. Januar 1805 in Hamburg - 10. Oktober 1876 ebenda) zeitweise selbst dem Senat angehört hatte, später deren Finanzverwaltung „organisiert“ hatte. Wenn man das aus dieser Perspektive betrachtet, wird (jedenfalls mir) deutlich bewusst, dass Martin schon in sehr jungen Jahren und darüber hinaus, als sein Vater in den 1870-er bis -80-er Jahren mehrmals als Bürgermeister nominiert wurde mitbekommen haben muss, wie sich eine „Fehlende Bleibe“ bei den besagten Ämtern ausgewirkt haben muss…
Ohne sich zu sehr in Details seiner architektonischen Tätigkeit sei gesagt, dass auch wenn viele der anderen Bauten rund um die Binnenalster während des 2. Weltkriegs zerstört worden sind, ist das was sich bis heute erhalten hatte, ein Beweis dafür, wie prägend sie damals gewesen sind. Durch den vorher erwähnten Hintergrund, dass dieser studierte Architekt seine „Inspiration“ währenddessen im heutigen Belgien und in Italien sammeln konnte. So verwundert es nicht, dass er bei seinen Aufträgen bevorzugt die Stilelemente der Renaissance verwendet hatte. Diese kann man sowohl im inneren des Rathauses, als auch bei den Arkaden dem Gegenüber an der Alster bewundern.
Das was ich von der Vita des Martin Heller gelesen habe, scheint es, dass er ein Mensch war, den man (positivem Sinne) als ein Visionär, Triebfeder, ja MACHER! bezeichnen kann! Er gilt bis heute ab 1880 als der „Impulsgeber“ hinter dem sog. "Rathausbaumeisterbund", der seine und die Interessen der Kollegen vertreten hatte. Es führte überhaupt dazu, dass nach über 40 Jahren der Bau als solcher (und keine weitere Ausschreibung) beginnen konnte!
Für den heutigen Betrachter ist es kaum vorstellbar, dass diese zentrale Stelle mitten in der „besten“ Innenstadtlage sich am Rand / Unweit des „Gängeviertels“ – eines damaligen (wie man es heute ausdrücken würde) „sozialen Brennpunkts“. Ca. 1 km Luftlinie befand sich eine (wie der angesehene Facharzt Prof. Doc. Robert Koch feststellte): „Ich habe noch nie solche ungesunden Wohnungen, Pesthöhlen und Brutstätten für jeden Ansteckungskeim angetroffen wie in den sogenannten Gängevierteln“. Warum erwähne ich das?! Die eigentlichen Bauarbeiten dauerten in den Jahren 1886-97. Die feierliche Neueröffnung musste mehrmals verschoben werden. Ab 1892 gab es eine sehr starke (und letzte überhaupt in Europa) Choleraepidemie. Das wird im nächsten Beitrag weiter vertieft. Anschließend, als alles fertig war, gab es ein großes Volksfest.
Ein Rundgang durch die Innenräume ist immer mit einer Führung verbunden (schon alleine, weil sich angeblich einige Gäste dort verirrt haben sollen). Nun ein paar Daten, die die imposanten Dimensionen sich vor dem geistigen Auge vorzustellen: über 647 Zimmer, der größte Saal mit monumentalen Gemälden, die die Geschichte der freien und Hansestadt Hamburg versinnbildlichen ist 47X15 Meter groß und misst bis zur Decke stolze 15 Meter! Das teuerste war gerade gut genug! In einem weiteren Raum wurden Säulen aus italienischem Carrara Marmor verbaut. Schon früh, als einer der ersten in der Stadt wurde hier elektrisches Licht angeschlossen. Aus Repräsentationszwecken hängen im sog. „Bankettsaal“ (man gönnt sich ja sonst nichts…) drei Kristall-Lüster, die je mit fast 300! Leuchtmitteln (Anfangs ggf. mit Kerzen) ausgestattet sind. In jedem der weiteren Säle, die im 19. Jahrhundert gestaltet worden sind, die gleichzeitig von der Vergangenheit künden, reiht sich ein Highlight an das nächste. Sicherlich bin ich nicht die einzige, die einen gewissen „Beigeschmack“ empfindet! Es ist nicht nur die zur Schau gestellte Prunksucht (was man bei den Hanseaten kaum vermuten würde), sondern auch, weil man es damals als eine „Wohltat“ empfunden hatte. Jedes mal, wenn ich an die eben erwähnte Gestaltung denke, dass die Herren die Herstellung der verwendeten Ledertapeten de facto als eine „Hilfe zur Selbsthilfe“ angesehen haben oder mein Endwegen „ABM“! Der Hintergrund ist aber einer, der mich frösteln lässt: es war nichts anderes, als (billige) KINDERARBEIT! War von der Arbeit sehr angetan, dennoch: Sobald sie das 8. Lebensjahr errichtet haben, wurde mit der „Ausbildung“ begonnen!
Wenn selbst ein Ortsfremder, wie Koch es gewesen ist, das Elend so sehr kritisch ansieht, wird der „Weg“ zur Vernachlässigung der Kleinsten nicht mehr weit sein. Einerseits kann ich mir vorstellen, dass die Waisenkinder, um die es hier geht, als Erwachsene froh waren eine „gesicherte Existenz“ zu haben. Andererseits bleibt es dennoch (moralisch betrachtet) irgendwo Ausbeutung :-(.
Damit meine Ausführungen nicht so trist, wie zuletzt, wahrgenommen werden, möchte ich einige Details ergänzen, die ich bisher vermisst habe. Kehren wir aber zuerst vor das Gebäude selbst: mit seiner 111 Meter langen Fassade mit einem etwas höheren Turm, als diese Angabe, gehört es zu den Publikumsmagneten an der Alster. Es ist, wie eine aufgeschlagene Chronik, die nicht nur an die „glorreiche“ deutsche Vergangenheit mit ihren Königen und Kaisern erinnert (die zusätzlich formell einzeln benannt werden), sondern auch der anderen Seite an deren Erbauer. So habe ich erfahren, dass viele der Baumeister, die dem vorhin benannten "Rathausbaumeisterbund". Sie haben mit ihren (für mich versteckten) Konterfeis eine „Visitenkarte“ hinterlassen, die mich zugleich beeindruckt, weil es sicherlich (ggf. wie in Nürnberg) so nicht vereinbart worden ist :-).
Auch, wenn ich keine genaue Zahl angeben kann, ist die Zahl der im Fassadenschmuck integrierten Figuren insgesamt (so habe ich jedenfalls gelesen) mehrere hundert betragen! Sie wurden aus verschiedenen Materialien hergestellt: bei den adeligen in Bronze, bei den beim Dachfüfrst aus Stein und bei denen im Innenhof gibt es beide Varianten. Da weiß man nicht, so zuerst geschaut werden soll! Es sind einzelne Berufe, Tugenden aber auch kleine Figuren, die einfach nur niedlich sind! Im Moment und bis weiteres ist das Rathaus aber fürs Publikumsverkehr bis auf weiteres geschlossen :-(. Bbei Interesse kann ich aber diesen Rundgang empfehlen: https://www.hamburgische-buergerschaft.de/rundgang/
Wenn man als Besucher den sog. „Wandelgang“ betritt, wird dort an verdiente Hamburger Bürger erinnert: sie wurden als ein Dekorelement (ein Relief) an den Säulen angebracht. Unter ihnen, ( was die männliche Sichtweise verdeutlicht…) ist nur eine einzige Frau: Amalie Sieveking, Begründerin der Diakonie. Was mich ebenfalls erfreut hatte, dass an Felix Bartholdy gedacht wurde. Das Rippengewölbe ist eine weitere Reminiszenz an die Geschichte. Diese Details / Besonderheiten könnte man seitenlang fortführen, sodass ich nur noch auf eine (aus meiner Sicht ungewöhnliche) „Selbstverständnis“ mit der die Stadtoberen (seit Jahrhunderten) eine gewisse „Strenge“ klar definiert wird.
In den mehr als 120 Jahren seit der Errichtung haben zahlreiche (hochrangige) Persönlichkeiten diesen geschichtsträchtigen Ort besucht! Es ist protokollarisch festgelegt, dass der „Stadtobere“ einer solchen Person nicht weiter entgegen kommen darf, als bis zu obersten Stufe der mit einem roten Teppich ausgelegten Prunktreppe! Bisher gab es nur eine Abweichung: 1965, als die (damals noch junge) Queen Elisabeth diese Räume besucht hatte! Dieser Zugang bleibt aber sonst den „Normalos“ verwehrt (außer man ist Abgeordneter).
Erneut ist es sehr lang geworden! Vielleicht habe ich Lust auf mehr gemacht! In diesem Sinne – eure Kulturbeauftragte :-)[verkleinern]